Vereinte Atemwege - COPD und Asthma der Nase
3.1. Vereinte Atemwege. Der Typ „Asthma der Nase“: Heuschnupfen und nicht allergische Rhinitis. (03/2020)
Die Atemwege beginnen an der Nasenspitze und ziehen sich durch die Nase, Rachen, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien bis in die Lungenbläschen hin. Im Prinzip können wir davon ausgehen, dass es sich um ein Organ handelt. Das hiesse auch, dass sich die Teile des Organs ähnlich verhalten bzw. zusammen agieren. Es handelt sich um obere Atemwege (oberhalb des Kehlkopfes, Nase und Nebenhöhlen) und untere Atemwege (unterhalb des Kehlkopfes, Bronchien bzw. Lunge).
Wir kennen Patienten, die nur unter Heuschnupfen leiden. Bronchiale Reaktionen finden bei ihnen nicht statt. Dann sind tatsächlich nur die oberen Atemwege betroffen. Und wir kennen Patienten mit reinem Asthma, die an den oberen Atemwegen gar nicht reagieren. Es sind dann nur die unteren Atemwege betroffen. Aber bei sehr vielen ist es nur eine Frage der Zeit. Die Erkrankung beginnt z.B. als Pollenallergie der oberen Atemwege. Einige Jahre später dehnen sich die Beschwerden aus und es kommt z.B. zu einem milbenallergischen Asthma bronchiale. Dann tritt der sogenannte „Etagenwechsel“ ein, eher eine Ausweitung der Erkrankung auch auf die jeweils andere Atemwegsetage. Dann sind eben beide betroffen. Entsprechend bedürfen dann beide der Abklärung und oft auch paralleler Therapie.
Beim Heuschnupfen und allergischen Asthma sind diese Zusammenhänge offensichtlich und allgemein recht anerkannt. Schwieriger wird es bei Patienten mit einem Asthma, das nicht allergisch bedingt ist. Das Fehlen von Allergien lässt sich schwer mit einem Test beweisen. Wir finden keine und ziehen dann daraus den Umkehrschluss, dass da wohl keine sind. Sicher sein können wir nicht. Wir sprechen dann von einem nicht allergisch bedingten Asthma. Und auch dies kann die obere Atemwegsetage mit einbeziehen. Dann handelt es sich um die Kombination von nicht allergisch bedingtem Asthma und nicht allergisch bedingter chronischer Rhinitis. Die Augen sind meist weniger heftig oder gar nicht betroffen. Etwas umstritten, aber durchaus sinnvoll, ist dafür der Begriff „nicht allergisch bedingtes sinubronchiales Syndrom“. Bei dieser Form der Erkrankung ist es nicht selten, dass die gemessenen Befunde erstaunlich nahe an normal oder sogar normal sind. Das trifft für beide Atemwegsetagen zu. Dann werden diese Patienten oft fälschlicherweise als gesund betrachtet oder als Hypochonder oder als „funktionell“ Kranke oder als psychisch Kranke.
Die HNO(ORL)-Ärzte finden nicht viel. Die Schleimhäute sind vielleicht ein wenig geschwollen und ein wenig gerötet. Oft wird von trockenen Schleimhäuten gesprochen. Zumindest im für Nicht-HNO-Ärzte einsehbaren Bereich stimmt diese Interpretation sicher in den meisten Fällen nicht. Manchmal ist es auch doch mehr (z.B. chronische Nasennebenhöhlenentzündung). Hinten am Rachen läuft vielleicht eine Schleim-(Eiter)-Strasse in den Hals hinunter. Danach hat die Erkrankung in den letzten Jahren den Begriff (Post-nasal-drip-Syndrom) erhalten. Dieser Begriff ist jedoch völlig irreführend, weil er keine Krankheit, auch kein Syndrom, sondern einfach ein Symptom beschreibt. Dann könnte man auch Husten als Syndrom oder Krankheit auffassen.
Und noch weiter daneben liegt man, wenn man aus diesem Begriff das Naheliegende ableitet: Der Schleim oder Eiter laufen hinten den Rachen hinunter und nehmen die Bronchien und die Lunge in Mitleidenschaft. Denn bei Vielen bestehen auch Husten und sogar Atemnot. Der Weg ist nämlich nicht dieser. Der Schleim/Eiter, der hinten den Rachen hinunterläuft, reizt im Bereich des Kehlkopfes zum Schlucken und dann landet der Schleim in der Speiseröhre und im Magen (wo beides harmlos ist, weil die Magensäure desinfizierend wirkt). Der Schleim wird verdaut und ist weg. Auf diesem Wege passiert an der Lunge nichts. Sonst würden wir uns bei jedem Abwärtsgang von Schleim verschlucken und wahnsinnig anfangen, zu husten. Das ist aber kaum häufiger der Fall als bei Anderen auch. Der Schleim/Eiter im Rachen sind gar nicht besonders schlimm, aber sie sind natürlich Symptom einer zugrundeliegenden Erkrankung der Atemwege und der Schleim ist natürlich störend und verursacht das Schlucken und eine verstopfte Nase. Diese Menschen schlafen meistens nachts mit offenem Mund, was nicht angenehm ist und oft auch die Schlafqualität beeinträchtigt.
Die Zugrunde liegende Erkrankung ist eine entzündliche Erkrankung der Atemwege. In den Bronchien führt sie im Wesentlichen zu Schleimbildung, Husten und Atemnot. In der Nase führt sie im Wesentlichen zu verstopfter Nase wegen Schleimhautschwellung und Schleimbildung, meist wässrig bis dickflüssig, glasig bis grau, kaum verfärbt. Dieser Schleim wird beim Naseputzen nach vorne entleert oder/und läuft hinten im Rachen hinunter und wird verschluckt.
Dann werden die Patienten beim HNO(ORL)-Arzt untersucht. Ausser der Schleimstrasse im Rachen (oft nicht einmal die) findet er ein wenig Entzündung und sonst nichts. Die Nasenscheidewand ist selten gerade. Also wird sie als Ursache verdächtigt und vielleicht sogar operativ begradigt. In über 50 % der Fälle ist das Ergebnis, was die Beschwerden betrifft, sehr ähnlich dem Zustand vorher. Das ist allgemein bekannt. Ich denke, das liegt einfach an der falschen Interpretation der Verhältnisse als Voraussetzung. Wie so oft in der Medizin (zumindest der Atemwege) heisst „Ich finde nichts“ noch lange nicht „Da ist nichts“. Dieser Schluss ist nicht zulässig, wird aber sehr oft so gezogen.
Hier ist ein Umdenken nötig, sowohl was die Art zu Schlussfolgern anbetrifft wie auch das Verständnis der Art und des Mechanismus´ der Erkrankung. Die Art der Erkrankung gehört in den oft vererbten Formenkreis der entzündlich obstruktiven (oft, aber eben nicht immer, auch allergischen) Atemwegserkrankungen!
3.2. Der Typ „COPD der Nase“: Der chronische Schnupfen bei chronischer Bronchitis.(3/2020)
Heuschnupfen ist in der Regel eine Erkrankung der jungen Menschen. Mit zunehmendem Alter lassen die Beschwerden nach. Neuer Heuschnupfen im Alter ist selten. Die nicht allergisch bedingte Form tritt viel häufiger auch im Alter auf.
Die chronische Bronchitis ist eine Erkrankung der zweiten Lebenshälfte. Sie beginnt langsam und sie schreitet langsam fort. Raucher sind oft früher und schlimmer betroffen. Bei den einfachen Formen oder im infektfreien Zustand findet der Pathologe nicht viel. Er beschreibt aus Gewebeproben etwas chronische Bronchitis, wie im späteren Alter sehr viele Menschen das haben.
So ist es auch mit der COPD-assoziierten Erkrankung der Nase. Sie ist in der Regel nicht akut. Bei Infekten reagiert die Nase mit durch verstärkten Schnupfen, teils gefärbtes Sekret, manchmal auch mit blutigem Sekret.
Im infektfreien Intervall handelt es sich bei den Beschwerden oft nur um wässrigen Schnupfen morgens nach dem Aufstehen. Oft tritt er auch auf beim Frühstücken. Der Kaffee dampft oder der heisse Tee steht vor dem Patienten. Das Brot ist getoastet. Es läuft im Mund das Wasser zusammen. Die Nase reagiert mit. Plötzlich fängt auch die Nase an zu laufen, wie Wasser und im Schwall läuft es heraus. Das Nastuch darf nicht weit sein. Plötzlich tropft es auf den Tisch oder sogar den Teller. O, wie peinlich.
Nach dem Essen beruhigen sich die Speicheldrüsen. Auch die Nase ist wieder zur Ruhe gekommen. Der Weg zur Arbeit führt durch kalte Luft. Es muss etwas schneller gehen. Die Zeit drängt. Die Atmung wird etwas schneller, aber weil es im Hals sonst etwas reizt, dann doch besser durch die Nase atmen. Wieder tropft es wie Wasser aus der Nase, plötzlich und heftig. Schnell das Nastuch… Mit der Zeit beruhigt sich die Nase wieder etwas. Es dauert aber nicht selten bis in die Wärme am Arbeitsplatz und dann auch noch eine Viertel- bis halbe Stunde.
Am Mittagstisch: Dasselbe Lied wie am Frühstückstisch, nachmittags zum Kaffee und zum Nachtessen wieder. Selbst nach dem Ins-Bett-Gehen in der Wärme und Wohligkeit des Bettes kommt es noch einmal zu einer solchen Episode. Über Nacht dann ist meistens Ruhe.
Manch einer neigt zu gehäuften nasalen Infekten oder Nasennebenhöhlenentzündungen, viele aber auch nicht.
Was sehen die Ärzte? Ein wenig entzündete oder als trocken interpretierte Schleimhaut, manchmal etwas Schleim, vielleicht ein wenig Schleimhautschwellung, also „nichts“. Proben für den Pathologen werden selten entnommen, würden wahrscheinlich auch nur ein bisschen chronische Entzündung zeigen (fast etwas „normales“ in der zweiten Lebenshälfte). Die etwas veränderte Funktion der Schleimdrüsen sehen wir weder mit blossem Auge noch im Mikroskop. Wie kommt diese veränderte Funktion der Schleimdrüsen zustande? Ist es eine Form von Verschleiss? Degeneration? Alterung?
Die nicht allergisch bedingte Rhinitis beim Asthmatiker und die chronische Rhinitis bei chronischer Bronchitis sind heute noch schwer zu unterscheiden. Uns fehlen einfach die angemessenen Untersuchungsmethoden. Beim Asthma werden wir wohl von mehr Entzündung ausgehen müssen und dürfen, bei der chronischen Bronchitis mehr von Funktionsänderung der Schleimdrüsen. Vielleicht sind die Unterschiede auch nur graduell?
Die Benennung dieser Erkrankung mit „Post-nasal-drip-Syndrom“ oder meines Erachtens doch etwas besser mit dem Begriff „Sinubronchiales Syndrom“ gilt wie beim Asthma (siehe oben). Allergien spielen bei der chronischen Rhinitis in Begleitung der chronischen Bronchitis keine Rolle.
3.3. Der Kehlkopf als Drehkreuz der Verkehrswege im Hals. (3/2020)
Dort im Hals, wo wir von vorne schauend beim Schlucken das Hinauf- und Herunterziehen einer derben Vorwölbung sehen, sitzt der Kehlkopf. Der Kehlkopf ist der Eingang zur Luftröhre. Im Eingang sind links und rechts die zwei Stimmbänder (besser Stimmlippen, denn sie sind keine Fäden, sondern Segel mit einer bandartigen Verdickung am Rand). Mit diesen Stimmlippen sprechen und singen wir. Beim Atmen gehen sie weiter auf. Beim Husten verschliessen sie sich.
Die Anatomie im Hals bewirkt, dass vorne die Luftröhre mit dem Kehlkopf als Eingang liegt, parallel dazu hinten die Speiseröhre, damit unsere Nahrung in den Magen gelangen kann. Der Mund aber ist vorne unten und die Nase, durch die wir normalerweise atmen, ist oben und im Anschluss der Rachen weiter hinten. Im Rachen hinter der Zunge haben Luft und Nahrung den gleichen Weg. Über dem Kehlkopf muss entschieden werden, was wohin geht. Der Schwerkraft nach würde alles in die Luftröhre fliessen bzw. wandern.
Damit Luft in die Luftröhre, Nahrung und Flüssigkeiten aber nicht in die Luftröhre, sondern dahinter in die Speiseröhren fliessen, gibt es über dem Kehlkopf einen Kehldeckel. Dieser Deckel verschliesst beim Schlucken durch Absenken den Kehlkopf. Nach dem Schlucken und beim Atmen geht er wieder auf. Die Wege der Luft und der Nahrung überkreuzen sich also beim Menschen.
Gehört nun der Kehlkopf zum Magen-Darm-Trakt oder zu den Atemwegen? Anatomisch markiert er den Eingang zur Luftröhre. Er gehört daher zu den Luftwegen. Aber er liegt natürlich auch im Wege der Nahrung zwischen Mund und Speiseröhre.
Viele lungenkranke Menschen haben ein „Globusgefühl“, einen Frosch, ein Fremdkörpergefühl im Bereich des Kehlkopfes. Es schmerzt vielleicht sogar ein wenig. Die Menschen werden recht schnell heiser, weil die Stimmlippen an den Rändern etwas schwellen und sich damit anders bewegen als sonst. Wenn es etwas schlimmer wird, dann treten ein Räuspern oder sogar leichter Husten auf. Auch ein wenig Schleim ist dann nicht selten herauszubefördern. So interpretieren wir das Gefühl als Schleim, der heraus muss. Es kommt aber oft nur sehr wenig. Offenbar sitzt der Schleim sehr fest. Wir müssen ihn also lösen. Dazu bekommen wir in der Apotheke oder beim Arzt schleimlösende Mittel. Der wirksamste Effekt ist jedoch meist nicht der medizinisch gewünschte (Schleimlösung), sondern der entgegengesetzte Effekt auf zwei Portemonnaies. Manche Patienten leiden chronisch über viele Jahre oder Jahrzehnte an diesen Beschwerden. Sie selbst gewöhnen sich daran. Eltern, Ehepartner und enge Freunde sind meist mehr davon genervt.
Der Weg zum HNO-Arzt bringt oft normale Befunde oder ein wenig Rötung an der hintersten Stelle des Kehlkopfes. Da diese Stelle dem Eingang zur Speiseröhre am nächsten liegt, folgt daraus die Schlussfolgerung, dass Magensäure die Ursache sein müsse. Man geht davon aus, dass die Magensäure durch den nicht fest schliessenden Mageneingang im Liegen zurück in die Speiseröhre fliesst und dort zu Entzündung führt. Das ist eine relativ häufige Erkrankung und sollte behandelt werden. Wenn wir jedoch diese Magensäure als Ursache für die Gefühle am Kehlkopf glauben wollten, dann müsste die Magensäure die ganze Speiseröhre hinauf laufen (was zu entsprechender Entzündung führen würde) und dann auch noch im Liegen gegen die Schwerkraft nach oben zum Kehlkopf, so dass es dort zu Entzündung kommt. In sehr schweren Fällen mag dieser Mechanismus tatsächlich so ablaufen. In den meisten Fällen ist er nicht glaubhaft. Man kann einen Therapieversuch mit Magensäureblockern durchführen. Tritt nicht innerhalb von vier Wochen dauerhafte Besserung ein, kann man aufgeben. Dann ist offenbar etwas anderes die Ursache und man muss danach suchen.
Stellen wir uns vor, der Kehlkopf ist der Eingang in die Luftröhre. Diese teilt sich am unteren Ende in die beiden Hauptäste und verzweigt sich dann in Form der Bronchien wie das Astwerk eines Baumes. Dieser Raum in Luftröhre und Bronchien ist damit ein Raum. Entzündung durch Allergien oder andere Ursachen wird den ganzen Raum umfassen. Die Auswirkungen sind teilweise unterschiedlich, aber es kommt zu einer leichten Entzündung der Schleimhaut im gesamten Bereich. Am meisten bemerkbar macht sich diese Entzündung in den kleinen Atemwegen durch Schwellung der Schleimhaut, vielleicht auch etwas Schleimbildung, möglicherweise auch etwas muskuläre Verengung. Dann sind diese Bronchien sehr schnell enger. Die zweite sehr feine Struktur sind die Stimmlippen. Schon eine feine Schwellung führt zu anderer Schwingungsfähigkeit und damit zur Heiserkeit. Sehr häufig gehören diese Beschwerden am Kehlkopf also zu den bronchialen oder Atemwegsbeschwerden und nicht zu denen der Speiseröhre.
Nun kann man fragen, warum wir diese Gefühle oder Beschwerden dann nicht in der Lunge oder in den Bronchien merken.
Das hat wiederum mit der Anatomie zu tun. Die inneren Organe (Lungen, Leber, Niere, Milz und andere) sind nicht von Schmerznerven durchzogen. Die Schmerznerven befinden sich in der Umhüllung der Organe, dem Rippenfell, der Nierenkapsel etc. Ein faustgrosser Tumor in der Lunge bereitet oft keine Schmerzen, auch in der Leber nicht. Trifft der Tumor auf die Haut um das Organ oder schwillt das Organ an, so dass das Organ grösser wird und die Kapsel gedehnt wird, dann spüren wir dadurch Schmerzen. Im Inneren des Organes aber spüren wir es nicht.
Zur Lunge: Die Schmerznerven und andere sensible Nerven fangen im Bereich des Kehlkopfes an. Deshalb können wir die Beschwerden dort fühlen. Weiter unten fühlen wir sie nicht, weil uns dort die entsprechenden Fühler fehlen. Wir fühlen also die Beschwerden im Bereich des Kehlkopfes obwohl das Hauptproblem viel tiefer, im Bereich der Bronchien liegt. Das einfache in Beziehung setzen von Gefühl und Realität führt uns also in die Irre.
Dazu kommt noch, dass wir das, was wir dann fühlen, als Fremdkörper, vor allem als Schleim interpretieren. Ein wenig Schleim kommt auch heraus, aber das Gefühl ändert sich nur wenig. Also husten wir aktiv, damit alles herauskommt. Und so reizen wir die Schleimhaut umso mehr, was zu mehr Entzündung, Schleim und Fremdkörpergefühl führt. Das aber wollten wir doch gar nicht, sondern das Gegenteil. Wir setzen einen Circulus vitiosus in Gang.
Oder das Gefühl wird als Trockenheit interpretiert.
Wieder die Frage: Stimmt unsere Interpretation des Gefühles? Wie fühlt sich eigentlich entzündete Schleimhaut an? Ich habe das meine Patienten oft gefragt. Antwort: Woher soll ich das wissen? Stimmt. Nach vielen Jahren Umgang mit Lungenkranken bin ich zu dem Schluss gekommen, dass dieses Gefühl die entzündete Schleimhaut ist. Und die ist festgewachsen. Wenn wir husten, kommt der wenige vorhandene Schleim heraus. Dann kommt nichts mehr. Bewusst den Husten zu verstärken ist dann völlig unsinnig. Wir können das Gefühl nicht ändern.
Das stimmt aber nicht. Das Gefühl können wir ändern. Indem wir häufig etwas trinken oder lutschen. Beides führt dazu, dass wir häufiger schlucken müssen. Viele glauben, dass die Schleimhäute zu trocken seien (viele HNO-Ärzte sind auch der Ansicht und erzählen das oft). Ich habe fast allen meinen Patienten auch hinten in den Rachen geschaut. Es gibt einige wenige, die wirklich trockene Schleimhäute haben. Bei den allermeisten sind sie feucht und spiegelnd. Nicht die Feuchtigkeit ist das Entscheidende. Wir können das Gefühl vergleichen mit Juckreiz auf der Haut. Wenn wir drüber streichen oder gar kratzen, geht der Juckreiz weg, kommt aber je nach Ursache bald wieder. Wir ändern an der Ursache nichts. Das Entscheidende beim Schlucken ist nicht, was wir schlucken, sondern dass wir schlucken. Durch den Schluckakt berühren sich die Schleimhäute alle einmal, so das das Gefühl geändert wird. Dann ist es endlich besser. Eine Viertelstunde später ist alles wie vorher, denn wirklich geändert haben wir nichts. Trinken oder Lutschen ändern das Gefühl und bedingen daher Linderung. Der Effekt ist aber nur von kurzer Dauer. Eine tatsächliche Besserung dadurch tritt nicht ein.
Ein Satz auch noch einmal zum „Schleimlösen“, was ja viele Lungenkranke sehr beschäftigt. Ich habe nie verstanden, warum das Schleimlösen so wichtig sei (das ist es auch). Wichtiger wäre doch, die Schleimproduktion zu dämpfen, etwa durch Besserung der Entzündung oder Dämpfung der Aktivität der Schleimdrüsen. Schleim, der nicht gebildet wird, muss auch nicht gelöst werden. Deshalb sind die beiden Therapieformen (Entzündungshemmung und Schleimdrüsendämpfung) so wichtig und wichtiger, als den Schleim zu lösen.
Diese Gefühlsstörungen werden bei Patienten mit COPD häufiger sein als bei Asthmatikern. Es kommt zu regelrechten Störungen der Sensibilität der Schleimhaut im Bereich des Kehlkopfes. Wahrscheinlich führt diese Störung bei vielen Menschen zu einer Veränderung des Schluckaktes. Vor allem Ältere mit chronischer Bronchitis oder jahrzehntelangem Asthma leiden daher auch an Schluckstörungen. Der Schluckakt setzt eine Zehntel Sekunde zu früh oder zu spät ein, so dass es häufig zu keinem kompletten oder zeitgerechten Verschluss des Kehlkopfes kommt und kleine Mengen des geschluckten Essens oder der Flüssigkeit oder des Speichels oder Schleims in den Bereich zwischen den Stimmbändern und den oberen Teil der Luftröhre kommen. Das löst sofort heftigen Hustenreiz aus, unter dem diese Patienten ja sowieso schon häufiger leiden. Es lohnt sich also für diese Patienten, beim Essen und Trinken und Schlucken etwas aufmerksamer zu sein, um das Verschlucken zumindest teilweise zu verhindern.
Halten wir also fest: Unsere Gefühle und die Vorgänge, die sich abspielen, sind oft nicht 1:1 interpretierbar. Es braucht mehr Wissen um die Hintergründe.
Schleimgefühl ist nicht unbedingt durch Schleim verursacht.
Viele Lungenkranke fühlen etwas im Bereich des Kehlkopfes, sind leicht etwas heiser oder husten ein wenig, eher trocken als mit Schleim.
Der Magen ist viel seltener Ursache von Beschwerden am Kehlkopf als die Lunge.
Lutschen und Trinken lindern den Reiz am Kehlkopf. Wirklich ändern tun sie nichts.