Egoismus und Stolz (10/2024)


Einer der grössten Irrtümer von uns Menschen dürfte sein: „Der Mensch ist gut.“ „Ich bin gut“. Oder wir denken im Gegenteil: „Der Mensch ist schlecht (böse oder was immer schlimmes wir wollen).“ Nein, wir sind beides, vereinen beides in uns und das ist die Herausforderung an uns, das zu verstehen und zu beherzigen. Das Gute ist die Herberge des Bösen. Ein + bedingt ein -. Reichtum bedingt Armut. Das Plus wächst nicht auf den Bäumen.

Wir wissen nicht, was gut und böse ist. Das heisst, wir wissen es schon, nur die Anderen leider nicht. Deshalb gibt es heute so viel Böses in der Welt, weil es so viele Andere gibt. Bloss gut, dass ich nicht zu den Anderen gehöre. Tatsächlich? Wenn Alle ihr Leben so leben würden, wie ich mir das denke, dann wäre alles gut, zumindest doch für mich, oder? Könnte es da einen Denkfehler in der Annahme geben?

Wollten wir diese Spannung zwischen „gut“ und „böse“ in uns beenden, würden wir vermutlich Leben beenden. Wollen wir diese Spannung aber immer weiter treiben, werden wir uns irgendwann alle gegenseitig zerreissen. Nach dem Energieerhaltungssatz ist das – meist mindestens ein klein wenig grösser als das +. Die Differenz ist der Verlust an die Umwelt oder Andere. Deshalb brauchen unsere Gesellschaften so viel gedachtes Geld, nämlich, erstens um den Verlust auszugleichen und zweitens sogar um Gewinn daraus zu machen. Wir wollen schliesslich Gewinn! So funktionieren wir und unser Wirtschafts- und Finanzsystem.

Die Realität kann gar nicht das Problem sein. Sie ist, wie sie ist. Das Problem sind wir, bin ich. Unser Weltbild ist einfach nur Ich-zentriert. Wir frönen einem Menschheits-, nein, Ich-zentrierten Weltbild. Wir haben unser Wünschen, Wollen, Planen, Denken, Definieren etc. zum Massstab erklärt. Wenn wenigstens die ganze Menschheit der Massstab wäre, aber nein wir sind es allein und selbst. Wenn Jeder so zu seinem eigenen Massstab wird, dann ergibt das Chaos. Was ich für Freiheit halte, was ich für Gerechtigkeit halte, was ich für Frieden halte, das ist richtig, das ist gut. Viel Erfolg.

Seit Jahrhunderten bauen wir den Frieden auf und halten wir uns selbst nur für friedlich. Wie erfolgreich waren wir bisher? Was müssen wir für Schlüsse ziehen? Wir sind selbst entgegen unserem Selbstverständnis offenbar gar nicht friedlich oder gibt es auch einen Teufel, der uns reitet? Tatsächlich fragen wir uns oft, was Andere oder uns eigentlich reitet, dass wir dies oder das so tun, wie wir es tun. Zwischen „gut“ und „böse“ können wir gar nicht trennen. Je mehr wir Menschen und auch wir selber können, desto mehr Fähigkeiten bekommt auch der Teufel in uns. Den können wir wohl gar nicht besiegen? Die Frauen kultivieren ihre Träume noch mit dem demonstrativen Optimismus der Frauen, dass mehr als wir können, möglich wäre. Grosse Augen, kleiner Magen. Grosse Träume, schwache Leistung, dann Burn out. Werden wir lieber realistischer in einer uns fremden Welt.

Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Menschsein bedeutet, sich abzugrenzen und intolerant zu sein und das macht die oder der Andere nicht nur aus Böswilligkeit, sondern wegen ihres/seines Menschseins und auch ich mache das aus gleichem Grund. Eigene Meinung, eigene Ansicht, eigener Wille. Wer auf die Strasse geht zum Demonstrieren oder Kämpfen gegen ..., der zeigt seine Intoleranz mit dem, was er bekämpft. Wer kämpft, zeigt seine ganze Intoleranz. Wer kämpft, auf welche Art auch immer, auch gewaltfrei, zeigt nur seine eigene Intoleranz mit den Zuständen, Dingen oder Personen, die er bekämpft. Erstes Zeichen von Toleranz ist ein Niederlegen aller Waffen. Freiheitskämpfer sind sogar bereit, für ihre eigene Intoleranz zu sterben, obwohl sie doch in Freiheit leben wollen.

Wir sahen bereits, wie wenig wir unser eigenes Sein eigentlich beeinflussen konnten und beeinflusst haben. Stolz auf unsere eigenen Leistungen ist also eigentlich allenfalls sehr eingeschränkt angemessen.

Wir Menschen leben für uns selbst und beziehen alles auf uns, das Wissen, das Verständnis, die Beziehungen (Was bringt mir das? Muss ich mir das antun?), nicht nur egoistisch, sondern wir sind für uns selbst auch die Mitte. Wir können nur aus uns selbst sehen. Alles sich im Spiegel sehen wollen, sich in Andere hineinversetzen wollen, ist nur ein Spiel, ein Schauspiel. Es funktioniert nicht wirklich. Frauen können es noch weniger als Männer.

Uns fehlt weitgehend der Sinn für uns selbst (entgegen unserer eigenen Ansicht). Den haben nur die Anderen oder wir haben ihn für die Anderen oder glauben das zumindest. Und doch gibt es da einen unsichtbaren und wohl auch unüberwindbaren Graubereich zwischen mir und Dir und in beide Richtungen. Wollen wir einen Ersatz für diesen Sinn haben, dann können wir ihn fast nur mehr oder weniger in der Familie unserer Eltern in der frühen Kindheit lernen. Viel wissen hilft da gar nichts. Wissen sammeln frisst höchstens die Zeit für Wichtigeres. Wir können kaum Wissen sammeln und Softskills lernen zugleich. Zugleich ist sehr begrenzt.

Sie kennen den Spruch: „Wenn Jeder an sich denkt, hat an Jeden Einer gedacht.“ Stimmt. Das ist ein Grund, so weiter zu machen, wie bisher. Konsequenz: Jeder ist jeden los. Wir sozialen Wesen Mensch werden asozial. Nur noch Egoisten, Jeder übervorteilt alle Anderen so gut er kann oder lässt sie zumindest ausser Acht. Rücksichtslosigkeit im Extrem. An Andere gedacht im Sinne von „Anderer gedacht“? Fehlanzeige!

Wir Menschen sind eine Art von Tieren. Es regiert uns der Selbsterhaltungstrieb in allen seinen Formen (Sex, Essen, Beziehung, Faulheit, Bequemlichkeit, Stolz, Selbstbehauptung …). Es gibt wahrscheinlich einen „gesunden“ Egoismus und einen „ungesunden“ Egoismus? Der „gesunde“ geht vielleicht etwa bis an die Grenze des zum Lebenserhalt Notwendigen? Leben und der Erhalt von Leben gehen vor (zumindest in der körperlichen Welt). Jenseits dieser Grenze, die unsichtbar ist und eher wohl einem Graubereich als einer Linie entspricht, schiessen wir intuitiv über das Ziel hinaus (z.B. bei der Rache, beim Profit, bei Beurteilungen, bei Wünschen, bei der Angst und beim Mut und mehr). Wir Menschen empfinden Egoismus aber nicht als positiv, nicht als „gut“, vor allem den Egoismus Anderer nicht. Eigenen Egoismus gibt es kaum und wenn doch, dann gehört er zum „gesunden“ Egoismus oder haben Sie schon bei sich selbst Egoismus endeckt? Vielleicht ist das auch ein Zeichen von Menschwerdung aus der Tierwelt heraus? Wir Menschen versuchen, unseren Egoismus mit etwas „Gutem“ zu verbinden oder durch das „Gute“ zu verstecken. Und am meisten müssen wir Menschen unseren Egoismus vor uns selbst verstecken. Ein sehr effektives Mittel dafür ist, sich selbst und seine eigenen Interessen für „gut“ zu erklären. „Es ist doch gut, wenn ich für mein Wohlgefühl sorge, dafür, dass ich weiter leben kann, dass mein Bauchgefühl stimmig ist und meine Interessen und meine Zukunft gesichert sind. Wenn ich an mich denke, denkt wenigstens Einer an mich. Das ist doch gut?!“ Dann kann ich auch stolz auf mich sein. Damit ich diesen positiven Egoismus nicht doch noch als echten Egoismus erkennen muss, sorge ich für die um mich herum in ähnlicher Weise auch noch mit, selbst wenn für Die etwas ganz anderes sinnvoll wäre. Dann kann doch keiner sagen, ich sei „böse“, ich sei egoistisch. Noch ein Grund, stolz auf mich zu sein! „Ich, ich muss immer gut sein und dass ich gut bin, beweise ich Dir und mir und wenn Du mir das nicht glaubst, dann denkst und siehst Du das falsch“. Sein und Schein. Egoismus und Stolz. Meinen Egoismus habe ich gut versteckt (zuerst vor mir selbst und dann auch vor den Anderen). Beobachten Sie sich und Andere mal für längere Zeit mit dieser Frage. Denken Sie daran: Für die oder den Anderen sind Sie der oder die Andere.

So tragen wir Menschen den Widerspruch zwischen „gut“ und „böse“ in uns. Und es geht auch nicht anders, denn wer wollte wirklich zugeben, dass er „böse“ ist? Sofort kämen die Fragen der Nächststehenden: „Und warum änderst Du Dich nicht? Warum tust Du nicht nur „Gutes“?“ Und wer wollte zugeben, dass er „böse“ ist und könnte beweisen, dass es nicht wieder aus dem Egoismus geboren ist, Anderen die neue Erkenntnis zu vermitteln und damit zu sagen: „Aber weil ich meinen Egoismus zugebe, bin ich doch „gut“ (denn Du gibst Deinen Egoismus nicht zu)“?

Wir Menschen neigen dazu, uns die Erde untertan zu machen, und nicht nur die Erde, sondern auch die anderen Menschen und die Gemeinschaft. Wir neigen dazu, allerhand Gedankengebäude, Konstrukte, Dreierbeziehungen etc. auszudenken, um schliesslich mehr Nutzen als Einsatz aus einer Sache ziehen zu können. Es muss sich für mich lohnen. So stehen am Ende der Rechnungen fast immer Schulden da, die möglichst bitte ein Anderer zahlen möge, per Spende, per Subvention, per Beitrag, per Steuer oder wie auch immer. Es ist gut und nützlich, dass bei jeder Aktion auch Kosten und Nutzen abgewogen werden und sie müssen mindestens ausgeglichen, wenn nicht zugunsten des Nutzens sein. Sonst geht es nicht. Die ausgewogene Kosten-Nutzen-Rechnung ist das beste Korrektiv für Träumereien oder Schlimmeres. Das müssen wir bedenken, wenn wir Staaten gründen, Regierungskoalitionen eingehen, Organisationen, Vereine, Firmen, ja selbst eine Familie gründen.

Wir selbst sind widersprüchlich, eigennützig und liebend zugleich. Von Anderen erwarten wir, dass sie eindeutig gut und liebevoll sind, aber bitte nicht eigennützig! Die Werbung will uns dazu verleiten, das von den beworbenen Produkten und Anbietern oder Personen anzunehmen. Auch die Liebe der Frau (und des Mannes) verleiten uns dazu, das von ihr (ihm) anzunehmen. Es ist aber nicht so. Die Liebe und die Werbung sollen nur unsere Kritikfähigkeit blockieren. Dazu dient alles.

Im Grunde sind wir und die Dinge um uns herum wie eine Medaille. Je nach Vorstellung haben sie mindestens zwei Seiten. Intuitiv, rein biologisch, sehen wir aber nur die eine, unsere. Diese Seite aber muss gut sein und so sind wir automatisch in der Vorstellung „Ich bin gut“ verhaftet. Die böse oder lieblosere Seite müssen wir nach aussen kehren. Dort sieht sie dummerweise der Andere, die Andere, nur ich selber nicht. Der oder die von aussen Sehende sieht nun aber die andere Seite, die lieblosere, die böse Seite, jedoch nicht meine Innenseite, so wie ich mich sehe, die gute Seite. So sind Spannungen vorprogrammiert, in mir und zwischen mir und meinem Gegenüber. Und das tut weh und kann in nahen Beziehungen verdammt weh tun. „Du tust mir weh, also bist Du Schuld“ ist eine häufige Ansicht, ein häufiges Gefühl, eine häufige Interpretation von Spannung zwischen Menschen (ein Vorurteil). Ich bin nicht sicher, ob wir das verhindern können. Vielleicht sind diese Spannung und ihre Interpretation biologisch menschlich? Vielleicht ist das eine völlig falsche Schuldzuweisung? Es beschäftigt uns später noch. Diese Schuldzuweisung ist inzwischen tief eingeprägt in uns. Wir müssten Kommunikation als Verbindung praktizieren, nicht als Kampf gegeneinander. Frauen sind da in der Regel viel verbindend kommunikativer, Männer und Möchte-gern-Männer viel kämpferischer.

Wir sind eine Kombination von Egoismus (Ich will haben) und Stolz (Ich bin gut, zumindest nach aussen und noch viel wichtiger: Vor mir selbst!). Ich will vor mir selbst gut sein. Deshalb ist es so wichtig, dass die Anderen mich mein Gesicht vor mir selbst wahren lassen. Bei Anderen mache ich genau das nicht, denn Denen muss ich ja sagen, was sie falsch machen, wie böse und eigennützig sie sind und und und.

„Geld verdirbt den Charakter“. Stimmt das? Geld ist doch nur wertloses Papier und ein bisschen Metall (oder noch weniger: Eine Zahl auf dem Konto oder in der Blockchain). Ist Geld nicht nur ein willkommenes Mittel, Dinge oder Menschen zu unserem Nutzen zu zwingen oder zwingen zu können? Je mehr, desto besser? Das Problem ist nicht das Geld, sondern unser Egoismus, der durch das Geld gefördert wird. Geld ist nicht die Ursache für den verdorbenen Charakter, sondern ein gut wirksamer Co-Faktor. Die Ursache für den verdorbenen Charakter ist unser Egoismus. Und natürlich das Gegenteil: Der Stolz: Ich habe genug, also kann ich abgeben. Ich habe mir das alles verdient (Schau her, wie erfolgreich (also gut) ich bin. Geld ist nur ein willkommenes Mittel, beiden Eigenschaften zu frönen. Ist es mit politischer Macht, mit Recht (und Recht haben) und mit allerlei mehr nicht genauso? Protzen mit Geld können nur Dumme vor Dummen. Warum sehen wir später noch.

Müssten wir Egoismus vielleicht in drei Teile unterscheiden? Es gibt einen biologischen Egoismus, den selbsterhaltenden, tierischen Egoismus. Er ist genetisch bedingt als Selbsterhaltungstrieb und von uns kaum beeinflussbar. Ihn mit Moral zu verknüpfen, ist Unsinn. Aber es gibt Egoismus darüber hinaus, der nicht dem Selbsterhaltungstrieb dient, sondern mehr will, als zum Selbsterhalt nötig ist und der Andere mehr ausnutzt, als angemessen ist. Ein Teil davon wird der Prägung von aussen geschuldet sein und daher schwer beeinflussbar, aber nicht unbeeinflussbar sein. Der frei gewollte, der vorsätzliche Teil des Egoismus ist die Schuld, die wir tatsächlich auf uns laden. Im Einzelfall gehen diese Anteile in Form von Graubereichen ineinander über, sind schwer zu fassen und kaum angemessen zu beurteilen. Gute Gerichte versuchen das heute bei Strafverfahren zu berücksichtigen. Dass die Ergebnisse von aussen ohne die intimen Kenntnisse kaum richtig zu beurteilen sind, liegt auf der Hand. Die (Vor-)Urteile in den Medien und erst Recht in gefühlsmässig involvierten Bevölkerungsgruppen sind dann leicht erklärlich, deshalb aber trotzdem nicht angemessener. Am besten, kein Urteil, keinen Kommentar abgeben! Es ist wie es ist!

Der Egoismus, der über unseren tierischen Erhaltungstrieb hinausgeht, der macht uns zum Menschen, bestimmt aber wahrscheinlich auch das Ende von uns Menschen?

Stolz sein können wir Menschen sehr gut mit Schubladendenken, denn wir befinden uns selbst immer in der „richtigen“ Schublade. Aber ist das angemessen?

Stolz ist ein Zeichen von Persönlichkeit. Stolz sehen manche auch als Erziehungsziel. Ich bin stolz auf mich, auf meine Leistungen, auf mein Volk. Früher wurde Stolz mit dem Degen ausgefochten, Sieg oder Tod (oder zumindest schwer verletzt, körperlich und als Person). Heute werden nicht nur die Jungs zu stolzen Männern, sondern auch die Mädchen zu stolzen Möchte-gern-Männern erzogen. Kämpfe für die Gleichheit, für Deine Rechte, für Gerechtigkeit, für das Recht der Opfer. Kämpfe und sei stolz auf Dich. Das Leben und Prägen Deiner Kinder kann Dir da doch egal sein als Frau. Überlass es dem Staat, nein zwinge den Staat, diese Aufgabe für Dich zu übernehmen und auch noch die Bezahlung dazu. Du als Frau und Mutter Deiner Kinder bist doch auf jeden Fall nicht zuständig für Deine Kinder. Männer, wenn es die Frauen nicht mehr wollen, wenn sie es unter ihrer Würde ansehen, dann müssen wir um so intensiver mit den Kindern leben, uns um die Kinder kümmern! Verrückte Welt, oder?

Es ist extrem schwer, den Stolz Anderer nicht zu verletzen. Ich tue es mit jedem Nachdenken und jeder Äusserung. Schon Herr Konfuzius verletzte den Stolz Anderer, wenn er mit ihnen diskutierte, sie belehrte oder verbesserte. Stolz ist meist trennend, kaum verbindend, allenfalls mit Gleichgesinnten. Zusammenleben wird mit Stolz schwerer als ohne, aber „Kind, sei stolz auf Dich!“

Einzelne Menschen haben vielleicht zu wenig Selbstbewusstsein, im Grossen und Ganzen aber leiden wir viel mehr unter zu viel Selbstbewusstsein.

Stolz können wir auf fast nichts sein. Wir haben fast alles geschenkt bekommen, sogar das dicke und schnelle Auto als junger Mann, denn erarbeitet können wir uns das noch kaum haben, allenfalls ergaunert, im besten Fall geerbt oder geschenkt.

Wir haben uns den Geburtsort, die Eltern, den Körper, das Geschlecht, unsere Gesundheit und vieles, vieles mehr nicht selbst ausgesucht. Wir sind hineingeboren worden. Wir wissen nicht einmal, wer all das für uns auswählte. Stolz? Mit welcher Begründung? Am Ende ein kleines bisschen Stolz, unseren bescheidenen Anteil an unserem eigenen Leben. Interessant, nicht wahr? So kann man das auch sehen?

Es gibt auch einen gemeinschaftlichen, einen kulturellen, einen religiösen und einen nationalen Egoismus und Stolz und auch einen der gesamten Menschheit zusammen gegenüber der Natur. Z.B. wollen wir länger leben oder halten uns für die Krone der Schöpfung. Aus dem nationalen Egoismus und Stolz speist sich der Nationalismus, den wir mit jedem internationalen Sportereignis feiern und hinterher bei den Anderen bekämpfen. Wir bräuchten doch nur selbst aufzuhören, diesen Egoismus und Stolz zu pflegen. Aber den pflegen bekanntlich nur die Anderen und ich gehöre nicht dazu.

Volksegoismus nennen wir Nationalismus und das sind natürlich die Anderen. Könnte es sein, dass wir selbst volksegoistisch oder nationalistisch sind? Nie und nimmer, oder?

Unser menschliches Dilemma: Unsere Interpretation des Bildes von der Welt, von Dir, von mir, von der Erde, vom Kosmos, von Gott (und einem Teufel?) ist nur Schein. Die Welt um mich ist Sein. Schein und Sein sind nicht das Gleiche. Wollte ich als Mensch Schein und Sein zur Deckung bringen, müsste ich meine Ansicht (Schein) mit der Welt um mich deckungsgleich machen, zum Sein. Ich kann das nicht und mir ist es auch nicht möglich, die Deckungsgleichheit zu überprüfen. Dem entgegen steht der doppelte Graben zwischen mir und der Welt, zwischen dem Schein in mir und dem Sein ausser mir. So weit komme ich schon mit meiner weitgehend fehlenden Fähigkeit zur Selbstkritik gar nicht, weil ich seit dem 3. Lebensjahr im Trotzalter eingeübt habe, dass ich Recht habe. Wenn ich aber Recht habe, dann können alle Anderen und Andersdenkenden um mich herum nicht Recht haben. Ich kann mein Recht Haben kaum bezweifeln. Wir hinterfragen unsere Einstellungen nicht, denn wir haben ja Recht. So merken wir den Unterschied zwischen Sein und Schein gar nicht. Schein und Sein können wir gar nicht trennen, denn ich bin lebende Natur und doch in meinem Denken und Handeln auch nicht Natur, eben ich, gegenüber der Natur. Wir werfen beide laufend durcheinander und werden das womöglich gar nicht ändern können? Vermutlich Jeder von uns hat in seiner Selbstwahrnehmung Recht, auch die die falsch liegen.


Zwei Geschlechter - zwei Welten (10/2024)


Weiblich und männlich. Es muss dem leblosen allgemeinen Sein und/oder dem lebenden Gott gefallen haben und/oder für die evolutionäre Natur wichtig gewesen sein, dass sich zwei Geschlechter der gleichen Art entwickelt haben. Die Biologen werden uns das besser erklären können, aber das Ausmass, das diese Entwicklung nahm, zeigt, dass das offenbar ein Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung des Lebens an sich und insbesondere dann von uns Menschen war. Weiblich und männlich sind zwei Strukturen, die schon lange vor der Menschwerdung entwickelt wurden. (Falls unsere Theorie der Evolution der Natur so abgelaufen ist, wie wir sie heute glauben. Es war ja niemand von uns dabei und wir haben aus einer Fülle von Indizien eine Denkfolge, eine Theorie zusammengezimmert. Keiner von uns weiss, wie nahe an dem tatsächlichen geschichtlichen Ablauf unsere Vorstellungen sind.)

Interessant wäre an dieser Stelle ja auch mal die Frage, warum es nicht mehr Geschlechter als nur zwei gibt. Wie würde unsere Welt aussehen, wenn es nicht nur weiblich und männlich gäbe, sondern auch noch lieblich, zierlich und misslich? 5 Geschlechter. Wie viele verschiedene Kinder kämen daraus, wie viel mehr Möglichkeiten hätte es gegeben für die evolutionäre Natur und/oder den lebenden Gott und/oder das leblose allgemeine Sein, sich und ihre Fantasie und ihren Gestaltungswillen auszuleben? Wie viel mehr Chaos wäre denkbar? Zwei Geschlechter – wie einfallslos? Wahrscheinlich haben das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott und/oder die evolutionäre Natur kein drittes Geschlecht entwickelt, weil die Drei und erst recht wir Menschen schon mit Zweien völlig genug zu bewältigen haben? Die Dreiecksstrukturen, die wir später noch durchdenken, zeigen es. Zwei Getrennte zusammenzubringen, ist schon Aufgabe genug, aber Dreierbeziehungen führen, ist harte Selbstaufgabe oder es folgt daraus eher ein „teile und herrsche“ als ein „wir“.

Die evolutionäre Natur und/oder das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott haben über Jahrmillionen zwei Geschlechter entwickelt, ein Paar, das einander zur Entwicklung und zur Fortpflanzung braucht. Welchen Sinn hat dann das Schnarchen? Welchen Sinn hat dann, dass wir einander nicht verstehen, dass wir körperlich und im Denken vollständig voneinander getrennt sind? Denken wir daran, dass ich nur ein Bild von Dir in mir habe und dass ich nur mein Bild von Dir interpretieren kann. Dir geht es umgekehrt ähnlich. Zwischen uns Beiden ist ein unüberbrückbarer breiter Graben. Viele Dinge ergeben gar keinen Sinn, zumindest nicht langfristig, nicht nachhaltig. Dass sie wirklich einer evolutionären Entwicklung zuträglich sind, ist oft eher fragwürdig. Ist es nicht vielleicht vielmehr unserer männlichen Beschränktheit im Denken und nicht nachdenken Wollen zu verdanken, dass wir die Entwicklung von uns Menschen in solch ein Prinzip quetschen? Die Entwicklung von Leben folgt gar nicht so eindeutig und konsequent und ausschliesslich Prinzipien, sondern lässt viel mehr Entwicklungsfreiheit, sogar für sinnlose Dinge, lässt zufällige Entwicklungen, zu? Wenn die Entwicklung der Lebewesen über Millionen von Jahren ein Ökosystem von Fressen und gefressen Werden war, warum dann die Entwicklung eines Menschen, der Denken und Hände und Füsse entwickelt und dann völlig nach Versuch und Irrtum seiner Art jeden möglichen Vorteil zu verschaffen sucht, damit er nicht gefressen wird, ja damit er immer sicherer und bequemer und länger lebt? Das ist doch völlig sinnlos und gefährlich für ein Ökosystem von Fressen und gefressen Werden. Wir Menschen verbrauchen immer mehr, bis wir an unsere Grenzen und die der Erde kommen. Fast alle Anderen hat diese Art von Lebewesen, die sich Mensch nennt und als Mensch versteht, schon vernichtet oder versklavt. Die Entwicklung des Menschen ist doch geradezu der Selbstmord der evolutionären Natur. Für die evolutionäre Natur ist es gerade sinnvoll, dass wir Menschen uns nun gegenseitig nicht verstehen, gegenseitig Feind werden, vor allem Frau gegen Mann, damit wir uns gegenseitig umbringen. Denn sonst ist die evolutionäre Natur bald um Jahrmillionen zurückgeworfen. Lieber eine Art opfern, nämlich uns Menschen, als alles opfern.

Die Evolution hat uns zwar eine ganze Menge Hirnzellen, zwei Hände und zwei Beine geschenkt, aber sie hat uns nur sehr spärlich Verstand geschenkt. Sie hat uns auch sehr spärlich Selbstbeherrschung geschenkt. Mit „Wissen“ war sie für uns sehr knausrig. Wir irren auf der Erde umher ohne Kompass und denken und tun alles nach der Devise: Könnte mir (oder manchmal auch uns) ja nützen oder schaden. Frauen und Männer je auf ihre unterschiedliche Art und Weise und weniger in Kooperation als in Konkurrenz (zumindest in der Neuzeit). Da wir kaum Wissen haben, halten wir einfach unsere eigenen Ansichten für Wissen. In der Tierwelt musste jede Art versuchen zu überleben, indem sie sich der Umwelt von Lebewesen und Erde bestens anpasste. Jetzt versucht es jedes Individuum der Tierart „Mensch“, je weiter oben, je mehr und überwiegend auf Kosten der Anderen. Ist das sinnvoll?

Sie dürfen sicher sein, dass eine Art von Lebewesen, die sich laufend gegen das Gleichgewicht des Ökosystems der evolutionären Natur stemmt, dass diese Art langfristig überlebt. Die Aussicht ist doch minimal, oder?

Die evolutionäre Natur hat etwas geschaffen, was sie selbst gar nicht handeln kann: Uns Menschen. Bis zum Neuzeitmenschen war die Zwei-Geschlechter-Regel keine Frage. Wir Neuzeitmenschen, eigentlich ja erst seit dem 19. Jh. haben das Millionen Jahre lange Zwei-Geschlechter-Leben einfach beiseite geschoben und bestimmt, dass die Geschlechter jetzt gleich und egal sind, ja dass sogar neue bestehen sollten oder die Geschlechter tauschen oder homo sind. Geschlechter? Egal! Ob das gut geht?

Seit es Säugetiere gibt (Meines Wissens gehören wir Menschen zu ihnen), ist bis auf sehr wenige Ausnahmen das Weibchen mit der Reproduktion beschäftigt, zunächst damit, dass das überhaupt stattfinden kann, dann mit der Schwangerschaft und Geburt und dann mit der Aufzucht. Die Männchen stellen die andere Hälfte der Gene zur Verfügung und ansonsten sind wir für alles drum herum da, teilweise auch absolut überflüssig, vielleicht sogar hinderlich?

Daraus folgt zunächst erst einmal, dass die Weibchen die zentrale Rolle in der Fortpflanzung innehaben. Es geht nicht ohne Männchen, aber für die Fortpflanzung und spätere Existenz, das Leben sind Männchen nur sehr eingeschränkt von Bedeutung. Und für den Erhalt des Lebens und später der Art war nun mal die Fortpflanzung die wichtigste Aufgabe im Leben. Dem haben das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott und/oder die evolutionäre Natur zunächst alles andere untergeordnet.

Diese Gene tragen wir noch heute in uns und wenn wir die beiden Geschlechter betrachten, dann ist es hilfreich und grundlegend, sich erst einmal darüber klar zu werden, was diese Entwicklungen in unseren Genen, Gefühlen, unseren unbewussten Tiefen und schliesslich in unserem Bewusstsein verankert haben.

Die evolutionäre Natur und/oder der lebende Gott und/oder das leblose allgemeine Sein haben offenbar nicht immer zielgerichtet oder zweckgebunden gehandelt. Sie haben auch nach Lust und Laune gelebt und geschaffen und entwickelt. Den Zweck, die Fortpflanzung, haben die Drei nie aus den Augen verloren. Da waren sie eisern. Die Fortpflanzung ist das vorrangige Gesetz. Alles andere wurde dem untergeordnet. Danach haben die evolutionäre Natur und/oder das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott auch sehr kreativ gehandelt, luxuriös, umständlich, sinnlos, zufällig. Und ich nehme an, dass die Drei sehr viel Spass daran hatten und dass sie oft gelacht und manchmal auch geweint haben bei der Erschaffung oder/und Entwicklung alles dessen, was lebt. Vielleicht ist das sogar unser Sinn?

Und doch: Mindestens seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts veränderten wir Menschen unsere gesellschaftliche Welt in einem Masse, dass die Erde zunehmend eine ganze und zusammenhängende Welt wurde. Die Globalisierung der menschlichen Gesellschaft wurde von uns Menschen in Gang gesetzt. Inzwischen ist sie weit fortgeschritten. Wir Menschen stellen die Welt zunehmend in Dienst zur Erlangung eines schönen Bauchgefühls, eines wohligen Körpergefühles, eines langen und sicheren Lebens. In der Welt der Menschen weisser Rasse mit nachchristlichem Weltbild entsteht der Individualismus und das vor allem dadurch, dass der Egoismus von uns Einzelnen bestimmend wird. Ihm werden ein paar moralische Grenzen gesetzt, aber eigentlich nur, um unserem egoistischen Sein einen moralischen („guten“) Schein zu geben. Seither z. B. ist „meine Freiheit“ ein Grund, mich stolz töten zu lassen (damit ich dann in Freiheit weiter leben kann). Das ist kein Witz. Das ist von Ihnen und von mir erfahrene Realität. Natürlich sind die Schuld, die unsere Freiheit begrenzen oder könnte es auch anders sein?

Hinter diese Entwicklung können wir natürlich nicht zurück. Auch diesen geänderten Gegebenheiten müssen wir uns anpassen, sie in unser Leben einbauen, unsere Wünsche und Träume entsprechend ausrichten oder aufgeben.

Die Menschheit ist in zwei Geschlechter geteilt. Nahe liegend ist, dass wir sie als zwei gleiche Teile oder zwei gleiche Hälften einer Einheit nehmen. Jeder schliesst von sich auf den Anderen. Wenn ich jetzt das denke, dann wird er oder sie jetzt auch das denken und wenn ich jetzt das fühle, dann wird er oder sie das gleiche fühlen. Beide werden die gleichen Gefühle empfinden, die gleichen Diskussionen im Kopf führen, die gleichen Wünsche haben, das gleiche mögen etc.

In der Realität werden wir wohl davon ausgehen müssen, dass Mann und Frau zwar jeweils zwei Arme und zwei Beine haben und eine Nase mitten im Gesicht. Aber sonst gibt es sehr viel, was Beide unterscheidet. Von Gleichheit beider Geschlechter kann überhaupt nicht die Rede sein, und zwar nicht als Versäumnis der Geschichte oder von Menschen resp. unseren Vorfahren, sondern als „biologische Naturregel“, genetisch bedingt. Wir Menschen haben die Eigenart (oder Dummheit?), dass wir „materielle Naturgesetze“, die es möglicherweise gar nicht gibt, ohne Wenn und Aber anerkennen, aber „biologische Naturregeln“ selbstverständlich für mit unserem freien Willen abwandelbar halten. Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass wir uns Menschen nicht als Natur verstehen, sondern als ausserhalb der Natur (oft sogar als Beherrscher der Natur)? Und wenn wir auf Probleme stossen bei diesen Abänderungen, dann sind psychische Gründe Schuld oder andere Menschen oder falscher Wille oder „das Böse“ (gleich, ob in personalisierter Form oder unpersönlich (Pech) oder wieder andere Gründe). Warum tun wir das? Welche Gründe geben uns die Sicherheit, dass man einfach die einen Gesetze so und die anderen Regeln anders behandeln könne? Warum stellen wir uns ausserhalb oder sogar über bzw. gegen die Natur? Woher nehmen wir die Ansicht, dass wir das einfach ohne Grenze und ohne unliebsame Folgen können? So gut wie nie hinterfragt sich aber Jemand selbst mit der Möglichkeit, sich selber in seiner Sichtweise einfach zu irren. Und so wird das andere Geschlecht einfach als positives oder negatives Spiegelbild der eigenen Sichtweise gesehen und damit geurteilt und gehandelt. Fast vorhersehbar, wie das enden muss?!

In diesem Zusammenhang eine kurze Begriffsbestimmung schon im Voraus. Später wird uns das eingehender beschäftigen:

Naturgesetze nennen wir materielle Naturgesetze und z.B. die Physiker nehmen sie als solche. Dabei müssten wir ehrlicherweise zugeben, dass wir bei allen Untersuchungen zu Zeiten unserer Messungen diese Gesetze ohne Ausnahme als gültig vorfanden. Ob das in die Vergangenheit bis zum „Urknall“ und in die Zukunft bis zum St. Nimmerleinstag oder in die Ferne bis in die Unendlichkeit oder in die Kleinheit bis in jede weitere Teilchenspaltung auch so galt und gelten wird, kann doch kein Mensch mit Sicherheit (voraus)sagen. Wir glauben das und sagen daher „Naturgesetz“, wo wir eigentlich Raum und Zeit jenseits unseres Erfahrungsbereiches offen lassen müssten. Wir erleben die „Naturgesetze“ als „Naturgesetze“, aber wenn wir über unseren Erfahrungshorizont hinausgehen, dann müssen wir die „Naturgesetze“ zunehmend als Theorie auffassen. Wir Menschen haben festgelegt, dass wir glauben wollen, dass sie unendlich vorher schon so galten und auch in Zukunft immer so gelten werden. Das gleiche gilt für den unendlichen Raum. Woher nehmen wir die Gewissheit, dass die hier gültigen Naturgesetze in gleicher Weise hunderte von Lichtjahren entfernt genauso gelten? Auf Grund dieser Festlegung kann man eine „Evolutionstheorie“ der Materie und der Lebewesen formulieren. Das ist aber alles nur Theorie! In kurzen Zeiträumen, einige zehntausend Jahre zurück und einige hundert Jahre im Voraus ist die Wahrscheinlichkeit wohl hoch, dass die Naturgesetze so gelten werden, aber in Millionen und Milliarden Jahren? Wohl deshalb spricht man von „Theoretischer Physik“? Was wollen wir kleinen Pfurze denn dazu genaues sagen? Es kann so sein, aber es kann auch ganz anders sein. Jenseits unseres kleinen Horizontes ist alles reine Spekulation! Von "Wissen" erst recht keine Spur.

„Biologische Naturregel“ sage ich, weil der Begriff etwas Ähnlichkeit mit dem materiellen Naturgesetz hat. Im normalen Leben kommt diese Regel fast wie ein Naturgesetz daher. Intuitiv gehandelt verhalten wir Menschen uns wie nach einem Naturgesetz. Nachdenkend hätten wir die Freiheit, anders zu handeln. Das tun wir aber selten. Aber da dieser Freiheitsgrad zumindest vorhanden ist (und nicht nur in der Vergangenheit oder/und Zukunft, sondern jetzt, heutigentags), möchte ich den Unterschied Regel zu Gesetz machen. Ein materielles Naturgesetz kennt nach Physikerauffassung keine Ausnahme, sonst stimmt es nicht. Die biologische Naturregel kennt wie alle Regeln auch Ausnahmen. Sie sind nur viel seltener als uns lieb ist, weil so wenige Menschen wirklich nachdenken, ihren Freiheitsgrad nutzen und die Realität entsprechend wahrnehmen. Diese Sichtweise ist aber nur vorläufig. Vermutlich werden wir sie später wieder ändern? Dieses Verständnis haben wir auch wegen unseres Schubladendenkens so. Wir können auch ganz anders denken. Dazu später.

Nach heute gängiger Auffassung (der Evolutionstheorie) ist die Geschichte und Welt tierischen Lebens eine Erfolgsgeschichte der Weibchen und die Geschichte und Entwicklung des Menschen vom Anbeginn bis heute ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte der Frauen. Dem leblosen allgemeinen Sein und/oder dem lebenden Gott und/oder der evolutionären Natur muss es unheimlich wichtig gewesen sein, dass immer wieder neue Nachkommen gezeugt und aufgezogen wurden, dass die Drei sich eines der beiden Geschlechter erwählt haben, damit es ganz im Dienste der Fortpflanzung, der Schaffung einer Heimat und des Erwachsenwerdens der Nachkommen diene. Und das haben die Frauen über Hunderttausende Jahre sehr geduldig und hingebungsvoll und überaus erfolgreich getan. Die Menschheit hat nicht nur überlebt, sondern sie hat sich zusätzlich auch noch extrem entwickelt (ob zum Besseren, darüber werden wir noch nachdenken). Heute sind wir viel zu viele Menschen für diesen Globus und die Ökosysteme. Diesen Erfolg der Frauen können wir nicht hoch genug einschätzen und nicht genügend feiern und würdigen. Hut ab, meine Damen!!!

Die Frau ist die Mitte des Lebens. Sie gibt das Leben, gebiert, zieht auf …, gibt sich hin und verbraucht sich dabei auch. Die Frau (Mutter) ist die Heimat, die Zelle des Lebens, ein Lebenszentrum. Sie ist ein eigener Kosmos. Ein Geldzentrum ist sie wesensmässig nicht. Sie lebt Beziehung.

Der Mann ist dazu da, den Lebensraum zu vergrössern, abzustecken, lebensfähig und fruchtbar und angenehmer zu machen, zu verteidigen. Der Mann ist dazu da, Leistung für Andere zu bieten, um damit den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Damit ist der Mann nicht nutzlos, aber im Vergleich zur Aufgabe der Frau ist die des Mannes völlig nachrangig. Lassen Sie uns (Männer wie Frauen) mal ein Jahr lang darüber nachdenken ehe wir neue Veränderungen (von den Anderen) fordern.

Das hat Folgen:

Frauen und Männer stehen völlig unterschiedlich zum Thema Sex, zum Thema Kinder wollen, kriegen und aufziehen. Frauen und Männer bringen sich völlig unterschiedlich in die Familie, den Freundeskreis und die Gesellschaft ein.

Frauen und Männer haben völlig unterschiedliche Verhältnisse zu ihrem Körper, zur eigenen Leistung und Leistungsfähigkeit. Die Attraktivität des anderen Geschlechtes liegt in völlig unterschiedlichen Kriterien.

Frauen und Männer haben auch völlig unterschiedliche Einstellungen zur Arbeit, zum Beruf, zur Hierarchie, zum Geld …

Frauen sind zivilisiert, Männer sind roh und ungehobelt. Frauen sind liebevoll – Männer sind rücksichtslos. Zumindest oberflächlich gilt das doch ganz eindeutig so, oder?

Frauen wollen, dass Männer Normen einhalten. Sie selbst halten sie zumindest nach aussen hin ein und sicher sowieso öfter, als es Männer tun. Männer wollen Normen übertreten, wollen Grenzen erweitern, ohne Hilfe, nur notfalls mit Hilfe.

Frauen und Männer haben unterschiedliche Berufe und Hobbys:

Ohne Frauen: Angler, Fischer, Müllwerker, Metzger, Strassenbauer, Maurer, Schmied, Philosophen, Architekten ...

Ohne Männer: Hebammen, Kindergärtnerinnen (ausser Praktikanten), im Nagelstudio, Kosmetikerinnen, …

Wie ist es mit der Art und Verteilung der Genies unter den Geschlechtern? Zumindest unterscheiden sich doch beide auch diesbezüglich?

Stellen wir uns das einmal bildlich vor: 2 Äpfel können wir als Vergleich für Mann und Frau sicher nicht heranziehen. Sollen wir besser Äpfel und Tomaten als Vergleich nehmen? Die Redewendung sagt schon, man könne Äpfel nicht mit Tomaten vergleichen. Wäre es nicht realistischer im täglichen Leben, von Äpfeln und Bananen zu sprechen? Vergleichen? Unmöglich! Nein, natürlich können wir sie vergleichen, aber der Vergleich würde eben die Unterschiede sichtbar machen. Angleichen? Das ist dann auch unmöglich. Einer oder sogar Beide würden ihre Identität weitgehend verlieren. Wir werden sehen...

Oder sollten wir eher von Stecker und (Anschluss-)Buchse sprechen? Zusammen sind sie erfolgreich wirksam, jede(r) in ihrer/seiner Funktion. Der Strom fliesst. Einzeln? Kein Anschluss! Beide gleich gemacht? Nun haben wir zwar Gleichheit, aber keine Funktion! Stecker und Buchse: Strom fliesst. Licht, Wärme, Bewegung, Kraft, Erfolg …! Wie realitätsnah oder realitätsfern ist dieses Bild für diese Tatsache?

Warum fühlen sich Frauen als Untertan der Männer? Es geht gar nicht um Untertan oder Obertan. Es geht um Gemeinsamkeit, um einander Leben spenden, Freude spenden. Ist es möglich, miteinander zu leben, ohne jemanden Anderen auszubeuten, zu benutzen, zu übertrumpfen? Männer, es gibt gute Gründe, warum Frauen sich als Untertan fühlen. Der Grund sind wir. Wenn das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott und/oder die evolutionäre Natur den Menschen als Paar entwickelten und sie gut nur als Paar funktionieren, dann stellt sich doch die Frage, warum Einer über die Andere regieren sollte oder umgekehrt? Bereits die gegenseitige Achtung, erst Recht, falls es Liebe sein sollte, würde doch ein „gemeinsam“ bedingen, oder? Wir Männer sind nur zu faul und bequem und da ist eine Untertanin ganz praktisch? Da müssen wir uns als Männer doch schämen, oder?

Wenn die evolutionäre Natur und/oder das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott von jeder Art zwei Exemplare (Weibchen und Männchen) entwickelt oder geschaffen haben, dann werden sich Beide unterscheiden. Sonst wäre die Unterteilung sinnlos. Wenn aber Beide nicht gleich sind, dann werden sie in jedem Detail eine/r stärker, die/der andere schwächer sein. Das gilt für alle anderen Eigenschaften oder Details gleichermassen (schöner - weniger schön, klüger – weniger klug, schneller – weniger schnell, usw.). Warum soll diese Unterscheidung eine Wertvorstellung begründen, wenn für die Funktion beide gleichermassen notwendig sind? Vielleicht ist es gar nicht sinnvoll, Beide getrennt und bewertet zu denken? Allerdings müssen wir zugeben, dass unser Körper in aller Regel so funktioniert, dass wir selbst uns mehr Wert sind als die oder der Andere. In der Balz wird diese Differenz sehr klein, aber sobald die Hormone wieder die Herrschaft abgeben, nimmt die Differenz auch wieder zu.

Wir könnten ja sogar mal die Frage stellen, ob Frauen überhaupt eine eigene Persönlichkeit darstellen müssen, ob sie nicht eigentlich zum Mann gehören (Nicht dem Mann gehören! Das ist etwas Anderes!) und ob die evolutionäre Natur und/oder das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott nicht eigentlich von einer Einheit von Beiden ausgehen, einer gemeinsamen Persönlichkeit? Einer von Beiden alleine hatte über die ganze Evolution hinweg nie eine Zukunft, nur Beide zusammen.

Frauen sind keine Dinger. Frauen sind Persönlichkeiten. Frauen sind daher als Mensch ernstzunehmen. Wenn Frauen „Welle und Korpuskel“ sind (dazu später), dann sind sie auch im Transzendenten, im Jenseits verwurzelt. Männer können sie nicht einfach gebrauchen, nicht einfach missbrauchen, vergewaltigen oder gar töten oder morden. Wenn Frau und Mann sich nicht verstehen, ist das nicht Schuld des jeweils Anderen, sondern schlichtweg Ausdruck der Abgeschiedenheit zweier Persönlichkeiten voneinander. Das ist auch ein sehr bedeutender Nachteil, wenn Menschen ausgeprägte Persönlichkeiten (Einzelwesen) sind. „Der Andere ist Schuld“ ist eine sehr simple Weltanschauung.

Frauen wollen mit ihrem Leben und Wirken ernst genommen werden. Das gilt natürlich auch finanziell und für ihre Sicherheit. Männer, das ist unsere Aufgabe!

Ich wünsche uns mehr Einsicht in die Welt und unser Menschsein (wobei ich nicht weiss, wie realitätsnah meine Ansichten sind).



Menschlich - unmenschlich (10/2024)



Was verstehen wir unter menschlich? Religionen, Traditionen, Denksysteme, Philosophien haben uns Kriterien für Menschlichkeit geliefert. Meistens gehen sie davon aus, dass der tierische Mensch, so wie er ist, nicht Mensch, nicht menschlich ist, sondern haben uns Menschen ein Ideal vorgesetzt und gesagt, dass das menschlich sei. Werde so, dann bist Du Mensch. Seitdem versuchen wir, Menschen zu werden, menschlich zu werden, indem wir vorgesetzte Normen einhalten und wenn uns das gelingt, dann sind wir Mensch. Die Geschichte der Juden mit ihrem Gott ist eine solche, eine sehr eindrückliche und leidvolle Geschichte. Im Grunde unterscheiden wir uns im Prinzip aber nicht von ihnen, sondern nur in der Art und Weise der Versuche. „Lebe so und so, dann bist Du Gott (und auch Dir selbst) wohlgefällig.“ Vielleicht könnten wir von den Juden lernen? Wenn ja, was könnten wir von ihnen lernen?

Zu diesem Ideal des Menschen wurde eine gewisse Moral entwickelt, einerseits für jeden Menschen für sich, aber in den letzten dreihundert Jahren auch für die Völker. Es entstanden Menschenrechte und Völkerrecht.

Woher wissen wir eigentlich, dass unser Ideal „menschlich“ tatsächlich menschlich ist? Es ist unsere Idee, die Wunschvorstellung einiger Menschen, längst nicht aller. Sie hat verschiedene Wurzeln, aber sie ist Idee, Theorie und gehört daher eher in den Bereich von „Schein“. Die Realität spielt sich aber überwiegend im Sein ab. Halten wir uns besser an das, was ist (oder vielleicht auch gar nicht ist?).

Weil wir Menschen von uns aus in der Regel jedoch nicht so sind, vor allem wir Männer nicht, haben findige Macher aus Regeln Gesetze gemacht und überall dort, wo sich ein stabiles Staats- oder Herrschaftswesen entwickeln konnte, konnte auch durch ein funktionsfähiges Sanktionssystem die Einhaltung dieser Gesetze durchgedrückt werden. Es möchte sich zwar keiner so gerne daran halten und Jeder versucht, daneben sein Süppchen zu kochen oder argwöhnt, dass Andere das tun. Und sie haben auch Recht. Natürlich tun das mehr oder weniger Alle oder versuchen das zumindest Alle. Wer es nicht tut und sich an Regeln und Gesetze hält, ist der Dumme.

Klar, wohin das führt? Zu nichts. Und das erleben wir ja derzeit auch wieder brandaktuell. Ich bin nicht sicher, ob es je eine Zeit gab, in der das nicht brandaktuell war. Vom „biologischen menschlich Sein“ haben wir uns auf dem Weg zum „idealen menschlich Sein“ in unseren Vorstellungen weit entfernt. Und doch merken wir immer wieder, dass das gar nicht stimmt. Die biologisch menschliche Gefühls- und Triebwelt hat uns immer wieder fest im Griff, aber wir haben sie ideologisch überhöht, verdeckt, umbenannt, sanktioniert, in der Absicht, das zu verdecken und den Schein zu erwecken, dem „idealen menschlich Sein“ bereits viel näher zu sein, zumindest wir selbst, wenn leider auch die Anderen noch nicht. Deshalb sind wir ja so gut und die ganze Welt um uns herum ist bekloppt. Fataler Irrtum!

„Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach!“ Wirklich? Hat da mal Jemand hingeschaut und nachgedacht? Die Realität sieht doch genau umgekehrt aus! Das Fleisch, der Körper, die Genetik, die Gefühle bestimmen uns ohne Diskussion. Dagegen können wir uns auch kaum wehren. Das würde unmenschlicher Selbstbeherrschung bedürfen. Der Geist, unser Denken, unser Wollen sind dagegen doch geradezu rudimentär wirksam. Unser Denken ist ein absoluter Schwächling! Unser Denken löst sich immer wieder von der Realität und wird zum Wunschdenken (Ideal, Moral, Ziele in der Zukunft, ...), weil wir die Realität anders haben möchten, aber weil wir ihr gar nicht gewachsen sind.

Nehmen wir jedoch uns Menschen in unserer menschlichen Entwicklung und sagen zu uns "Mensch", dann bedeutet „menschlich“ etwas ganz anderes. Dann bedeutet "Mensch" unter anderem die Einheit von genetischem Sein, von Prägung und von freien Entscheidungen, so, wie wir sind. Dann werden wir, wenn wir vom "Menschen" sprechen, immer unsere ganze Entwicklung bedenken müssen. Und da unsere genetische Phase und unsere Prägung uns weitgehend bestimmen und unser freier Wille relativ wenig Einfluss hat, werden wir „menschlich“ zu einem grossen Teil definieren müssen aus den Eigenschaften des Menschen der ersten zwei Entwicklungsphasen. Denen können wir Menschen uns nämlich nicht entziehen, anders, als zumindest wir neuzeitlichen Menschen es in unserer getäuschten Wahrnehmung glauben.

Wir müssen feststellen, das diese zwei Definitionen von „menschlich“ recht weit auseinanderliegen, um nicht zu sagen: konträr. Unter anderem ist das ein Grund für die Widersprüchlichkeit von uns Menschen. Und jeweils im umgekehrten Sinne füllt sich auch der Begriff „unmenschlich“.

Wir Menschen sind zu allererst menschlicher Körper, zum grössten Teil menschlicher Körper und unverrückbar menschlicher Körper. Diese Tatsache ist uns Menschen gesetzt und daran können wir nichts ändern. Tun wir es doch (und damit werden wir schon bald rechnen dürfen), wird das Menschsein noch viel dramatischer verändert als zu irgendeiner Zeit in den letzten hunderttausenden von Jahren. Danach kommen die Prägung, teilveränderbar und zum Schluss und mit dem kleinsten Anteil unser freier Wille, die eigene Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit.

„Menschlich“ könnten wir unter diesen Bedingungen als „überwiegend dem menschlichen Körper gemäss“ betrachten. Unser menschliche Körper hat sich über Millionen Jahre der Umwelt angepasst und passt zu einer Umwelt, wie wir sie vor zehntausend bis hunderttausend Jahren vorfanden. Und wie hat der Mensch damals gelebt?

Greifen wir uns zum Nachdenken ein paar Vorstellungen heraus. Wie real unsere Vorstellungen von grauer Vorzeit tatsächlich sind, können wir nur mutmassen. Niemand war dabei und könnte uns korrigieren. Wir werden es nicht einmal erfahren. Das liegt jenseits unseres eigenen Horizontes. Dazu später mehr.

Der Mensch damals hatte keine Hilfsmittel zur Bewegung als vielleicht den Esel oder das Pferd. Bevor das Rad erfunden wurde, konnte nur er selbst sich bewegen oder per Tier vorwärts kommen. Die Geschwindigkeit war langsam. Der Aktionsradius war klein. Der körperliche Energieverbrauch war gross.

Nahrungsmittel waren knapp. Ein voller Magen wird eine Rarität gewesen sein, unregelmässig. Tiere mussten aufwendig gejagt und erlegt werden. Früchte und Beeren gab es eher nach Glück als nach Plan. Wohlstand gab es nur vereinzelt. Wohlstandskrankheiten hatten gar keine Chance.

Die Kindersterblichkeit war gross. Es wurden und mussten viele Kinder gezeugt und geboren werden. Der Mensch hätte sonst wohl kaum überlebt. Frauen hatten fünf bis zehn, nicht wenige auch noch mehr Schwangerschaften und Geburten und Stillzeiten und im glücklichen Falle auch etliche lebende Kinder. Ein Eigenleben hatten Frauen kaum. Die Reproduktionsmaschine musste am Laufen gehalten werden.

Die Lebenserwartung war im Durchschnitt nur halb so lang wie heute, wenn überhaupt. Ein Leben länger, als zur Reproduktion erforderlich war, war Luxus.

Das also war menschlich (ein kleiner Ausschnitt). So haben Menschen hunderttausende Jahre überlebt. Die Natur war evolutionär in Bewegung, sehr, sehr langsam, aber unaufhaltsam und ohne existentiell bedrohlichen Fehler. Ob die evolutionäre Entwicklung der Natur überhaupt ein Ziel hatte, wissen wir nicht. Jeder glaubt, was er glauben kann oder möchte als Ergebnis seines Seins aus Körper, Prägung und freiem Willen.

"Menschlich" können wir einerseits materiell, körperlich betrachten und andererseits theoretisch, rein prinzipiell, als Ideal, als Wunschtraum betrachten. Eine reale Seite und eine Wunsch-Seite.

Unter diesem Blickwinkel müssten wir sagen: Voll mit Lebensmitteln gefüllte Tische, so dass sie sich biegen? Wie unmenschlich! Nur noch ein bis drei Kinder? Wie unweiblich! Jagd mit Schusswaffen? Wie unmännlich! Einmal um den Globus in zwei Tagen? Wie unerdlich! Den ganzen Tag nur am Schreibtisch sitzen? Wie unmenschlich! Statt mit dem Bruder oder anderen Menschen selbst eine Einigung zu finden, der Gang vor den Richter? Wie unmoralisch, wie unmenschlich! Tagelang am Strand in der Sonne braten? Wie unmenschlich! Feste Wände, ein Dach, Türen mit Schlössern, weiche Betten? Wie unmenschlich!

Wir können „menschlich“ also genau aus der entgegengesetzten Richtung betrachten. Dann wird „unmenschlich“ plötzlich „menschlich“ und umgekehrt. Mit der evolutionären Entwicklung des Menschen ist der Mensch gut gefahren. Es gibt ihn, also uns, noch heute. Dass der neuzeitliche Mensch mit seinen neuen Ideen von „Menschsein“ wirklich erfolgreich überlebt, ist doch eher unwahrscheinlich? Luxus und Faulheit, Nahrung im Übermass und Übergewicht, Fortbewegungsmittel und Trainingsmangel, Schusswaffen und Tote, Atomtechnik und Zerstörung, schnelle Informationen und Fakenews, … Dürfen wir uns überhaupt eine Chance auf Überleben ausrechnen, wenn wir so unmenschlich leben und sogar so weiter machen?

"Menschsein" heisst, ich muss mich meiner Umgebung anpassen, nicht umgekehrt. Frauen haben und mussten das Jahrtausende lang und sind darin geübt, Männer und Möchte-gern-Männer viel weniger. Die Frauen erleben jetzt den Sündenfall. Und doch heisst Menschsein auch: Wir machen uns die Erde untertan, wohl bis zum (bitteren?) Ende. „Freiheit“ gehört dann nur in ganz geringem Masse zu uns Menschen.

Wir müssen uns Menschen nehmen, wie wir sind, real, auch wenn wir schon gar keine "Menschen" mehr sind.

Und wir leben nicht nur nicht „menschlich“, sondern auch nicht „erdlich“, nicht der Erde gemäss. Jahrmillionen hat das Gleichgewicht der Arten auf dieser Kugel für guten Ausgleich und weitgehend gedeihliches Neben- und Miteinander gesorgt. Es gab eine fortgesetzte, wenn auch langsame Entwicklung zu mehr Differenzierung. Aber es gab keinen weit davon entwickelten, weit voraus entwickelten Monopolisten. Es bestand ein sehr feines Gleichgewicht zwischen den Arten, sodass der Mensch sich unter anderen Arten und mit anderen Arten entwickeln konnte und musste.

Heute sind wir Menschen (fast unbedrohter) Monopolist in der Tierwelt. Keine Spezies wird uns Menschen heute gefährlich ausser einzelnen Exemplaren gegenseitig. Die einzige Bedrohung aus der lebenden, der biologischen Welt sind für uns Menschen heute noch die kleinsten Tiere, die Viren und Bakterien, Schimmelpilze und was es da noch so gibt. Ihr Potenzial ist real, die Menschheit zu zerstören. Und wir selbst sind in der Lage, uns zu zerstören. Wir haben uns zum immer besseren entwickelt, indem wir es nun endlich auch schaffen, mit "künstlicher Intelligenz" sogar ohne eigenen Entschluss, uns selbst auszulöschen. Alle Achtung! Gratulation, liebe Menschen!

Wir Menschen sind schon Monopolist. Nun fragt sich nur noch, welches Land und zuletzt welcher Mensch allein zum Monopolisten wird. Sind wir davon noch weit entfernt?

Dieses Monopol und fehlende Einschränkung durch Konkurrenz und Gleichgewicht führen nun zur Übernutzung unserer Wohnkugel. Lösung: Auf in den Weltraum! Ist unser menschliche Körper für das Leben im Weltraum angepasst? Ja und nein. Ja, auf dieser Erde im Weltraum, aber ohne diese Erde im Weltraum? Es ist möglich, aber angemessen? Und wenn wir Menschen doch im grossen Stile in den Weltraum fliegen? Mit dem Auto hat es auch erst ganz klein angefangen und nun sind wir an den Grenzen der Automobilität. Ein paar Raketen ins All spielen keine Rolle. Wird aber von Millionen Raketen täglich viel Material von der Erde entfernt, ändert sich ihre Gravitationskraft. Das CO2, das wir heute so verteufeln geht dann womöglich zusammen mit anderen wertvollen Gasen und Materialien der Erde und damit uns verloren? Da sich die Masse reduziert, ändert die Erde womöglich ihr Bahn und entfernt sich die Erde womöglich von der Sonne und zukünftige Generationen sind womöglich froh, dass es wenigstens vorübergehend auf der Erde wärmer war? Die Erkältung dann wird vermutlich endgültig sein? Alles nur Spekulation. Wir denken nur nach. Weiter nichts. Bleiben Sie ruhig!

Menschlich ist zum überwiegenden Teil die Seinsweise des Urzeitmenschen. Aber wir haben uns und unsere Wohnkugel verändert. Wir können gar nicht wieder zurück in den Urzustand. Der Rückweg ist verbarrikadiert. Insofern hat es auch gar keinen Sinn, rückgewandt zu sein. Es hat Entwicklung stattgefunden, in der Prägung und im (Wunsch)denken. Dieser Entwicklung müssen wir uns stellen. Auch diese Entwicklung gehört jetzt zu uns Menschen. Sie ist Ausdruck der „biologischen Relativitätstheorie“.

Wir Menschen leben heute im Durchschnitt doppelt so lange wie vor vierhundert Jahren. Wir haben praktisch eine zweite Lebenshälfte dazu geschenkt bekommen und/oder haben sie uns erobert. Diese zweite Lebenshälfte müssen wir nun auch füllen, müssen wir leben, ob wir das wollen oder nicht. Das ist eine menschliche und zugleich unmenschliche Tatsache und eine erdliche und zugleich unerdliche noch dazu. Auch im erdnahen Weltraum wird das so sein, wie unsere zwei Astronauten auf der ISS gerade (Herbst 2024) merken, die wegen technischer, wohl eher menschlicher, Fehler länger dort oben bleiben müssen als geplant. Jeder Mensch verbraucht jetzt doppelt so viele Ressourcen, für die Allgemeinheit der Lebewesen auf der Erde völlig nutzlos, auch eigene Ressourcen. Die Reproduktion braucht nur halb so viel Einsatz, aber selbst dazu reichen die eigenen Ressourcen nicht mehr.

Wollen wir den Weltraum erobern, werden wir wahrscheinlich das menschliche Leben noch weit mehr (oder sogar ganz) verlieren. Soll das "menschlich" sein? Wollen wir uns zurückversetzen, werden wir all die Entdeckungen des Verstandes und der Annehmlichkeit entbehren müssen. Wie unmenschlich!

Im optimalen Falle gelingt es uns Menschen, unsere drei Entwicklungs- und Lebensphasen im positivsten Sinne in uns zu vereinen und zu leben. Das wäre heute „menschlich“, allerdings um den Preis, diese absoluten Widersprüche in uns vereinen zu müssen. Es geht nicht anders. Einsteins Relativitätstheorie gilt nicht nur in der Mikrophysik, nein, sie gilt auch in der Makrowelt, vor allem in der Biologie, im Leben von uns Menschen. Auch das dürfte eine biologische Naturregel sein.

Wenn wir in der Gesellschaft menschlicher werden wollten, dann bräuchten wir nachdenkende Bürger, selbstbeherrschte, verzichtende und schenkende Bürger. Die Form der Regierung wäre eher egal. Demokratie oder Diktatur spielten keine Rolle, denn auch die Regierung würde selbstkritisch und selbstbeherrscht herrschen. Auch dazu kommen wir später noch.

Es hat wenig Sinn, gegen menschliche Strukturen zu kämpfen, die einfach Menschsein ausmachen. Das ist, wie wenn in einem Haus die Hinterwand gegen die Fassade kämpfen würde und umgekehrt. Brechen die Wände ein, ist das Haus unbrauchbar. Auch in der menschlichen Gesellschaft gehören die Extreme, die Ränder mit dazu. Wenn sie wegbrächen, weil man sich gegenseitig abgeschlachtet hat, entstünden neue Ränder und Extreme und das wäre sogar ein Glück, denn das ist Struktur. Strukturen gehören zum Leben. Auch Teilgesellschaften wie Religionen, Wissenschaft und andere funktionieren so. Es ist völlig sinnlos, Extreme zu bekämpfen. Integrieren wir sie. Auch dazu später noch.

Ich bin ein sehr fieser Mann, nicht weil ich Ihnen dauernd die Wahrheit sage, noch dazu die Wahrheit über Sie. Die Wahrheit kenne ich genauso wenig wie Sie, nein, ich noch viel weniger als Sie. Aber ich versuche immer wieder, uns unsere Realität bewusst zu machen, mir meine und Ihnen die Ihre. Die Realität aber tut meistens ziemlich weh. Je näher wir der Realität kommen, desto näher kommen wir wohl auch der Wahrheit (die ja auch oft weh tut)?

Früher war man als Mensch Mensch. Unsere menschliche Entwicklung im 20. Jahrhundert führte dazu, dass nur noch Menschen mit den richtigen Papieren Menschen sind. Ohne richtige ID, richtigen Ausweiss oder Pass ist man heute nicht nur nichts, sondern schädlich. Heute im 21. Jahrhundert passiert eine ähnliche Entwicklung mit der Bank und mit der Digitalisierung etc. Hast Du kein Konto, hast Du keinen digitalen Zugang, keinen digitalen Raum, so existierst Du gar nicht, obwohl Du als Mensch doch auf dieser Erde völlig real da bist.

Menschlich sein heisst, sich gegenseitig als Subjekte zu begegnen, miteinander zu leben, den Anderen nicht zum Objekt zu machen, in der Ehe nicht, in der Beziehung nicht, in der Erziehung nicht, in der Gesellschaft nicht, im Markt nicht. Das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott und/oder die evolutionäre Natur wollten offenbar Subjekte schaffen. Wahrscheinlich halten sie das sogar immer noch sehr gnadenlos so ein, indem sie uns nicht zwischendurch plötzlich durch Eingriffe in die Welt oder uns selbst verändern. Wir wollen auch selbst Subjekte sein. Dann darf es der/die Andere aber auch!

Wir wollen Subjekte sein, keine Objekte. Das ist uns Menschen gemäss, ist menschlich. Das gilt für Frauen und für Männer gleichermassen. Das gilt aber auch in der Arbeitswelt, Chef und Angestellter. Das gilt auch in der Politik, Herrscher und Beherrschte und an vielen anderen Orten gleichfalls. Wir können das nur gar nicht durchhalten. Wir machen uns auch gegenseitig zum Objekt, zum Objekt des Begehrens, zum Objekt des Ausnutzens (einer Form des Ausbeutens, obwohl wir selbst doch niemals Jemanden ausbeuten würden oder?), zum Objekt der Forschung, ...

Würde die evolutionäre Natur Subjekte entwickeln? Subjekte sind Persönlichkeiten. Wird künstliche Intelligenz Persönlichkeiten hervorbringen? Ist die Entwicklung von Subjekten, von Persönlichkeiten vielleicht der Sinn der Evolution der Natur und/oder Schöpfung? Ist der Sinn von Familie vielleicht der, Persönlichkeiten zu entwickeln? Wie können Eltern, vor allem Väter, ihre Kinder zu Persönlichkeiten heranwachsen lassen? Wie werden wir Persönlichkeit? Heisst Persönlichkeit: „Ich muss Recht haben“? „Ich muss Karriere machen, um oben zu sein und Geld zu verdienen“? Meine Freiheit so weit wie möglich ausdehnen?

Das eine ist menschlich und das andere auch. Nehmen wir uns und uns gegenseitig an. Da scheint aber ein Spaltpilz in uns zu stecken?

Sie haben es selbst in der Hand, ob Sie eine Verbraucherpersönlichkeit werden wollen oder eine Ausbeuterpersönlichkeit oder eine umsichtige, sozialaktive Persönlichkeit oder eine interaktive im Sinne von teilen und Andere fördern. Allerdings hat das Konsequenzen, die wohl überlegt sein wollen. Warten Sie mit Entscheidungen, bis Sie lange nachgedacht haben, mindestens bis ans Ende unseres Nachdenkens.

Natürlich tun uns immer die Anderen weh und wir leiden darunter. Dass Andere auch an uns, sogar an unserem „Gut sein“, an unserer Liebe leiden könnten, kommt uns nicht in den Sinn, beiden Geschlechtern nicht. Beide Geschlechter meinen es nur sehr unterschiedlich. Auch Mensch Sein, Persönlichkeit Sein, tut weh, mir selbst und den Anderen. Diesen Schmerz kann man durch Psychotherapie oder durch Antidepressiva oder Rausch- und Genussmittel verdecken, aber nicht killen (wie man im Englischen das so schön sagt: painkiller). Nein, lassen Sie sich uns dem stellen, dem entgegen treten, daran Persönlichkeit werden, auch wenn wir daran kaputt gehen und das nicht einmal verhindern können.

Schmerzen bereiten uns auch Unfälle. Als Opfer leiden wir Schmerzen an Verletzungen, Brüchen, Narben und ungewünschten Folgen. Auch als Verursacher des Unfalles leide ich mit, empathisch, weil ich den Unfall gar nicht verursachen wollte, als Schuldiger, der nun eine Strafe erwarten muss und als Verursacher, der den Schaden wieder ausgleichen muss, falls das überhaupt geht. Auch als Verantwortlicher im Strassenwesen, im Bauwesen, in der Regierung oder im Parlament leide ich mit, denn ich muss ja dafür sorgen, dass Unfälle nicht mehr passieren. Wir müssen alle Sicherungsmassnahmen ergreifen, damit so etwas nicht mehr passiert. Geht das überhaupt?

Warum passieren Unfälle? Warum verursachen wir Katastrophen? Warum haben wir Misserfolg? In unserer Welt passiert viel, je schneller wir leben, desto mehr. Nicht nur im Strassenverkehr, sondern auch im Zusammenleben zwischen Frau und Mann, zwischen Kindern und Eltern, im Beruf, überall. Wenn wir katastrophenlos durchs Leben gehen wollen, müssen wir immer alles, was auf uns zukommt, richtig einschätzen. Wir müssen in die Zukunft schauen, können aber gar nicht in die Zukunft schauen. Der Zwang in der Strassenverkehrsordnung, den Sicherheitsabstand einzuhalten, ist Folge dieser Erfahrung. Nicht eine Minute … Manchmal reichen schon Sekunden. Wir können das, was auf uns zukommt, gar nicht richtig einschätzen, aber Jeder glaubt von sich, dass er es kann und glaubt vom Anderen, dass der das doch muss und wenn es daneben geht, dann hat der einen Fehler gemacht und ist Schuld. „Scheitern ist keine Option“ NZZ am 1.4.2023 in Bezug auf die UBS nach der CS-Übernahme. Können wir das überhaupt bestimmen oder beeinflussen? Manchmal wird es klappen, werden wir realitätsnah in unserer Einschätzung sein. Wir können es erst am Ereignis, an der real gewordenen Erwartung, im Jetzt oder werden es sogar erst in der Zukunft rückblickend beurteilen können, wenn überhaupt. Ich werde Katastrophen verursachen und kann es nicht verhindern.

„Irren ist menschlich.“ Gilt das auch in Gegenrichtung? Kann ich mein Irren verhindern?

Das Leben ist wie ein Schachspiel. Wenn wir nachhaltig leben wollen, müssen wir 5 bis 10 Züge voraus sein und wir müssen auch das bedenken, an das wir gar nicht denken. Das ist schon beim Schachspiel schwierig. Im realen Leben mit noch viel mehr Einflussfaktoren und Akteuren ist das schier unmöglich. Das erleben wir ja auch jeden Tag, aber es darf gar nicht sein, weder bei den Anderen noch bei uns. Jetzt wollen wir unser eigenes Leben und womöglich noch die Geschicke unseres Landes gestalten? Da müssen Sie schon Frau sein, um das zu glauben. Aber keine Frau wird den Fehler glauben, Männer erst recht nicht. Ich bitte um Entschuldigung, meine Damen.

Unser Fehler ist nicht, dass wir Fehler machen. Das ist einfach menschlich. Unser Fehler ist, dass wir seit dem 3. Lebensjahr glauben, Recht zu haben und damit glauben, selbst keine Fehler zu machen und Anderen auch keine zugestehen.

Wir müssen Fehler vermeiden, wo es geht und so gut es geht und mit allen Mitteln. Da fängt es schon an. Wir sind ja heute gewöhnt, einem Dritten, dem Staat oder Versicherungen die Kosten aufzubürden, aber wir sind ja bei beiden auch Zahler und wenn wir Alle alle Kosten den Dritten aufbürden, dann landen die Kosten doch wieder bei uns Allen, also auch bei mir. Wir können nur so viel leisten, wie wir auch selbst erarbeiten, also selbst bezahlen können. Da ist die Grenze ziemlich schnell erreicht. Wir wollen ja nicht nur Fehler vermeiden, sondern auch leben und fröhlich, lebendig und aktiv leben. Dazu brauchen wir Mittel, Geld. Also, mit allen Mitteln Fehler vermeiden, geht gar nicht. Also Vorsicht? Vorsichtig sollen doch bitte die Anderen sein, aber ich?

Es ist eine spannende Frage, bis wohin es effektiv ist, Fehler zu vermeiden und ab wann es vielleicht effektiver ist, Fehler in Kauf zu nehmen, damit wir noch leben können. Die Vermeidung von Fehlern kennt ein Optimum und nicht immer weniger Fehler ist das Optimum, obwohl wir uns natürlich wünschen, dass wir keine Fehler und Unfälle mehr verursachen und erleiden müssen. Schein und Sein unterscheiden sich.



Authentizität (10/2024)



Wer authentisch sein will (übertragen: aus einem Guss, ohne Widerspruch in sich), der muss das Tier in sich selber zum Vorschein kommen lassen. Wer das Tier versteckt, lebt nicht authentisch. Doch Vorsicht. Das Tier beisst sehr empfindlich zu! Zum authentischen Leben gehört die passende Aufeinanderabstimmung von Gefühl, Prägung und Denken, wobei das Gefühl dominant ist (auch wenn nach aussen manchmal das Denken am stärksten in Erscheinung tritt und auch wenn wir glauben, das Gefühl wirkungsvoll zu unterdrücken).

Wenn in ein und dem selben Menschen „gut“ und „böse“ wohnen, muss es eine Grenze geben. Wir werden sie aber wohl eher als Graubereich verstehen müssen. Und meist sind Eigenschaften von uns Menschen und unsere Handlungen auch gar nicht sauber in „gut“ und „böse“ zu trennen. Je nach Sichtweise sind sie meist beides in einem. Das begründet eine Grundidentität von uns Menschen: Wir sind weitestgehend widersprüchlich. Das finden wir an vielen Stellen im menschlichen Zusammenleben wieder. Authentisch sein ist eine Illusion, vor allem im Bild von uns selbst. Wir sind nicht einmal in der Lage, unsere Widersprüchlichkeit klar abzugrenzen, klar zu benennen oder zu beeinflussen (was ja eine Voraussetzung für von uns bewirkte Änderungen wäre).

Was macht Leben aus gegenüber toter Materie? Unter Anderem die Widersprüchlichkeit. Es geht gar nicht immer nur um „gut“ oder „böse“, sondern allein um die Widersprüchlichkeit von „gut und böse“ im Menschen in allen ihren verschiedenen Versionen und Schattierungen und es geht um unsere Neigung zu trennen in „gut“ oder „böse“.

Sagt einer, er tue Gutes. Ich habe mich früher mal entschieden, Böses zu tun. Seit dem tue ich das gleiche, nur von der Rückseite betrachtet. Ich bin natürlich kein Robin Hood, aber so ein wenig ähnelt das dem. Er stellte sich gegen die, die haben und verteilte an die, die nicht haben. „Gut und Böse“ in einer Person und von beiden Seiten, von den Begüterten und den Armen jeweils entsprechend gegensätzlich beurteilt. Er konnte gar nicht authentisch sein auf diese Weise und war es doch gerade damit ganz klar.

Die Widersprüchlichkeit ist Kennzeichen des Lebens und je entwickelter, desto mehr. Hören wir auf, diese Widersprüchlichkeiten zu bannen. Die Widersprüchlichkeit ist eine biologische Naturregel, über hunderttausende Jahre als Kennzeichen zumindest menschlichen Lebens entwickelt. Menschliches Leben geht nicht ohne Widersprüchlichkeit.

Eine Form, Widersprüchlichkeit zu bannen, ist die Diktatur. Alle werden auf gleiche Linie gebracht. Das gibt es im Grossen (Staaten oder Staatengemeinschaften) wie im Kleinen (Familien, Ehen, jede Form von Beziehung).

Widersprüchlichkeit bannen, geschieht auch, wenn wir versuchen, konsequent, geradlinig, einpolig, authentisch zu leben. Bloss keine Widersprüche zeigen. Wie unmenschlich (und doch zugleich menschlich)? Das geht nur, wenn wir sehr einseitig werden, also extrem, Extremist.

Wenn wir auf unser Bauchgefühl hören, fühlen wir uns authentisch und gut, insbesondere viele Frauen. Dann bestimmt uns unser Körper. Unser abwägendes, selbstkritisches Denken ist weitgehend ausgeschaltet. Ein bisschen überspitzt ausgedrückt: Ein Leben nach Bauchgefühl ist leben nach Lust und Laune des Körpers. Aber liegen wir nicht häufig bei langfristiger Beobachtung und Beurteilung eher falsch? Doch das gilt nicht immer. Wir können kein Gesetz daraus ableiten, sondern allenfalls eine Regel daraus machen.

Lassen wir die Widersprüchlichkeit in uns zu, auch in unserer Ehe, auch in unserer Gesellschaft. Wir können sie nicht verbannen. Wir können sie nur negieren oder verstecken, also einen Schein darüberlegen (einen Vorhang, damit wir sie nicht wahrnehmen müssen und möglichst ein Tabu daraus machen können in der Hoffnung, dass dann auch die Anderen sie nicht sehen). Aber die Anderen können auf diesem Auge gerade besonders gut sehen, nämlich, was bei Anderen, also bei uns, falsch läuft. Umgekehrt ist das doch nicht anders, oder?

Authentizität ist die Übereinstimmung von Gefühl, Prägung und Denken. Man kann auch Authentizität nicht einfach machen oder darstellen. Das wirkt nicht. Man kann nur seine Widersprüchlichkeit anerkennen, ans Licht holen und leben.

Menschen, die besonders authentisch wirken, von denen wir den Eindruck haben, dass sie das Gute vertreten und darin vollständig aufgehen, verstecken oft nur besonders gut ihre böse Seite und sind damit genau nicht authentisch. Leute, die ehrlich ihre Widersprüchlichkeit ertragen und zulassen, haben kaum eine Chance, authentisch zu wirken. Einem Authentischen trauen wir zu, ehrlich zu sein und vertrauen ihm, aber genau das dürften wir nicht tun, weil seine böse Seite versteckt ist und wir nicht wissen, wie und wann sie doch zum Vorschein kommt. Einem nicht Authentischen sollten wir vertrauen, weil wir auch seine böse Seite kennen, aber genau deshalb vertrauen wir ihm nun nicht mehr, denn er ist widersprüchlich.

Das ist ja das Problem vieler religiöser Menschen in den Kirchen, Moscheen, moralisch gefärbter und begründeter Politik etc. Menschen haben versucht, ihre eine Seite (die moralisch böse) vollständig zu verstecken und wo es nicht ging, musste ein Tabu darübergelegt werden. Heute brechen all diese Widersprüchlichkeiten bei geistlichen und politischen Würdenträgern hervor und beschäftigen die Gerichte. Der Zölibat war eine sehr wirkungsvolle Massnahme, menschliche Authentizität zu torpedieren. Heute bekommen die Kirchen die Quittung. Moralische staatliche Gesetzgebung funktioniert heute genauso.

Leben ist der Prozess, in dem in einer Person Identität und Toleranz vereint sind. Das ist ein wahnsinnig Energie verbrauchender Prozess, denn erstens neigen wir zur Unipolarität (einer Form von Extremismus, denn der Andere ist nur „gut“ oder nur „böse“, Freund oder Feind und ich bin sowieso nur „gut“) und zweitens neigen wir dazu, die Annehmlichkeiten der Identität und des Reviers mit den Annehmlichkeiten der Globalisierung (Reisen, günstige Preise durch Handel etc.) gleichzeitig haben zu wollen, den Preis für beide (unter anderem Toleranz und Rücksicht) aber nicht zahlen zu wollen.

Nur, wer seine Widersprüchlichkeit von „gut und böse“ und auch von „Schein und Sein“ in sich zulässt und wer sie auch nach aussen zulässt und vertritt, wird ehrlich und authentisch, wirkt aber nach aussen genau nicht so. Eben: Sein und Schein, gut und böse untrennbar in der Person vereint.

Wenn wir die Widersprüchlichkeit in uns, in den Anderen, in unserer Gesellschaft und auch in der Welt zulassen, dann werden wir freier. Wir werden bewusster, wir werden uns besser verstehen, denn wir können die Dinge beim Namen nennen, können darüber reden, können im besten Falle uns selber und den Anderen auch annehmen. Das vertreibt Tabus, die jetzt oft unausgesprochen zwischen uns stehen. Das lässt sogar eine neue Moral zu, die vielleicht uns Menschen eher gemäss wäre? Und vielleicht wäre diese Moral sogar dem christlichen Glauben oder dem Sinn von Religion gemässer als das, was wir bisher in unserem Glaubensverständnis daraus gemacht haben? Auch unsere derzeitige, überwiegend nachchristliche, gesellschaftliche Moral würde vielleicht der Wirklichkeit angemessener, weil sie nicht mehr die scharfe Trennung zwischen „gut“ und „böse“ auf Gedeih und Verderb erzwingen würde, obwohl die breite Grauzone zwischen beiden diese Trennung unmöglich macht und wir selbst doch sowieso nur der Illusion anhängen, wir seien nur gut?

Abgrenzung, Nestbauen, Landesverteidigung, Intoleranz … sind normale menschliche Verhaltensweisen. Sie haben wenig mit „gut und böse“ zu tun. Der Begriff „Moral“ ist in diesem Zusammenhang sinnlos. Sie sind ganz einfach menschlich, tierisch menschlich, biologisch.

Wir sind doch alle, wohl Männer und Frauen mehr oder weniger etwa 4 Personen: Der/die wir sein wollen + die/der, die wir sein sollen + der/die wir sind + die/den andere in uns sehen. Was heisst dann „lügen“ oder „die Wahrheit sagen“, was heisst dann „egoistisch sein“ oder „lieben“? Aus den vier verschiedenen Blickrichtungen (und das sind wahrscheinlich noch nicht einmal alle) betrachtet, kann das doch fast nur Chaos sein, also Authentizität, wie wir sie bisher verstanden haben.

Wer heute versucht, authentisch zu sein, nach seiner Intuition zu handeln, der wird immer egoistischer handeln. Wenn wir der Realität in uns näher kommen wollen, dann lassen Sie uns klar werden über unsere Doppelmoral, mit der wir alle leben. Das Problem sind immer die Anderen und deren Doppelmoral. Dabei sind wir selbst das Problem und unsere eigene Doppelmoral. Das ist eine der grossen (Selbst-)Täuschungen von uns Menschen! Doppelmoral?

Die, die nicht eindeutig sind oder eindeutig scheinen, die mehrere Personen in einem Menschen sind, haben eher die Chance, nicht nur egoistisch zu sein. Wer eindeutig, wer in sich allein ist, die/der ist in aller Regel nur egoistisch sie/er selbst, sie/er in sich allein. Alles Andere um sie/ihn herum ist dann nur Gebrauchsgegenstand, nur Ding.

Seien Sie besser nicht authentisch, sondern lügen Sie getrost, wenn Sie eigentlich Gift und Galle um sich spucken möchten. Stoppen Sie und verbreiten Sie Frohsinn, Humor und gute Laune. Geht das?

Wenn ich aber Mehrere bin, dann kann ich gar nicht die Wahrheit sagen und auch schwer lügen. Wie aber wird etwas, was wir „künstliche Intelligenz“ nennen, damit umgehen? Wie wird künstliche Intelligenz mit der menschlichen Doppeldeutigkeit umgehen? Wie wird Gesichtserkennung dann erkennen, wer ich gerade bin? Was macht künstliche Intelligenz mit der Widersprüchlichkeit des Menschen? Sowohl die künstliche Intelligenz wie auch unser „Ich“ werden uns später noch mehr beschäftigen.

Der Philosoph Karl Jaspers stellte fest, dass es immer eine andere Seite gebe und die solle gehört werden. Dem würde ich unumwunden zustimmen. Wir werden aber sogar weiter gehen müssen und feststellen müssen, dass wir selbst mindestens zwei Seiten, wahrscheinlich eher mehr Seiten haben. Auch wir sollten diesen verschiedenen Seiten in uns eine Stimme geben (und sei es nur in Gedanken) und sollten sie hören, wahrnehmen und nachdenkend verarbeiten.

Gerade unsere Erwartung an die/den Andere/n, dass sie/er authentisch sein soll, führt dazu, dass wir immer wieder in unseren Beziehungen auf dieselben Typen hereinfallen. Aus Erfahrung lernen und umdenken und umsteuern, braucht ungefähr ein halbes Leben. Es ist eher Glückssache, wenn es gelingt. Meistens werden wir es nicht schaffen (und die Anderen natürlich auch nicht).

Oft fühlen wir uns besonders authentisch, wenn wir uns mit unserem Bauchgefühl in Übereinstimmung fühlen. Unser Bauchgefühl ist sehr oft Ursache für Vorurteile und es verfestigt unsere Vorurteile so stark, dass wir sie felsenfest als zutreffende Urteile bewerten. Wenn wir unserem Verstand, der hoffentlich selbstkritisch ist und nachzudenken gelernt hat, Raum geben, dann haben wir eine Chance, realistischere Ansichten zu entwickeln. Letztlich überlebt die Realität alle unsere Ansichten. Wir sterben mit unseren Vorurteilen und Ansichten.

Authentisch sein kann nur der, der nicht authentisch ist und wer von sich glaubt, authentisch zu sein, wird es sehr wahrscheinlich nicht sein. Sein und Schein werden uns noch oft begegnen. Über Leben nachzudenken, ist spannend.

Ein wesentliches Merkmal von Leben ist Schein und Sein. Das lernen Sie nicht auf dem Gymnasium oder der Universität, nicht einmal im Fach Philosophie oder Religion. Die Universität, unsere Gesellschaft und die Wissenschaft kennen nur das Sein. Dabei verhalten sich Schein und Sein eher nicht wie Bild und Spiegelbild, sondern eher wie Pro und Contra.

Da wir merken, dass wir selber nicht „gut“ werden oder sind, müssen wir laufend Andere dazu zwingen, „gut“ zu sein. Ein wunderbares Mittel dazu sind Gesetze, Regeln und Normen, Bildung von Tabus und jede Art von Druck (natürlich auch Gewalt).

Wir verwechseln einfach Sein und Schein, bewusst und unbewusst und das, was uns lieber ist, damit denken und leben wir einfach weiter, selbst in der Wissenschaft. Dann wundern wir uns und der/die Andere sich auch. Der Andere oder die Andere ist natürlich Schuld an dem Unterschied zwischen Sein und Schein, denn in uns sind ja Schein und Sein das gleiche, sonst wären wir ja gar nicht authentisch. Wir sind natürlich authentisch.

Vieles in der Welt steht in Beziehung zueinander, direkt oder zumindest indirekt. Später werden wir das mit kommunizierenden Röhren vergleichen. Wir sind und es ist ein Ökosystem. Schauen wir auf die relativen Zahlen, nachrangig auf die absoluten und auf deren Veränderungen.




Intuition im Wechselspiel zum Nachdenken (11/2024)



Eine sehr alte Form tierischen und menschlichen Handelns und Reagierens ist das Handeln nach Intuition. Eine rein genetisch bedingte Reaktion auf äussere Reize ist der Reflex. Der Reflex ist eine Reaktion, die das Hirn als modifizierende Instanz gar nicht benötigt. Ein Reiz wird ans Gehirn geleitet und dort mittels eines vorgegebenen Musters beantwortet. Dafür sind keine Hirnleistungen erforderlich und auch kein Zeitverlust durch Verarbeitung im Hirn. Der Schmerz im Auge löst den Lidschlag aus. Fertig.

Bei der Intuition werden bestimmte Informationen im Hirn mittels vorgefertigter, aber nicht rein genetisch bestimmter Vorinformationen verarbeitet. Dazu gehören tierische Vorgaben wie der Egoismus, wie der Fortpflanzungstrieb, wie Schmerzvermeidung, Hunger etc. Dann gehören dazu aber auch Informationen wie: Wenn Du das machst, dann macht die Mutter das. Oder: Der Gute wird geschätzt, der Böse wird gehasst. Also sieh zu, dass Du als Guter wahrgenommen wirst. Oder: Das ist gut und das ist böse. Wer Dir wehtut, der ist Schuld. Oder: Wer die Schuld hat, ist böse. Also schiebe immer die Schuld auf Andere. Da gibt es noch viele, viele andere solcher Vorinformationen und Vorurteile. Sie entstammen der genetischen Phase und grossteils der Phase unserer Prägung.

Da noch immer im menschlichen und tierischen Miteinander oft die Reaktionsgeschwindigkeit eine entscheidende Rolle spielt (nicht nur beim Autofahren, im Sport oder im Krieg), so ist eine schnelle Reaktionsgeschwindigkeit noch immer ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil im täglichen Überlebenskampf.

Mit meiner Intuition kann ich mich nicht neben meinen Körper stellen und mich nicht von aussen oder aus dem Blickwinkel Anderer betrachten. Ich bleibe innen in meinem Körper. Nur im Denken und vor allem im Nachdenken komme ich heraus, wenn überhaupt.

Ein Nachteil der Intuition ist, dass sie bereits relativ alt in der Entwicklung des tierisch-menschlichen Lebens ist und dass sie auf komplexere Abläufe in unserer Umwelt, in unserem Miteinander und in unserem Denken und Verhalten schlichtweg nicht eingerichtet ist. Sie handelt sehr nach vorgegebenem und gelerntem und abgeschautem Schema. Es fehlt ihr die Flexibilität, die Fantasie, die Differenzierung und einiges mehr. Handeln nach Intuition macht uns zum Tier mit allen Vor- und Nachteilen. Selbstkritik und damit nachdenken scheint meist auch nicht in der Intuition verankert zu sein.

Wahrscheinlich gehört in dieses Schema auch die Reaktion „Was ich nicht sehe (oder fühle), das gibt es nicht!“. Diese intuitive Reaktion beeinträchtigt die Arbeit von Hilfsorganisationen in Afrika, wenn es um die Bekämpfung von Infektionskrankheiten mit kleinsten (unsichtbaren) Erregern geht. Angemessener Umgang damit ist intuitiv nicht möglich. Da braucht es Information und trainiertes Nachdenken. Das ist schlichtweg nicht vorhanden. Dieselbe Schwierigkeit sehen wir im Umgang mit dem Corona-Virus in den nachchristlich geprägten (westlichen) Ländern. Solch ein unsichtbarer Virus soll plötzlich meine erkämpfte Freiheit und meinen erarbeiteten Wohlstand beeinträchtigen? Undenkbar. Angemessene Schutzmassnahmen und Umgang mit dem Virus sind schlicht intuitiv nicht möglich. Da braucht es realitätsnahes Wissen und Nachdenken für angemessene Entscheidungen und Selbstbeherrschung, die bei den zu dieser Zeit am Ruder befindlichen Menschen einfach nicht vorhanden waren. Es braucht die Einsicht und Rücksicht beim Volk, die einfach gar nicht entwickelt war und ist. Statt dessen werden dann irgendwelche Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt oder man negiert die Existenz des Virus und macht einfach weiter wie bisher. Ist die Realität von Verschwörungstheorien sichtbarer? Und auch im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Umfeld wirkt sich dieses Schema immer wieder aus. Was ich nicht sehe (oder messen und mit Zahlen belegen kann), das gibt es nicht. In der Medizin sind die Auswirkungen sehr ausgeprägt.

Unsere Intuition führt uns laufend in die Irre. Sie gaukelt uns vor, dass das, was wir jetzt sehen, jetzt auch so passiert, wie wir das glauben und interpretieren. Das geht den Weltraumwissenschaftlern so, den Juristen und Medizinern, uns einfachen Frauen und Männern. Intuitiv ist erst einmal der Andere Schuld, selbst wenn wir es eigentlich selbst sind. Intuitiv ist das Neue besser als das Alte, bin ich fortschrittlich und der Andere reaktionär.

Unsere Intuition gaukelt uns vor, dass zwei Dinge, die zugleich passieren, auch kausal zusammenhängen. Ich nehme ein Medikament und habe Beschwerden. Also glaube ich, dass es eine Nebenwirkung des Medikamentes ist. Steht das dann auch noch als Möglichkeit in der wissenschaftlichen Beschreibung des Medikamentes, ist der Beweis der Kausalität schon erbracht. Dass die Beschwerden Ausdruck der Krankheit sind, weshalb ich das Medikament bekam, kommt uns nicht in den Sinn. Das Absetzen des Medikamentes ist jetzt so ziemlich das falscheste, was ich tun kann, aber genau das tue ich.

Unsere Intuition gaukelt uns vor, dass, wenn wir zwei gleich behandeln, dass sie dann auch gleich behandelt und gleichberechtigt seien. Warum sind die dann noch immer nicht zufrieden? Dazu später mehr.

Unsere Intuition gaukelt uns vor, dass, wer Erfolg hat, auch Recht hat. Dass zufällig ein ganz anderer Einfluss zu dem Erfolg geführt haben könnte und damit eigentlich der Erfolg Jemandem ganz anderem zuzuschreiben ist, kommt uns nicht in den Sinn.

Unsere Intuition gaukelt uns vor, dass, wenn alle so denken wie ich, dann stimmt es, was die Anderen und ich denke. Dass wir alle falsch liegen könnten, kann gar nicht sein.

Unsere Intuition gaukelt uns vor, dass, wenn zwei das gleiche tun, dass es dann dasselbe sei. Trotzdem kann die Wirkung ganz anders sein. Wir sind ganz erstaunt und enttäuscht. Aber trotzdem kann es noch immer auch dasselbe sein. So einfach ist die lebende Welt eben nicht.

Wer intuitiv handelt, fühlt sich im Augenblick im Reinen mit sich selbst, eins mit sich, liegt langfristig aber oft daneben, Frauen noch mehr als Männer.

Die Intuition wird eher selten zu Selbstbeherrschung führen, ausser in der Balz und bei Müttern. Wir glauben ja nicht nur, sondern wir sind ja auch noch von allem Möglichen felsenfest überzeugt.

Auch unsere Intuition ist widersprüchlich, genauso, wie wir Menschen an sich. Sie kann uns Vorteile und Nachteile verschaffen. Sie ermöglicht uns schnelle Reaktionen, aber auch solche, die sich später als vorschnell und nachteilig erweisen und die wir lieber wieder rückgängig machen würden, wenn das ginge.

Das Denken ist eine Verlängerung der Intuition. Im Nachdenken findet auch ein Hinterfragen der eigenen Intuition statt. Und die Intuition hat Frauen noch stärker als uns Männer im Griff. Nachdenken ist daher sehr selten (entgegen unserer subjektiven Ansicht und Eigenwahrnehmung).

Das gute Bauchgefühl kennt keine Selbstzweifel und keine Zukunft. Es geht mir resp. meinem Körper, meinem Bauch doch gut? Wozu zweifeln? Schon Gustave Flaubert (1821 – 1880) wusste um und beschrieb unsere menschliche Dummheit. Wir haben keinen Sensor für unsere eigene Dummheit, sondern halten uns selbst fast ohne Ausnahme für wissend und schlau und haben natürlich Recht. Wir werden leider nur schlauer, wenn wir fühlen, nicht wenn wir in der Schule oder Universität lernen. Deshalb gibt es so viel Minus in unserer Welt. Vor dem Verlust kapieren wir es nicht. Hochmut kommt vor dem Fall. Beispielsweise Süchte aller Art, auch der nach Frauen (und Männern). Der Fall ist aber keine Garantie dafür, dass wir schlauer werden.

Nachdenken bedeutet, „Warum?“ fragen, „Wie?“ fragen, „Welche Zusammenhänge bestehen?“ fragen und viele Fragen mehr. Dann schauen wir plötzlich in die Schublade mit der Aufschrift „Beweis“ (dass wir endlich richtig liegen) und siehe, die Schublade ist leer. Auch das wird uns noch beschäftigen.

Wesentliche Fragen stellen, heisst nicht, Antworten zu bekommen, sondern noch mehr Fragen! Wenn wir eine Antwort auf unsere Frage bekommen, dann war die Frage sicher unwesentlich oder wir müssen die Antwort hinterfragen.

Viele halten genau ihr Denken für Nachdenken. Sie hinterfragen den Anderen, aber nicht sich selbst. Nachdenken tut weh, tut mir selbst weh. Sonst ist es womöglich gar kein Nachdenken?

Ich bin in den 1970iger Jahren in Hamburg auf ein „fortschrittliches“ Gymnasium gegangen. Andere und die Gesellschaft sehr kritisch zu hinterfragen, haben wir dort z.B. im Gemeinschaftskundeunterricht gelernt und sehr intensiv geübt. Uns selbst zu hinterfragen? Da fehlt mir irgendwie jede Erinnerung oder es fand tatsächlich nicht statt. Passt da nicht die Einstellung hinein: Nein, wir würden ja alles ändern und alles besser machen?

Wer nur seiner Intuition nach lebt, lebt zunächst wie ein Kind, selbstbezogen, gefallsüchtig, neugierig, spielerisch, als Jugendlicher selbstbezogen, selbstentwickelnd, konkurrenzsüchtig, werbend um das andere Geschlecht, Frauen kommunikativ untereinander, Männer teils in Trupps, Gangs, … Junge Erwachsene leben im Gefühl ihrer Kraft, ihres Sexappeals, ihrer Gewinnphase, Aufbau, Schaffen, Werden, … Erwachsene vor dem Zenit fühlen sich in der Mitte des Lebens, im Zentrum der Familie, im Zentrum der Gesellschaft, in der Erfolgsphase, aber oft auch mit den höchsten Kosten, meisten Verpflichtungen und dem grössten Kraftaufwand. Erwachsene nach dem Zenit spüren langsam die Endlichkeit der Kräfte, der Zeit, der Möglichkeiten, des eigenen Körpers. Alte leiden bereits am Sterben, am Loslassen, am Verlieren. Sie wehren sich und merken langsam, dass alle Abwehr hoffnungslos ist. Sterben gehört intuitiv zum Leben, auch wenn wir es mit allen Raffinessen bekämpfen.

Gehört das „Ich bin gut und der Andere ist Schuld“ in unsere Intuition? Ich fürchte ja. Es ist so eine breite Nervenautobahn, dass es uns schwer fällt, auch nur eine kleine Nebenstrasse zu finden. Heisst es, wenn wir das meiden wollen, dass wir unsere Intuition meiden müssen? Wohl ja!

Wenn wir nachdenken wollen, dann müssen wir zuerst bezweifeln, was wir selber glauben. Nicht einfach glauben, was wir glauben. Am Ende glauben wir vielleicht weniger Unsinn als am Anfang?

Glauben jeder Art geschieht intuitiv. Nachdenken können wir im Zweifeln. Wer fest glauben will, muss sein Nachdenken abschalten (was ja oft genug gefordert und getan wurde). Aber nur Der kann fundiert glauben, Der lange gezweifelt und nachgedacht hat. Was dann noch übrig bleibt, das dürfen wir auch glauben. Es ist nicht mehr viel.

Im Denken sind wir gern im Himmel, Männer in ihren Theorien, Frauen in ihren Träumen. Real aber sind wir auf der Erde. Das ist unsere Realität. Sind deshalb unsere Theorien zu vollkommen, zu gut gegenüber der Realität? ...unsere Träume sowieso? Haushaltsplanungen und Planfeststellungen für Kosten sind meist zu optimistisch und müssen später korrigiert werden.

Wenn etwas nicht so nach unseren Wünschen lief, dann fragen wir uns manchmal enttäuscht, wozu das wohl doch in der Zukunft gut sein könnte. Können wir uns auch fragen, wozu etwas in der Zukunft schlecht oder nachteilig sein könnte? Warum eigentlich unsere Blickbegrenzung immer nur auf „gut“? Wir sind doch furchtbar einseitig, oder? Nur Optimismus! Könnten wir auch ohne diesen Optimismus leben?

Unser intuitives Denken ist meist das Schubladendenken. Allerdings sind mehr als zwei Schubladen schon selten. Auch das lineare oder exponentielle Denken sind unserer Intuition recht nahe. Im Leben ist sehr oft die Gauss-Kurve sehr viel realistischer, aber nicht automatisch immer. Intuitiv kommen wir nicht auf diese Verteilung. Der Ausweg ist nicht „Da müssen wir immer intensiver und noch ernster denken“, sondern: „Da müssen wir loslassen, zur Stille und Ruhe finden, in ein Geheimnis Einlass erbitten“ eben nachdenken. Nachdenken ist das Gegenteil von immer intensiver denken und unsere Ziele verfolgen.

In den Schubladen ist meist ein Ding mit mindestens zwei Seiten. Wir öffnen von einer Seite. Öffnen wir doch auch mal von der anderen Seite. Ach, dort ist gar keine Tür? Nachdenken heisst, eine oder sogar mehrere neue Türen in die Schublade einzubauen, damit wir auch die anderen Seiten des Dings sehen können. Allerdings ist da schon das Schubladendenken sehr wahrscheinlich nicht sehr realitätsnah.

Intuitiv gehen wir davon aus, dass derjenige, der Erfolg hat, Recht hat und wer keinen Erfolg hat, der liegt falsch. Danach entscheidet sich, wer das richtige Wahlprogramm hat, wer das richtige Geschäftsmodell hat, wer die richtige Politik betreibt, wer unterstützt werden muss. In der Realität zeigt sich aber immer wieder, dass z.B. die Masse (oder die knapp über 50 % der Wähler, die zur Wahl eines Kandidaten geführt haben, der später völlig floppt), dass die Erfolgreichen eher falsch gelegen haben in ihrer Einschätzung. In den zurückliegenden Jahrhunderten wurden die Eroberungen auf der ganzen Welt als Erfolg gefeiert. Langsam sehen wir, dass diese damalige Politik sehr viel Leid über die damals Betroffenen gebracht hat und selbst heute haben wir mit deren Auswirkungen an Schuld, Vorurteil, Rachegelüsten, Ausbeutung, Überheblichkeit arge Probleme. Wir sollten uns von der intuitiven Vorstellung trennen: „Wer Erfolg hat, hat Recht!“ Hier gilt sehr wahrscheinlich die Gegenrichtung auch. „Es ist nicht sicher, dass wer keinen Erfolg hat, dass der falsch liegt!“ Erfolg ist kein Messinstrument für richtig oder falsch. Das ist nur ein beliebter Irrtum der Erfolgreichen! Der Erfolg kann ganz andere Ursachen haben, die wir nur derzeit nicht sehen oder an die wir nicht denken und umgekehrt auch.

Heute müssen wir feststellen, dass Intuition regelmässig zu Vorurteilen führt, eigentlich einer Form von Urteilen, die wir nicht mehr als adäquat für unser Zeitalter und unser Leben ansehen. Und doch gehen wir im Meer unserer und der Vorurteile Anderer unter und ertrinken.

Die Intuition macht uns zum Herdentier, so dass wir alle einfach das machen, was alle machen. Eine Beobachtung, die wir in den letzten 100 Jahren oft machen konnten und in den letzten 10 Jahren besonders intensiv. Der etwas verlängerte Arm der Intuition ist das Denken (in den gleichen Bahnen, die bereits der Intuition vorgegeben sind und die die Intuition unserem Denken vorgibt). Das Denken verlängert den Hebel der Intuition. Sie wird noch etwas schlagkräftiger. Aber es bleibt bei den Vorurteilen, beim Leben in der Herde, beim Fliessen im Strom, beim Jagen nach (wirtschaftlichem) Erfolg, viel seltener auch genau im Gegenteil. Eigenartigerweise führt uns derzeit dieser Herdentrieb in den Individualismus. Menschen wollen die Spannungen zwischen den Geschlechtern nicht mehr erdulden, auch die Spannungen zu anderen Menschen, noch mehr zu Fremden nicht. So wächst Homosexualität und das Single-Dasein wird immer häufiger (Bitte: Ohne moralische oder andersartige Bewertung! Jeder darf und soll leben wie er möchte. Wir beobachten nur!). So wird die Bewertung von Fremdem immer befremdlicher. Unsere Toleranz nimmt ab statt zu.

Ist der Trend zum Individualismus überhaupt wünschenswert? Will ich wirklich, muss ich wirklich alle Trends meiner Generation mitmachen?

Ist es wirklich sinnvoll, die Menschen des anderen Geschlechtes einfach für seine Bedürfnisse zu nutzen? Müssen wir nicht viel mehr Einfühlung in das Sein der Menschen des anderen Geschlechtes üben? Müssen wir nicht gut auf die Gefühle der Anderen achten, egal, ob anderes Geschlecht, Nachbar, Fremder, andere Staatsbürger, ja sogar Feinde? Was löst Du in mir aus, was ich in Dir? Und die Frage nach Schuld stellen wir dabei bewusst nicht (obwohl sie uns natürlich auf der Zunge liegt).

Was verstehen Menschen, die von „rational denken“ (im Gegensatz zu ...) sprechen oder von „gesundem Menschenverstand“ reden, eigentlich darunter? Gibt es „ungesunden Menschenverstand“? Was ist beim Verstand eigentlich gesund und ungesund? Mit welchen Kriterien wollten wir das unterscheiden? Wer bestimmt, was gesund und was ungesund ist? Wer legt die Kriterien fest? Ist es nicht allzu oft oder überhaupt wie mit „gut“ oder „böse“? Ich lege die Kriterien fest. „Mein Verstand ist gesund. Wenn Ihrer von meinem differiert, dann … Na, Sie wissen schon oder haben Sie es noch nicht kapiert?“ Dann sollten wir den Begriff „gesunder Menschenverstand“ wohl besser gar nicht mehr in den Mund nehmen? Unsere Vorstellung von ihm und wie wir den Begriff gebrauchen, stehen völlig entgegengesetzt? Schein und/oder Sein...

Dafür haben das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott und/oder die evolutionäre Natur später das Nachdenken ermöglicht. Das aber braucht viel mehr Information, benutzt auch Differenzierung und kritisches Prüfen in der Vorstellung, versucht, andere Standpunkte und Sichtweisen auszuloten als die eigenen, um sie zu verstehen und braucht vor allem viel, viel Zeit. Das Nachdenken ermöglicht auch die Distanzierung von sich selbst, die gedankliche Betrachtung seiner selbst von aussen (zumindest bis zu einem gewissen Grad). Die Ergebnisse dieses Vorganges sind komplexere Wirklichkeitsverarbeitung, Zusammenschau, Verstehen von komplexen Vorgängen etc. Die zunehmend komplexere Welt unseres Zeitalters erforderte eigentlich immer mehr Handeln und Reagieren mittels Nachdenkens. Die schnelle Informationsflut in den letzten Jahrzehnten führt aber dazu, dass für Nachdenkarbeit gar nicht mehr genug Zeit ist. Die Informationen werden inzwischen fast ausschliesslich über die Intuition und damit verbundenes einfaches Denken und Vorurteile verarbeitet. Und die Intuition ist eine alte, eigentlich nicht mehr adäquate Reaktionsweise in so komplexen Zeiten, wie wir sie heute haben. Wir Menschen sind der Komplexität, die wir selbst geschaffen haben, gar nicht mehr gewachsen. Da können wir ruhig von Anderen fordern, dass sie dem gewachsen sein sollten (z.B. unseren Politikern, unseren Wirtschaftsbossen, unseren Führern, unseren Wissenschaftlern, ...). Sie sind menschlich einfach gar nicht dazu in der Lage, auch wenn sie es sein wollten oder wenn sie zum Tode studiert hätten.

Wollten wir Vorurteile meiden und zu angemessenen Urteilen kommen (welche Urteile richtig wären, wissen wir ja auch heute nicht), so müssten wir viel mehr nachdenken und unseren Verstand in diese Richtung gebrauchen und uns Zeit in Ruhe nehmen. Wenn wir Vorurteile meiden wollen, dann hören wir am besten ganz auf, zu urteilen, Menschen oder Dinge zu beurteilen. Das üben wir 20 bis 30 Jahre. Sie werden staunen, wie entspannt das Leben wird!

Vielleicht können wir uns das ein bisschen bildlich vorstellen: Die Intuition ist ein neuronaler Verarbeitungsfluss, der in einem sehr engen genetisch und durch Prägung geschaffenen Flussbett verläuft, begradigt und mit hohen Randwällen versehen. Das Wasser schiesst nach unten. Die Informationen und Reaktionen und das einfache Denken laufen schnell ab. Wir erleben es heute in den (a-)sozialen Medien. Intuition verlässt nicht unseren Körper. Prägung hat einen gewissen Einfluss, aber auf jeden Fall allenfalls rudimentär unser Denken.

Nachdenken hiesse, wir liessen es zu oder machten es selber: Kleine Löcher und Kanälchen in die Deiche unserer Gedankenflüsse, damit Wasser (Gedanken) austreten kann und sich seinen eigenen, unbegrenzten Weg abseits von der Masse, abseits vom Fluss, suchen kann. Das Ziel ist völlig offen. Die vorgegebenen Gesetze, Definitionen, Normen, Religion, Tabus etc. spielen nur noch eine untergeordnete Rolle (das Ideal: Keine! ist sicher nicht erreichbar, aber wäre das denn sinnvoll?). Diese Vorgänge sind langsam, aber sie schaffen Individualität, Fantasie, begründetere Vorurteile, die vielleicht auch dem Einzelfall gerecht werden können. Nachdenken ist Meditieren und Philosophieren. Nicht die Menschen sind Philosophen, die Philosophie studiert haben und sich viel "Wissen" angeeignet haben, sondern die Menschen sind Philosophen, die (philosophische) Fragen stellen und in Frage stellen (sich selbst, Andere und Alles), egal, ob sie viel wissen oder nicht.

Nachdenken ist denken gegen den inneren und äusseren Strom, denken gegen den eigenen Egoismus! Nachdenken stellt die Frage: Wie erlebt der Andere mich? Was tue ich ihm an? Nachdenken ist denken auch gegen meinen Erfolg, gegen meine Karriere, gegen mein Selbstverständnis, gegen mein Selbstbewusstsein, aber nicht nur das. Werden wir kritisch, vor allem selbstkritisch.

Nachdenken ist denken gegen das Eigeninteresse und gegen die eigene Faulheit und Bequemlichkeit und auch gegen die eigene Überzeugung. Deshalb gibt es auch keine Cogitate-Tanks, keine Think-about-Tanks, sondern nur Think-Tanks. Think-Tanks sind Institutionen, die dem Verdienen dienen, die unserem Interesse dienen, z.B. damit es auch ein paar Arbeitsplätze gibt. Es gibt Think-Tanks in fast jedem Land dieser Welt. Man ist stolz auf sie. Vielleicht wird ja in den Think-Tanks doch auch ein bisschen nachgedacht?

Nachdenken ist ziellos, ist sinnlos, ist parteilos und wird selten Partei ergreifen und gerade deshalb ist es sinnvoll.

Nachdenken heisst, seine eigenen Ansichten in Frage zu stellen. Geht das überhaupt? Die neuen Erkenntnisse werden ja wieder meine Ansichten und Interpretationen. Das aber macht Religion, macht Wissenschaft, macht Persönlichkeit aus, dass wir unsere Ansichten und Interpretationen immer wieder in Frage stellen. Denken und Nachdenken sind wie zwei Füchse. Wir versuchen, sie am Schwanz zu packen und zu halten, aber sie sind schneller. Spielt da womöglich sogar Transzendenz in unser Leben hinein? Wenn ja, in welcher Weise?

Menschen, die ihre Intuition als sich selbst empfinden, was sehr nahe liegt, denn unsere Intuition ist Teil unseres Körpers, die werden, wenn sie ehrlich sein wollen, intuitiv das Falsche tun und Vorurteilen anhängen. Beginnen Sie, sich selbst zu belügen! Dann haben Sie eine Chance, zu fundierteren Vorurteilen zu kommen. Fragen, sagen oder tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie wollen. Es wird häufiger richtig sein als falsch, aber nicht immer. Es gibt kein allgemeingültiges Prinzip! Intuitiv neigen wir nur dazu, unser Prinzip für allgemeingültig zu erklären. Das haben schon die alten hochkarätigen Wissenschaftler so getan und deshalb „Naturgesetze“ formuliert.

Seien wir uns im Klaren über unsere Intuition, was sie gerade für richtig hält, was sie uns für ein Vorurteil oder Urteil eingibt. Entscheiden wir aber nach reiflichem Nachdenken, nach Abwägen von Für und Wider, vom Ansehen der Vor- und Rückseite der Medaille, nach dem, was wir, aber auch unser Gegenüber dazu denken und fühlen mag. Oft werden wir dann gegen unsere Intuition entscheiden müssen, werden also über unseren eigenen Schatten springen müssen, eine Fähigkeit, die ich bei Lebewesen, also auch bei uns Menschen, bisher nicht sicher nachweisbar gefunden habe, auch bei mir nicht. Frauen fällt das noch schwerer als uns Männern auch schon. Das ist wichtig. Die Intuition ist gefühlsverbunden und das Gefühl bestimmt. Wir fühlen uns sonst nicht authentisch mit uns selbst. Das können wir und auch die Anderen nicht einfach ändern.

Dass wir mit unserem Urteil und unserer Einschätzung falsch liegen könnten, ist einer der Schatten, über den wir kaum springen können, schon gar nicht vor Anderen. Wir haben doch Recht. Sonst würden wir ja nicht denken, wie wir denken.

Wir können es nicht verhindern, unser Leben auf Vorurteilen aufzubauen? Sonst könnten wir gar nicht leben. Hören wir auf, zu urteilen und zu beurteilen. Das geht natürlich nicht. Um zu handeln, muss ich urteilen, was ich jetzt wieder tun will oder auch nicht oder wie ich reagieren will oder muss. Aber wenn ich mir bewusst bin, dass ich das alles nur auf Grund von Vorurteilen tue und nicht auf belastbaren Urteilen, dann kann ich die Folgen meiner Vorurteile abmildern oder Vorurteile korrigieren. Meine Urteile binden mich. Vorurteile rufen nach Korrektur und verschaffen mir Freiheit. Vorurteile sind nicht negativ, sondern sehr, sehr positiv. Leben wir mit Vorurteilen, ganz bewusst, aber eben als solche. Urteile halten wir zwar für gut, aber sie binden den Anderen und mich. Ihr Realitätsbezug ist oft unzureichend. Sie sind meist nur unter Selbstbetrug als solche zu halten. Aber wir glauben felsenfest an ihre Richtigkeit und damit an unser Recht haben. Vorsicht mit (be-)urteilen!

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass unter bestimmten Bedingungen das Denken wenig Nachdenken enthält, dass dieses Verhältnis aber mit Übung und Fragenstellen beeinflusst werden kann. Nachdenken üben hat Ähnlichkeit mit dem Erlernen des Spiels eines komplizierten Musikinstruments. Da Nachdenken aber auch das Verstehen von Leben und von Lebewesen beinhaltet, ist es noch deutlich komplizierter. Da wir Menschen alle voneinander getrennt sind, jeder Mensch einzeln ist, mit einem Teil in dieser Welt, mit dem anderen Teil in der transzendenten Welt verankert ist, ist das Einnehmen unserer Position im Nachdenken keinesfalls sicher, keinesfalls bewusst einfach steuerbar. „Ich denke jetzt mal nach“ ist noch keine Garantie dafür, dass ich in der Folge auch wirklich nachdenke. Das Gegenteil ist fast wahrscheinlicher? Nachdenken hat (fast) eine transzendente Seite, eine Seite, die ich nicht einfach selbst bestimmen kann. Ich kann nie sicher sein, dass ich nicht nur meine Seite sehe und denke oder dass ich auch andere Seiten sehe und nachdenke. Aus der Sicht einer anderen Persönlichkeit sieht die Welt, sehe ich ganz anders aus. Hat nicht Nachdenken daher fast etwas religiöses an sich?

Meist erkennen uns Andere viel genauer als wir uns selbst. Wir selbst sehen uns in einem zu guten Licht, begehen damit Selbstbetrug. Ob wir das wirklich ändern können, weiss ich nicht, Schein und Sein. Wir versuchen dauernd, besser zu sein, vor allem vor uns selbst besser zu sein, täuschen die Anderen und täuschen doch vor allem uns selbst. Schein und Sein.

Nachdenken wird wahrscheinlich häufiger im „und-“ als im „oder-“Modus passieren oder zum „und-“Modus führen. Das hat für unser Leben eine enorme Bedeutung! Nachdenken braucht Bezug, braucht uns Menschen als Bezug, jeden Einzelnen. Nachdenken im leeren Raum, in der Theorie ist sinnlos, wenn auch nicht zu umgehen. Das ist eher meditieren als nachdenken. Daher: Machen wir alle Sinne auf und beobachten uns und die Menschen und die Welt um uns und anschliessend denken wir nach. Sonst werden wir zum Träumer oder Theoretiker.

Zum Nachdenken gehört natürlich auch ein bisschen Technik. Wenn wir Aussagen hören, Wissen präsentiert bekommen, Argumente wie Pfeile auf uns prasseln, wenn wir Befehle erteilt bekommen, dann lohnt sich zunächst die Frage: „Was wäre damit, wenn es uns Menschen gar nicht gäbe? Z.B. religiöse Aussagen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Recht, Gerechtigkeit, Freiheit, Liebe, Würde und vieles mehr. Aussagen, die uns in diesen Bereichen als objektiv, als allgemein gültig präsentiert werden, die es aber ohne Menschen gar nicht gibt, werden meist gar nicht objektiv oder allgemeingültig sein. Irgendjemand muss sie erdacht haben und stellt sie dann als allgemeingültig, als objektiv dar. Welchen Sinn soll das haben? Natürlich: „Ich habe Recht!“ Wie viele dicke Bücher, Theorien (Ideologien?), Träumereien haben wir jetzt entlarvt? Wirklich entlarvt haben wir jetzt aber nicht die Theorien, sondern die Männer (Möchte-gern-Männer und sehr selten Frauen). Deshalb seien wir sehr vorsichtig. Wir haben jetzt einen Mann in Frage gestellt. Der wird sich wehren, notfalls mit Gewalt. Dann tritt sehr wahrscheinlich unser hoffentlich vorher geschriebenes Testament in Kraft.

Noch einmal etwas anders: Es gibt nur uns Menschen. Theorie gibt es nicht. Sie gibt es nur in unseren Hirnen. Das hat Vor- und Nachteile. Theorien, objektive Aussagen in Religionen, in der Wissenschaft, in der Rechtskunde, in der Liebe und vielem mehr... Real wird das alles nur durch unsere Ausführung im eigenen Leben. Wenn wir das aber gar nicht tun (können?), sind alle Theorien wertlos. An sich, ohne uns Menschen, gibt es alle diese theoretischen Annahmen gar nicht. Wenn wir das beherzigen, verändert sich unser Leben. Bleiben wir im Nachdenken immer nahe an unserem Körper.

Heute fliegen viele Geister durch unsere Hirne. Sie haben heute andere Namen als im Mittelalter oder anderen Zeiten. Heute heissen sie: Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Wahrheit, Gut und Böse, … Sie alle gibt es nur in unserem realen Handeln. Sonst sind sie fliegende Geister in unseren und anderen Hirnen. Mit denen brauchen wir uns nicht abzugeben. Das ist nutzlose Zeit und Mühe. Und doch müssen wir uns mit ihnen abgeben, denn wir leben mit uns und diesen Menschen zusammen.

Nachdenken ist auch wie eine Atomwaffe, wie „gut und böse“, aber in dem Augenblick, wo ich Nachdenken als Waffe benutze, wird es zum egoistischen Denken, ist also kein Nachdenken mehr. Wer wirklich nachdenkt, kann es nicht als Waffe benutzen. Nachdenken entwaffnet mich selbst! Nachdenken ist daher schwer beherrschbar, nicht einfach machbar..., wie gesagt, vermutlich nahe an der Grenze zur Transzendenz?

Denken wir wo immer möglich in Zusammenhängen. Meiden wir Abgrenzungen, auch wenn zum Nachdenken Klarheit in Form von Abgrenzung gehört.

Viele Regierungen versuchen, Ihre Bevölkerung vom Nachdenken fernzuhalten. In der Schweiz die geistige Landesverteidigung früherer Jahre. In den USA die Überzeugung, dass man selbst die beste Philosophie, die beste Organisation der Gesellschaft und Politik, das beste Gesundheitswesen habe, ja sowieso überall der Beste sei. In Russland, China, der Türkei und vielen anderen Ländern werden abweichende Ansichten einfach als falsch deklariert und deren Vertreter teilweise oder ganz (mund-)tot gemacht. Warum ist Regierenden das Nachdenken der Untergebenen so suspekt, ja sogar gefährlich? Oder liegt das daran, dass die Untergebenen doch nur denken statt nachzudenken und die Regierenden versuchen selbst das Denken der Untergebenen zu verhindern? Eine Herde von nicht Denkenden und nicht Nachdenkenden lässt sich am leichtesten lenken?

Glückliche denken viel weniger nach als Unglückliche. Glückliche sind oft viel weniger empathisch als Unglückliche. Sie sind ja glücklich. Selbst an uns nehmen wir das nicht wahr.

Wer geradewegs sein Ziel verfolgt, wird meist unmenschlich, intolerant, gewalttätig, ... Ihm fehlt das Nachdenken, das Loslassen. Nachdenken führt nicht sicher zum Ziel, aber meistens zu mehr Realitätsnähe (oder Wahrheit?).

Nachdenken braucht Denken und Lebenserfahrung, braucht viele Jahre Zeit. Es ist fraglich, ob wir vor dem 35. Lebensjahr überhaupt schon von „nachdenken“ sprechen dürfen, zumal das reale Leben meist erst mit den eigenen Kindern beginnt. Menschen in Führungspositionen und aufstrebenden Stellungen haben selten gegen ihren eigenen Erfolg nachgedacht. Da gibt es nur wenige Ausnahmen. Da können wir uns vorstellen, wie weit verbreitet heute „nachdenken“ in dieser Welt ist.

Nachdenken ist gut und deshalb glauben wir alle, nachzudenken, denn wir sind ja gut.

Nachdenken ist nicht nur gut, sondern distanziert auch. Denken wir viel nach, aber denken wir nicht zu viel nach. Leben ist mehr (Wert) als Nachdenken. Das bedingt eine Grenze. Leben und Nachdenken konkurrieren auch miteinander und so können wir nur beides zusammen mit 100 %, eines von beiden nur als entsprechenden Anteil. Mehr können wir nicht und damit begrenzt das eine auch das andere.

Wenn Einer glaubt, dass er sich in sich selbst finden kann, beim Meditieren, bei der Selbstbeschau, bei der Versenkung in sich, bei der Suche nach seinem Selbst, dann muss er davon ausgehen, dass er 1 ist und dass in der Welt und die Welt nur 1 ist, dass Sein und Schein in ihm 1, also deckungsgleich, sind. (Dazu später mehr)

Meditieren und nachdenken sind nicht das gleiche. Meditieren geht von der Grundzahl 1 aus. Alles ist eins. Nachdenken geht von der Grundzahl 2 aus, meine Seite und Deine Seite, vielleicht noch viel mehr Seiten. Ich und Du. Beim Nachdenken kann man sicher auch meditieren, ob umgekehrt, weiss ich noch nicht. Wo es nur 1 gibt, wird nachdenken sinnentleert.

Meditieren wir nicht in einem Kloster oder irgendwo sonst abgeschieden, sondern denken wir nach inmitten unseres normalen Lebens. Bleiben wir drinnen. Gehen wir nicht nach draussen oder fort. Arbeiten wir viel, geniessen wir wohldosiert und ungefährlich und denken wir viel den Anderen hinterher, später vielleicht sogar vorneweg? Suchen wir nach (positiven?) Erklärungen, warum Andere (und wir) tun, was wir tun.

Im Mathematikunterricht lernten wir rechnen und damit wir kurz überprüfen konnten, ob das Ergebnis stimmen kann oder nicht, lernten wir Überschlagsrechnung. So etwa müssen wir uns unser eines Ziel denken. Wir wollen nachdenken, um kritikfähig zu werden im Sinne von Überschlagsrechnung. Kann das, was wir da gerade mitgeteilt bekommen, lesen, hören, sehen überhaupt halbwegs realitätsnah sein oder nicht?

Denkende Menschen können oft nur alles komplizierter machen, nicht einfacher. Sonst müssten wir nachdenken.

Erst wollten wir denken und unser Denkvermögen nutzen, auch Frauen. Nun müssen wir es auch, nicht nur Männer, sondern auch Frauen, entgegen unserer Intuition.

Philosophie heisst „Ich hinterfrage mein Leben“ wie in einem Regelkreislauf. Ich steuere nicht nur geradeaus meinem Egoismus, Neid, Rache und Stolz entsprechend, sondern ich suche selbst nach Rückmeldung und die finde ich ja in den meisten Fällen im Gegenüber (was meistens für den Mann die Frau sein wird und für die Frau der Mann). Wenn dort nicht die gewünschte Reaktion eintritt, dann wird bei mir wahrscheinlich etwas nicht stimmen?

Philosophieren heisst nachdenken am und im realen Leben. Natürlich kann man auch Philosophie studieren. Aber so wird man im besten Fall Gelehrter, nicht Philosoph. Das ist mit den Theologen und Geistlichen der verschiedenen Religionen übrigens auch nicht anders. Wenn Heinrich Heine am Ende seines Lebens Christ wurde, dann bedeutete das etwas. Die Christen von Kindheit an sind nicht selten christliches Kanonenfutter, Gewohnheitschristen.

Je mehr wir nachdenken, desto mehr verschwimmen Sein und Schein.

Es gibt drei Stufen von freiem Denken:
1. Denken mit dem Strom.
2. Denken gegen den Strom.
3. Denken unabhängig vom Strom.

Lassen wir doch ruhig die Kurzsichtigen, die Kurzdenkenden und die Sinnlosen sich selbst überlassen. Sie sterben aus, denn sie haben ja keinen (Sinn-)zusammenhang. Aber vielleicht leben sie deshalb besonders lange und intensiv und können auch besonders viel Schaden anrichten? Wir sehen und hören es ja immer wieder. Schon vor fast 3000 Jahren klagten Männer, die sich selbst für gerecht hielten, darüber, dass es den „Bösen“ besser ging als ihnen selbst, den „Gerechten“. Hat es sich geändert? Das bedeutet aber umgekehrt, dass wir am „Erfolg“ nicht einfach „richtig“ oder „falsch“, „böse“ oder „gerecht“ festmachen können. Da wird es spannend.

Lebenslanges Lernen gab es schon immer. Sonst hätten wir unter früheren widrigen Umständen gar nicht überlebt. Jetzt müssen wir lebenslang die Ansichten Anderer lernen und wissen nicht, was davon stimmt und was nicht.

Noch wichtiger als lebenslanges Lernen ist lebenslanges Nachdenken, lebenslanges sich selbst in Frage Stellen. Das Dumme ist, dass wir meist erst im letzten Teil der Gausskurve aufmerksam werden und anfangen, nachzudenken. Solange wir auf der Erfolgsspur sind, auf dem aufsteigenden Teil der Gausskurve, gibt es keinen Grund, selbstkritisch zu werden. Oben, auf dem optimalen Teil der Gausskurve, sind wir blind. Erst danach werden wir wach, zu spät für „gut“.

Ich bin sehr misstrauisch, auch dem lebenden Gott gegenüber. Er will womöglich etwas ganz anderes, als wir wollen?

Grundlage allen Denkens und Nachdenkens ist das Leben. Deshalb ist leben wertvoller als nachdenken. Das war das Leben der Frauen für viele Jahrtausende, kaum aber für Möchte-gern-Männer.

Denken Sie mal zwei Gedanken gleichzeitig. Beim Autofahren warnt die Polizei davor. Wir können schwer zwei Gedanken zugleich denken. Versuchen Sie es einmal (nicht beim Autofahren, sondern z.B. beim Lesen, Fernsehen, Hören). Vielleicht können es Frauen eher als Männer? Ein Gedanke verdrängt den anderen. Wenn Sie einen spannenden Gedanken haben, fixieren Sie ihn auf Papier. Sonst ist er weg. Wir haben zwar reichlich Hirn in Form von vergesslicher „Festplatte“, aber wir haben nur ein Leben, nur ein Sein. Wir sind nur ein Mensch mit einem Hirn und einem Gedanken zugleich.

Gläubige gleich welcher Art können nicht nachdenken. Sie glauben ja schon und meiden den Zweifel. Gegen seinen eigenen Glauben nachdenken, kann man nur, wenn man zweifelt. Wenn man aber zweifelt, glaubt man bekanntlich nicht mehr. Deshalb ist bei Gläubigen der Zweifel so unmöglich und doch so wichtig!

Wer jeden Tag lebt, ohne nachzudenken, entscheidet auch jeden Tag, ohne nachzudenken, immer und immer wieder. Wenn einer positiv denkt, kann da etwas negativ, etwas falsch dran sein?

Was wir nicht denken können, das oder daran können wir auch kaum glauben und wissen können wir es schon gar nicht. Das gibt es für uns dann auch gar nicht (in der Realität, im Zusammenleben, in der Philosophie, in der Religion, in der Wissenschaft, in der Politik…).

Was ist, aber was wir uns nicht denken (können?), das wissen wir nicht und damit begrenzt es auch unser Wissen als nicht wahrnehmbare Grenze. Wir haben uns nur in unseren Vorurteilen festgelegt, zu glauben, alles sei so, wie wir uns das denken. Dann kommen die Enttäuschungen, dass Entwicklungen anders laufen, als wir uns das wünschen.

Leben ist gekennzeichnet durch eine hohe Komplexität und Vielfalt. Jedes Individuum ist einerseits eins in der Masse, aber doch wieder getrennt individuell unterschiedlich von der Masse. Je differenzierter die Arten wurden, desto höher die Anzahl der Möglichkeiten, desto breiter die tatsächlich entstandenen Eigenschaften.

Nun stehen wir als Menschen in dieser Menge von Möglichkeiten und Eigenschaften, in dieser Vielzahl von Individuen. Wir versuchen, uns zurechtzufinden. Die Zahl unserer Denkmöglichkeiten ist auch gross, aber im Vergleich zur Menge der um uns befindlichen Vielfalt? Es ist doch leicht erkennbar, wie das Verhältnis ist, oder? Dann kommt dazu, dass wir selbst unser Denken noch einschränken, indem wir bestimmte Dinge glauben und auf bestimmte Weise denken und selbst bestimmte Dinge wollen und andere nicht wollen. Wenn wir dann unser Bild, unsere Vorstellung von der Umwelt fassen wollen, benutzen wir Worte, bestimmte Schemata, Bilder. Wissenschaftler benutzen Formeln, Naturgesetze. Politiker benutzen Gesetze. Mathematiker und IT-Fachleute benutzen Zahlen. Alle diese Ausdrucksversuche sind gekennzeichnet durch eine Einschränkung der Möglichkeiten im Vergleich zur real um uns befindlichen Welt. Es ist eigentlich von vorn herein klar, dass unsere Art von Verständnis der Umwelt nur falsch sein kann, unzutreffend, ungenau. Mit viel Glück kann es uns vielleicht gelingen, der Realität, den realen Verhältnissen um uns herum, nahe zu kommen. Einfache Gesetze, einfache Formeln, einfache Definitionen sind da völlig ungeeignet. Aber gerade diese einfachen Definitionen und Formeln machen es uns möglich, sie gedanklich zu fassen und mit ihnen zu arbeiten und umzugehen, mit ihnen unsere Umwelt zu gestalten. Es besteht eine riesige Diskrepanz zwischen den Möglichkeiten in der Realität und den tatsächlich vorhandenen Ansichten und Auffassungen, die wir als Individuum, ja selbst als Gesellschaft der Menschen, entwickelt haben. Je mehr wir Möglichkeiten durch Denken, Erforschen und mit technischen Entwicklungen selbst noch geschaffen haben (und die Entwicklung der IT-Welt hat uns da eine Menge geschaffen), desto grösser wird die Schere zwischen unseren eigenen als realistisch angesehenen Ansichten und den gesellschaftlichen als realistisch angesehenen Ansichten und der Realität. Wir werden immer unrealistischer. Allerdings nimmt uns die Anzahl der neuen Möglichkeiten am vor uns liegenden Ende auch eine grosse Anzahl von Möglichkeiten am zurückliegenden Ende. Es ist uns schier unmöglich, festzustellen, ob unsere selbst produzierten Entwicklungen für die Erde und für die Menschheit Fort- oder Rückschritt bedeuten, Verbesserung oder Verschlechterung sind. Wir bestimmen nur selbst: Was wir verursachen und tun, ist gut, ist Fortschritt und was die Anderen tun und verursachen, ist schlecht, ist Rückschritt.

Leben ist vielfältig, ist divers, ungleich, spannungshaft. Unser Denken ist demgegenüber sehr begrenzt und auch noch durch unseren Körper und durch unsere Persönlichkeit an uns selbst, an die Zahl 1 gebunden. Denken und nachdenken können wir also nur vereinfacht. Damit ist aber klar, dass wir die Realität, das Ganze, die Wahrheit nie in unserem Denken, in unserem Kopf, in unserer Theorie haben. Wir müssen in Schubladen, in Definitionen, in Zahleneinheiten denken, müssen uns aber darüber klar sein, dass im Leben die Gausskurve, und dann auch noch eine mit vielen Beulen, viel realitätsnäher ist als die Schublade (oder wir fräsen in die Wände der Schublade viele Löcher, was dann aber auch den Sinn und die Funktion der Schublade durchlöchert).

Noch ein paar Worte zu mir: Ich bin Beobachter, nicht Richter! Bitte nehmen Sie keine meiner Aussagen als Urteil oder gar Urteil über sich selbst, besonders meine sehr verehrten Damen, sie als Frauen nicht. Ich versuche überall zu verbinden und polarisiere doch. Ich konfrontiere Sie mit sich selbst und damit werden Sie sofort in Verteidigungsstellung gehen und mich oder/und meine Ansichten ablehnen. Denken Sie lieber nach, statt sich zu verteidigen. Natürlich bin ich fies, weil ich Ihnen den Spiegel vorhalte (wo ich doch selbst im Spiegel auch nicht sauber aussehe). Ich bitte Sie sogar, den Spiegel in die eigene Hand zu nehmen und sich selbst damit zu beschauen. Aber ohne Sprache, ohne Begriffsbildung und damit ohne Vorurteil kein Nachdenken. Da wird es gleich wieder spannend. Ich beobachte und beschreibe uns wie von aussen, bin aber selbst mitten drinnen. Ich versuche also etwas, was gar nicht geht. Sie werden das immer wieder merken. Ich kann nur scheitern.

Wenn Sie dies hier konsequent lesen, werden Sie mich vermutlich hassen, weil ich Ihnen den Spiegel vorhalte. Sollten Sie mich nicht hassen, stellt sich die Frage, ob Sie nicht schon so abgebrüht sind, dass Sie es nicht einmal mehr merken. Dabei bin ich natürlich höchst doppelmoralisch, denn ich bin ja Mensch wie Sie. Ich bin bekennender Doppelmoralist (vielleicht sogar Unmoralist?). Sie werden auf den nächsten hunderten Seiten immer wieder Stellen finden, wo Sie merken, dass ich sowohl das eine, wie auch das andere vertrete, je nach dem, wie es in meine Ansicht oder Argumentation passt. Wenn es gut läuft, dann gelingt es mir (und Ihnen auch), aus diesen Sichten die Moral herauszunehmen, „gut oder böse“ zu vermeiden. Dann wird das Nachdenken viel weniger beleidigend, viel weniger verletzend und wir bekommen ein Gespür dafür, wie wir ticken. Das ist enorm wichtig. Ich will Sie nicht beleidigen, aber wahrscheinlich werden Sie oft beleidigt sein? Wahrscheinlich wird es einige Generationen brauchen, wenn wir unsere Doppelmoral und die der Anderen verstehen und annehmen wollen? Immer wieder werden Sie merken, dass das, was ich böse geissele, auch ich selber bin.

Wenn ich Personen anspreche oder Namen nenne, dann weil sie Exponenten einer bestimmten Denk- und Handlungsrichtung sind. Bitte fühle sich niemand persönlich diffamiert. Nachdenken braucht Sprache, braucht Formulierung, braucht Bezüge und deshalb kann ich solche Nennungen schwer umgehen. Tabus wollten wir ja meiden.

Ich will mir keine Urteile bilden und anmassen, bin aber nicht frei davon, Urteile zu fällen. Bitte sehen Sie mir das nach, glauben Sie meine (Vor-)urteile nicht und fragen Sie weiter. Wenn mein Temperament mit mir durchgeht, dann schmunzeln Sie bitte über mich. Er kann sich auch nicht selbst beherrschen und leider haben Sie damit völlig Recht. Ich weiss genügend Beispiele.

Wenn wir uns Menschen denken und glauben wollen, dann müssen wir uns erst einmal denken und uns nachdenken und uns so wie wir sind, zu unserem Mittelpunkt machen, nicht unseren Erfolg, unseren Gewinn, unsere Ziele oder unser Geld und auch nicht Technik oder Immobilien oder Wissenschaft und auch nicht unsere Moral.

Gefahr erkannt, heisst schon, Gefahr gebannt! Das stimmt doch in den meisten Fällen eher nicht, oder?

Denken und Nachdenken sollten wir nicht nur in der Gausskurve, sondern auch mit Schein und Sein.

Unsere Weltanschauung ist eines unserer ausgeprägtesten Vorurteile. Das bestimmt alles Folgende. Wenn unsere Weltanschauung, unser Vorurteil, nicht realitätsnah ist, haben wir einen relevanten systemischen Fehler in unserer Lebens-, Denk- und Verstehensweise. Dann kann alles Folgende nur unrealistischer werden. Wissenschaft ist Forschung an der Realität, nicht an der Theorie und auch nicht an unseren Wünschen und Träumen. Sie funktioniert schon nur eingeschränkt mit der Theorie, aber sie wird zu Theorie. Bleiben wir beim Nachdenken nahe am Menschen, nahe bei uns selbst. Ändern können wir allenfalls uns selbst und das ist schon schwer genug.

Wir handeln und reagieren entsprechend unseres Denkens. Das stimmt in den Grenzen, die uns unser Menschsein setzt und damit gilt das in den Grenzen, die uns unsere Gefühlswelt setzt, Frauen sicher eher als Männern. Wenn Gefühle dazwischen kommen, wie Schmerz, Atemnot, Schwindel, Schwäche, sich benachteiligt Fühlen etc, aber auch Sattheitsgefühl, Freude, Schmerzfreiheit, allgemeines Wohlgefühl etc., dann verändert das unser Denken (und wohl auch unser Nachdenken). Da Wissenschaft für uns bedeutet, wenn ich in einem Prozess immer wieder das gleiche Ergebnis fand, dann glaube ich, dass es immer gilt, so kommen Fehler in meine Denkweise. Dieser Schluss ist nicht wissenschaftlich, weil er nicht wissenschaftlich überprüft ist, ja wissenschaftlich nicht einmal überprüfbar ist. Ich kann nur sagen: Ich denke und ich fühle und beides kann miteinander, unabhängig und gegeneinander wirken, je nach Situation.

Unsere Weltanschauung ist eines unserer ausgeprägtesten Vorurteile. Das bestimmt alles Folgende. Wenn unsere Weltanschauung, unser Vorurteil, nicht realitätsnah ist, haben wir einen relevanten systemischen Fehler in unserer Lebens-, Denk- und Verstehensweise. Dann kann alles Folgende nur unrealistischer werden. Wissenschaft ist Forschung an der Realität, nicht an der Theorie und auch nicht an unseren Wünschen und Träumen. Sie funktioniert schon nur eingeschränkt mit der Theorie, aber sie wird zu Theorie. Bleiben wir beim Nachdenken nahe am Menschen, nahe bei uns selbst. Ändern können wir allenfalls uns selbst und das ist schon schwer genug.

Wir handeln und reagieren entsprechend unseres Denkens. Das stimmt in den Grenzen, die uns unser Menschsein setzt und damit gilt das in den Grenzen, die uns unsere Gefühlswelt setzt, Frauen sicher eher als Männern. Wenn Gefühle dazwischen kommen, wie Schmerz, Atemnot, Schwindel, Schwäche, sich benachteiligt Fühlen etc, aber auch Sattheitsgefühl, Freude, Schmerzfreiheit, allgemeines Wohlgefühl etc., dann verändert das unser Denken (und wohl auch unser Nachdenken). Da Wissenschaft für uns bedeutet, wenn ich in einem Prozess immer wieder das gleiche Ergebnis fand, dann glaube ich, dass es immer gilt, so kommen Fehler in meine Denkweise. Dieser Schluss ist nicht wissenschaftlich, weil er nicht wissenschaftlich überprüft ist, ja wissenschaftlich nicht einmal überprüfbar ist. Ich kann nur sagen: Ich denke und ich fühle und beides kann miteinander, unabhängig und gegeneinander wirken, je nach Situation.

Wir leben in einer offenen Welt des Denkens, Nachdenkens, Träumens und Theoretisierens und zugleich in einer geschlossenen Welt des Körpers und Seins unter psychischen und Denkgrenzen. Aber die Grenzen verschwimmen selbst in unserer geschlossenen Welt (siehe zur Frage unserer Hirnfunktionen an späterem Ort). Wenn wir frei nachdenken wollen, dann müssen wir auch unser Falschsein, unser Unvermögen, unseren Untergang, unseren Tod und unser Alleinsein, unsere Abgeschiedenheit mit denken können. Wir sind in unserem eigenen Denken gefangen und kommen nicht so einfach heraus, auch wenn wir das für uns selbst natürlich anders glauben. Wir haben Recht und gehen dann mit Scheuklappen durchs Leben, mit unseren eingefahrenen Daten-, nein Nervenautobahnen, im eigenen Hirn. Wir können unser Denken nicht einfach ändern. Unsere Gedankenautobahnen sind nicht vierspurig, zwei in jede Richtung, sondern zehnspurig, aber nur in eine Richtung. Ab- und Zufahrten sind sehr rar. So ist nachdenken fast unmöglich.

Wäre es denkbar, dass wir Menschen uns etwas wünschen, erträumen und tun, das wir vollständig für in unserem Interesse halten und für uns als nützlich ansehen, von dem wir aber im Nachdenken herausfinden, dass es uns und Anderen langfristig schadet und das wir aus diesem Grunde daher lassen würden? Z.B. freiwillig einem Kriegsangriff uns nicht zu widersetzen in der Erwartung, dass der Krieg mehr Schaden anrichten wird, als später die Unterdrückung? z.B. Tschechoslowakei 1968. Wäre es denkbar, dass wir diese Intelligenz aufbrächten, uns selbst beherrschten und es dann nicht täten? Vielleicht würden es Einzelne schaffen, aber die Mehrheit? Demokratie adé, oder? Himmel adé? Verwirklichung unserer Träume adé? Wir wollen und glauben ja, dass alles, was wir wollen, uns nützt. Schachspieler sollten doch zumindest teilweise so weit vorausdenken können? Vernünftig wäre doch, die Anderen handelten alle so, wie wir uns das wünschen, oder?

Um eine Ecke denken, können wir sehr gut. „Ich will etwas, was ich mir wünsche und halte das für gut“. Um zwei Ecken denken und damit sehen, dass das um die erste Ecke „Gute“, um die zweite Ecke zum Minus, zum Bösen wird, also gegen uns und Andere ist, ist schwer und können nur Wenige. Um drei Ecken vorausschauend nachzudenken, was für Folgen unser Tun haben könnte, ist Kunst und langes Training. Es gelingt kaum und ist mühsam. Deshalb propagieren wir es nicht und üben es nicht und lehren es auch unsere Kinder nicht. Das hat nichts mit Moral und auch nicht mit In-Frage-Stellen zu tun, ausser sich selbst in Frage zu stellen. Gibt es Menschen, die sich dann so beherrschen können, den ersten Schritt nicht zu geniessen, sondern zu verzichten, um den späteren möglichen Schaden abzuwenden? In der Praxis habe ich das kaum erlebt, auch bei mir nicht.

Ich habe sehr wenige Menschen gefunden, Männer wie Frauen, die dann noch nachdachten, wenn es gegen ihre vermeintlichen Interessen ging. Aber erst dort fängt nachdenken überhaupt an. Wir denken in unseren geglaubten Interessensbahnen.

Wer nachdenkt, ist klar im Vorteil. Vielen Vorurteilen geht er nicht mehr auf den Leim.

Wer nachdenkt, ist klar im Nachteil, denn er verliert die Übersicht, kann schwerlich noch Stellung beziehen, denn betrachtet er auch alle Auswirkungen und gegenteiligen Ansichten, verliert er sein Leben. Leben können wir nur, auch ohne nachzudenken. Nachdenken ist nicht nur lebensfreundlich, sondern auch lebensfeindlich!

Nachdenken kann nur, wer die Einstellung aufgibt „Ich habe Recht!“ Das zu üben, reicht nach meiner Erfahrung, ein Leben wahrscheinlich kaum aus. Rechthaben und Nachdenken schliessen sich nahezu gegenseitig aus.

Bei Frauen ist wohl der Widerstand im Hirn grösser zum Nachdenken als bei Männern. Sie tun lieber einfach und intuitiv, was sie wollen und augenblicklich für richtig halten. Können werden es aber auch Frauen. (Ladies drive, Herbstausgabe 2023, Nr. 63)

Die besten meiner Ideen hatte ich morgens zwischen 3.00 und 6.00 Uhr im Bett halb schlafend und unter der Dusche sowie in der Küche beim Essen zubereiten, also allein bei ganz belanglosen Tätigkeiten. Woher kommen meine Ahnungen, meine Ideen, meine Gedanken, meine Ansichten?

Es geht darum, dass wir verstehen, was mit uns los ist. Die Welt oder uns selbst ändern können wir sowieso nicht. Und trotzdem ändern wir die Welt dauernd.

Denken und Nachdenken haben erstaunlich enge Grenzen. Sie werden das immer wieder wahrnehmen. Über unsere eigenen Grenzen nachzudenken, ist aber so begrenzend, für Viele sicher deprimierend. Da bleiben wir doch lieber optimistisch, das zu können, was wir gar nicht können können.

Wenn ich nicht weiss, was ich nicht weiss, muss ich bei allen Überlegungen auch die unbekannte Möglichkeit mit berücksichtigen. Das führt dazu, dass meine Urteile alle nur noch als Vorurteile anzusehen sind. Da wir nicht denken können, was wir nicht denken, wo uns also niemand auf die Idee gebracht hat (Woher kommen eigentlich unsere eigenen Ideen oder warum kommen wir auf (manche gute) Ideen auch nicht?), so kommen wir aus unserem Schmalspurautobahndenken auch gar nicht heraus. Wir bleiben in unserem alten Denken gefangen, auch wenn wir es natürlich für richtig, modern und fortschrittlich halten. Das betrifft vermutlich alle Menschen?

Ich kann nicht eine Minute in die Zukunft schauen, selbst Sekunden meist nicht. Sonst könnten wir die meisten unserer Unfälle verhindern. Für viele Unfälle würde bereits eine Minute in die Zukunft schauen schon ausreichen. Aber wir können es nicht. Die meisten Entscheidungen als „richtig“, als „nachhaltig“ beurteilen, können wir erst rückblickend aus der Zukunft, oft erst nach Jahrzehnten, manchmal Jahrhunderten. Da uns das so schwer fällt, posaunen wir schon mal all unsere Ansichten heute als „Wissen“, als „richtig“, als „nachhaltig“ aus. Unsere technischen Möglichkeiten heute vermehren diesen Eindruck dann exponentiell. Wir entscheiden heute in aller Regel über unsere eigene Zukunft und die Anderer, ohne überhaupt wissen zu können, wie es rückblickend hätte „gut“ oder „richtig“ gewesen sein können.

Weder die evolutionäre Natur und/oder das leblose allgemeine Sein noch der lebende Gott haben mir ihr Weltbild, Menschenbild und ihr Bild von sich selbst mitgeteilt, so dass ich heute einfach nachschauen könnte und nachprüfen könnte „Stimmen meine Ansichten mit deren Sichtweisen überein?“ Ich muss ja damit rechnen, dass ich die Welt und mich selbst allenfalls in Grenzen erkennen, verändern und mir dienstbar machen kann und sicherlich kaum die Drei. Der zweifache Graben zwischen mir und der Welt um mich herum sind ja schon Begrenzung genug. Oder haben das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott mir womöglich doch zumindest so gut es mit der Kommunikation zwischen Gott und mir möglich ist, mir doch etwas mitgeteilt? Wo könnte ich diese Information finden?

Wir Menschen sind Lebewesen, die von uns selbst ungewollt auf diese Erde gekommen sind und nun denken und leben und handeln müssen, aber gar keine verlässliche Orientierung haben. Da wir als erstes eines unserer wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale ausbilden, nämlich „Ich habe Recht!“ müssen wir natürlich auch unseren eigenen Wünschen, Träumen und Theorien folgen, bis sie sich als Märchen entpuppt haben. Sie kennen Märchen? Ich meine die: Ein guter Geist gibt mir die Chance, drei Wünsche zu äussern, die sich sofort erfüllen werden. Ich denke nach, äussere den ersten und er erfüllt sich. Das gleiche geschieht mit dem zweiten Wunsch. Nachdem ich meinen dritten Wunsch geäussert habe, erfüllt sich auch der, versetzt mich aber in einen Zustand, der unangenehmer ist als der Zustand, in dem ich mich vor dem ersten Wunsch befand. Ich hatte nicht um zwei Ecken nachgedacht. Märchen sind leider keine Märchen, sondern unser Leben, bittere Realität entgegen unserem Optimismus, dass doch alles so wäre, wie wir glauben.

Unsere Ansicht „Ich habe Recht!“ seit dem Trotzalter und das Fehlen eines Fühlers in unserem Körper und damit auch unserem Hirn für unsere Dummheit und unsere Dummheiten (sonst gäbe es keine Eigentore im Fussball und auch nicht in unserem Leben), begrenzt unsere Fähigkeit, Gutes zu tun.

Was wir nicht denken können, das können wir auch nicht glauben oder gar wissen. Deshalb macht uns das, was wir nicht wissen und das, was wir nicht denken können auch „nicht heiss“. Da ich nicht weiss, was ich nicht denken kann, kenne ich auch meine Grenzen, meinen Horizont, nicht und was dahinter ist. Wir haben uns mit vielen Ideen, von denen ich nicht einmal weiss, woher sie kommen, einfach über unseren Horizont hinaus gedacht, geglaubt, geforscht, „gewusst“, gar nicht merkend, dass wir uns längst im Reiche der reinen Spekulation befinden, reines Denken, reine Theorie, reine Träume. Wir Menschen und unser Sein sind endlich. Nur unser Denken denkt ins Unendliche, nicht wissend, was es da eigentlich tut.


Sprache und Kunst(11/2024)



Es ist natürlich ungünstig, dass es so viele verschiedene Sprachen auf dieser Welt gibt. Wir verstehen einander nicht. Besser für die Kommunikation wäre, Alle sprächen die gleiche Sprache. Aber Sprache schafft Identität. Sprache schafft Diversifizierung. Sprache ist denken und ermöglicht nachdenken. Jedes Volk denkt in seiner Sprache und ist durch die Sprache in seinem Denken geschichtlich geprägt. Der Verlust der eigenen Sprache bedeutet Verlust eigenen spezifischen Denkens, Verlust von Identität. Eine andere Sprache lernen ist mehr als nur übersetzen können hin und her, sondern bedeutet auch verstehen lernen, lernen, sich verständlich zu machen, lernen, wie die Anderen denken. Wie schnell wird heute von Mehrheiten und ihren Regierungen gefordert, dass Minderheiten in der Mehrheitssprache sprechen sollen, ohne Rücksicht auf Geschichte, Denken, Identität und Kultur? Stellen Sie mal Ungarn und Niederländer nebeneinander oder vergleichen Sie die Sprachnuancen verschiedener Alpentäler in der Schweiz. Jedes Tal denkt und spricht etwas anders und definiert seine Identität darüber. Jeder Eingriff in diese Ökosysteme weckt starke Emotionen und meist keine liebevollen! Es ist heute wichtig, sowohl seine eigene Sprache und Kultur intensiv zu kennen und zu nutzen, aber mindestens auch eine andere von vielen Menschen gesprochene Sprache und Kultur kennenzulernen, sie zu verstehen und sich in ihr ausdrücken zu können. Das schafft reiner Sprachunterricht nicht. Dazu gehört mehr.

Sprache übersetzen heisst auch Bedeutung übersetzen, nicht nur in bestimmter Ordnung aneinander gereihte Wörter. Deshalb ist auch Übersetzung eine Kunst. Automaten, Programme und Algorithmen werden schlichtweg der Widersprüchlichkeit, der Diversität, der Wandelbarkeit, Schein und Sein in der Sprache nicht gerecht werden können. Das haben unsere IT-Entwickler, Programmierer und Automatenpropagandisten noch gar nicht begriffen. Automaten sind auf Eindeutigkeit und Eineindeutigkeit angewiesen. Wir Menschen hätten das gerne von allen Anderen so, nur selbst wollen und sind wir es nicht. Diese Unmöglichkeit kann man nicht einfach durch Einsatz von immer ausgereifterer Technik gleich welcher Art erzwingen. Wir können Leben nicht wie blosse Materie behandeln, gebrauchen oder verstehen. Wie wollen Sie in Wikipedia, in Enzyklopädien in Buchform, in „künstliche Intelligenz“, in digitalen Programmen die Doppel- oder Mehrdeutigkeit unserer Sprache und Begrifflichkeit ausdrücken? In der Sprache gibt es nicht die Ein- und Eineindeutigkeit der Mathematik, obwohl es in den letzten 150 Jahren etliche gescheiterte Versuche gab, Sprache so zu entwickeln, dass sie das kann.

Mit Wörterbüchern, mit digitalen Medien, können wir allenfalls Vorurteile übersetzen. Wenn wir Urteile, tiefe Begründungen liefern oder übersetzen wollen, ist "künstliche Intelligenz" mindestens so überfordert wie menschliche Intelligenz.

Sprache ist Ausdruck von Denken. Je differenzierter eine Sprache ist oder je differenzierter Sprache von einem denkenden und sprechenden Menschen benutzt wird, desto tiefer kann er auch denken und nachdenken. Gruppen von Menschen, die eine einfache Sprache (womöglich noch mit vielen Jokern (=Trendwörtern, die man für vieles nutzen kann, wie z.B. "geil", "cool") benutzen, haben weniger Möglichkeit, nachzudenken. Sie sind stärker auf ihre Intuition angewiesen, mit allen Vor- und Nachteilen. Wir sollten uns z.B. überlegen, ob wir nicht das Wörtchen „gut“ im Sinne von „moralisch gut“ benutzen sollten. Im Gegensatz sollten wir „gut“ nicht gebrauchen, wenn wir damit meinen, dass etwas in unserem Sinne ist oder unseren Vorstellungen entspricht oder unserer Bequemlichkeit hilft. Wir sollten genauer sagen: „so wünsche ich mir das“ oder „so will ich das auch“ oder „das fühlt sich für mich angenehm an“ oder „das fördert meine Bequemlichkeit“ … Diese Differenzierung würde uns helfen, besser zwischen Schein und Sein unterscheiden zu können. Oft ergäbe das den komplett gegenteiligen Sinn und wahrscheinlich realitätsnaher. Das Wort „gut“ benutzen wir heute so unreflecktiert für alles mögliche, dass es kaum noch einen klaren Inhalt hat.

Wir benutzen in der Rede und beim Schreiben und Veröffentlichen Worte, z.B. „Leben“ und wissen doch gar nicht, was der Leser, was der Andere gerade darunter versteht. Wir müssen das vorher klären, aber können das meist gar nicht erst klären. Wie soll das auf Twitter gehen oder in einem Buch, einer Zeitung?

In der Sprache können wir denken und nachdenken. Wir können Begriffe füllen (nicht nur definieren) und Begriffe wandeln sich. Sie werden das bei mir merken. Es gibt Sprachwissenschaftler, die sich nur mit diesen Sprachwandlungen beschäftigen. Deshalb können wir heute Bücher von vor 500 Jahren nicht mehr so einfach lesen und verstehen. Ja, selbst vor 200 Jahren war der Sinn mancher Worte anders als heute und manche Worte kennen wir heute gar nicht mehr. Unsere Sprache heute hat viel mehr Worte als die damals. Die Begriffe wandeln sich mit unserem Denken und Leben. In den Inhalten ist Bewegung. Dadurch wird Leben und Verstehen so lebendig. All das können wir mit Zahlen und Formeln nicht. Man hat dann Zahlen mit Komma eingeführt, damit man genauer werden konnte. Aber Zahlen können sich nicht wandeln. Eine 4 war vor tausend Jahren eine, ist es heute und wird in 1000 Jahren sehr wahrscheinlich auch eine 4 sein. Zahlen fesseln Leben. Zahlen gehören zur Theorie und sie gehören in die materielle Welt. Sie sind mehr oder weniger realitätsnah. Wir nehmen sie intuitiv für Stabilität, für Genauigkeit, für Treffsicherheit. Das ist das Schöne an Zahlen und Mathematik. Gern nehmen wir sie zur Definition von Schubladen (dazu später noch). Aber zwischen der Definition der Zahlen und der Realität, die sie abbilden sollen, besteht oft nicht vollkommene Deckungsgleichheit. So werden Zahlen, die formal oder mathematisch richtig sind, real durchaus mehr oder weniger richtig, manchmal sogar falsch. So können wir auch Sprache nicht einfach in Zahlen fassen, einfach digitalisieren. Dabei geht sehr viel verloren. Auch darüber lohnt es sich, nachzudenken und das werden wir später auch noch tun.

Auch wenn wir das Falsche sagen, haben wir wahrscheinlich teilweise Recht. Da wir etwas von so vielen Seiten betrachten können und müssen und daher so viele verschiedene Ansichten für ein und dieselbe Tatsache finden, sind die Urteile nur „richtig“ und nur „falsch“ höchst unwahrscheinlich.

Sprache ist von vorne herein gleich realitätsferner, ist mehrdeutig, aber in der Mehrdeutigkeit eben realitätsnäher. Leben ist mehrdeutig. Sprache ist mehrdeutig. Sprache ist variabel, lässt sich füllen, macht Denkbewegungen möglich und mit. Die Definitionen ändern sich, veralten, weil Leben sich bewegt. Sprache wird Auslegungssache. Das ist wichtig bei religiösen Büchern, bei Verträgen, bei Gesetzen und vielem mehr. Deshalb ist auch die Freiheit von Sprache und Rede so wichtig und Regierungen, die sie einschränken, begehen damit ohne zu töten Verbrechen. Kommunizieren Sie mal nur mit Zahlen... Denken wir wieder an den doppelten Graben zwischen mir und der Welt. Zwischen mir und Dir wird er sogar zum vierfachen Graben. Damit müssen wir beim Sprechen rechnen und damit umgehen.

Betrachten wir unsere sprachliche Genauigkeit, unsere sprachliche Diversität, unsere Spannung in der Sprache. Urteil: Das ist „ganz gut“ und das ist „ganz gut“. Haben Sie den Unterschied gehört? Die gleiche Wortkombination kann bedeuten, dass etwas ganz gut und kaum zu toppen ist, eben „ganz gut“. Auf der anderen Seite sagen wir mit unsicherer, eher zweifelhafter Miene, na ja, das war ja „ganz gut“, was meint, knapp vorbei am Durchfallen, eben noch „ganz gut“. Woher wissen Sie, wenn Sie die zwei Worte hören, wie sie gemeint sind? Woher soll der PC, das Sprachprogramm oder gar die „künstliche Intelligenz“ das wissen? Es bedarf ja schon intensiver menschlicher Intelligenz, das am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt zwischen den richtigen Personen richtig zu interpretieren. Das kann doch fast nur schief gehen, oder?

Begriffe sind Ideen: Z.B. Leitlinie, Ideologie, Gleichberechtigung, Mensch … Wenn wir diese Begriffe benutzen, vor allem intuitiv, missbrauchen wir sie ganz schnell im für uns angenehmen Sinne. Dann werden diese Begriffe zu Gesetzen für Andere und zu Rechten für uns. Das geschieht völlig unbewusst. Erst das bewusste Nachdenken (nicht nur Denken) über die Begriffe zeigt uns die Ambivalenz in den Begriffen durch unser Sein, durch unser Mensch Sein, durch unsere Persönlichkeit.

Einen Vorgeschmack dazu haben Sie schon im Abschnitt „Menschlich – Unmenschlich“ bekommen. Wenn wir so weiter fragen, merken wir, wie elastisch, wie ausdrucksstark und doch wie mehrdeutig unsere Sprache wird. Sie können den Sinn gar nicht nur an Hand von Wörterbüchern erfassen. Sie müssen auch in Sätzen und Zusammenhängen den Sinn von Worten in meiner Sprache ergründen, müssen sogar zwischen den Zeilen lesen. Ich dagegen muss versuchen, möglichst Ihre Sprache zu sprechen oder zu schreiben, damit ich es Ihnen leicht mache, mich und meine Anliegen, meine Sicht der Welt zu verstehen. Das ist wahrscheinlich nicht einmal mit „einmal fix durchlesen“ getan. Viele Texte habe ich sicher ein Dutzend Mal überarbeitet und es war sinnvoll, weil nicht nur die Sprache geschliffener wurde, sondern weil immer wieder kleine neue Gedankenkanälchen in den Deichen entstanden, die neue Ideen ermöglichten.

Ideologen, die Religiösen, die Ungläubigen, …, sind die Anderen. Suchen Sie mal im Wörterbuch diesen Teil der Definition. Eigentlich gehört er auch nicht mit zur Definition, aber wir gebrauchen diese Worte intuitiv so, ohne nachzudenken. Wir gebrauchen diese Begriffe mit dieser Nebenbedeutung. Andere verstehen das auch so, ohne sich darüber klarzuwerden. Es besteht also sogar eine gesellschaftliche Übereinkunft darüber, dass wir diese Begriffe so benutzen, ohne dass wir das merken. Je nach dem, in welchem Lager ich bin, bin möglicherweise sogar ich das. Aber „Ideologe“ haben wir negativ belegt. Ich bin gut und nicht negativ. Also ist der Ideologe der Andere. Wir benutzen die Begriffe, wie wir sie brauchen, nicht nach dem, was sie „objektiv“ (so wie es in Lexika und bei Wikipedia definiert ist) bedeuten. Diese Unterscheidung wird uns gar nicht bewusst. Die Bedeutung der Begriffe entscheidet sich aber nicht nach der Theorie in den Lexika, sondern nach unserem Gebrauch in unserem Leben. Wir entscheiden mit unserem Gebrauch, was die Begriffe bedeuten.

Wikipedia ist gar nicht möglich. Alte Lexika sind veraltet, waren damalige Ansichten. Die heutigen sind heutige Ansichten. Alle Sichten sind meist gar nicht aufgeführt und gegenteilige Ansichten nur so weit wir sie für akzeptabel halten? Streit ist doch vorprogrammiert, oder?

Nun versuchen natürlich die Wissenschaft, die Justiz und Andere, ein Vokabular zu schaffen, das möglichst für Alle gleiche Begriffe für Gesetze, Verträge, Aufsätze, Benennungen etc. ermöglicht. Dann haben wir zwar solche Begriffe, aber da sich das Leben weiter entwickelt, kommt es zum Veralten dieser Begriffe und zur Entfremdung von der Realität ähnlich wie das den religiösen Schriften, z.B. der Bibel und ihren Übersetzungen gegangen ist. Dann müssen die alten Begriffe wieder in die neue aktuelle Sprache übersetzt werden und sind damit doch wieder wandelbar, unterschiedlich verstanden etc. und müssen interpretiert werden. Deswegen gibt es ja Bibliotheken voll mit Gesetzes- und Vertragsauslegungen und Kommentaren. Sprache ist im menschlichen Gebrauch plötzlich uneindeutig, interpretationsbedürftig. Wenn man dann die langen Kommentare geschrieben und Andere sie gelesen haben, dann ist alles klar, oder?

Kennen Sie den Unterschied zwischen „Rätsel“ und „Geheimnis“? Ich suchte in verschiedenen Wörterbüchern und verglich. In vielen wurden sie weitgehend in der gleichen Bedeutung gebraucht. Manche versuchten, Unterschiede auszumachen. „Etwas unbekanntes...“ Jetzt könnte ich Ihnen ja schreiben, wie es richtig ist. Aber woran könnte ich messen, dass es oder meine Ansicht „richtig“ ist. Ich sage Ihnen also, was ich darunter verstehe und Sie werden das an vielen Stellen in den nächsten über tausend Seiten wieder finden. „Rätsel“ ist für mich etwas unbekanntes, wo ich eine Lösung finden kann, wo ich dann mit einer Vorlage vergleichen kann „Ja stimmt oder stimmt noch nicht.“ Letzteres heisst dann, weiter suchen bis zum Ziel. Ein „Geheimnis“ ist etwas, wo ich zwar Ansichten und Kenntnisse gewinnen kann, aber wo es gar keine Vorlage gibt, an Hand der ich überprüfen kann, ob ich „richtig“ liege. Es ist zwar sinnvoll, weiter nach neuen Kenntnissen zu suchen, aber es ist abzusehen, dass ich kein Ende finden werde, weil ich nicht überprüfen kann, ob oder wann ich die Lösung gefunden habe. Das Ziel ist für mich als Mensch gar nicht auffindbar. Sie werden eine Reihe Beispiele finden.

In den 1990iger Jahren versuchten die drei deutschsprachigen Regierungen die Sprache in ihre Gewalt zu bringen und zu vereinheitlichen und logischer aufzubauen. Es war eine Knorzerei, brachte einige Änderungen, aber kaum sinnvolle Vereinfachung und wurde später glücklicherweise wegen anderer Probleme vergessen. Vergessen nachzudenken.

Sprache ist nicht logisch aufgebaut, weil unser Leben gar nicht logisch ist und Sprache ist der Versuch, unsere unlogischen und sich widersprechenden Glaubensinhalte (wir halten sie für Wissen) miteinander zu teilen. Natürlich, unserem Selbstverständnis nach ist unser Leben logisch und Logik ist, wie wir denken. Aber ...

Es gibt keine exakte Sprache, auch wenn wir das mal ganz einfach so machen. Natürlich, unsere Macher bauen eine exakte Sprache zusammen und dann haben sie sie. Mit der Zeit wird die Exaktheit als Wunschtraum entlarvt sein. Natürlich gibt es auch da Menschen, die diese Entlarvung mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Dann gibt es aber auch wieder Menschen, die diese exakte Sprache in ihrem Interesse wunschgemäss auslegen. Schon ist alles wieder dahin. Es gibt immer als Mittel des Denkens und der Information. Sie werden das auch bei mir merken. Ich verwende manche Worte anders als Sie, weil in meinem Nachdenken ein Wort plötzlich neue Schattierungen, neue Sinnzusammenhänge bekommen hat. Sprache ist der Versuch, Theorie auszudrücken so nahe an der Realität wie möglich. Wir wissen aber gar nicht, was Realität ist. Sie entzieht sich uns. Wir müssen den Sinn und die Bedeutung der Wörter aus dem grösseren Zusammenhang erschliessen. Sie werden mir nicht immer folgen können, werden teilweise eigene Gedanken- und Sprachwege gehen. Das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott und/oder die evolutionäre Natur haben zwischen Sie und mich, zwischen die Welt und Sie und zwischen die Welt und mich, ja sogar zwischen sich selbst und Sie und auch mich eine Grenze gesetzt. Diese Grenze ist offenbar unüberwindbar und noch dazu undefinierbar, denn sie ist wie ein Graubereich. Diese Abgrenzung, Ihre Wahrnehmung dieser Abgrenzung macht Sie zu einem Ich, zu einer Persönlichkeit. Mit der Sprache nähern wir uns einander, so gut wir können.

Wenn ich von „Wissen“ spreche oder das Wort „Frau“ gebrauche oder gar das Wort „menschlich“, dann werden Sie merken, dass da für mich sehr viel mehr Sinn im Wort mitschwingt als für Sie oder als Sie im Lexikon finden. Das hängt damit zusammen, dass wir erstens Jeder anders denken und Sprache eine Art Übereinkunft ist, wie wir miteinander kommunizieren und uns verständigen wollen, dass aber zweitens auch beim Nachdenken viele Wörter viel mehr Sinngehalt bekommen. Wenn man sie nicht nur von der eigenen, von der einen Seite, sondern auch von der anderen, von der Seite des Anderen betrachtet oder sogar von der Seite der Allgemeinheit, dann können Worte zugleich den einen Sinn und den gegenteiligen Sinn haben. Das macht Nachdenken und Kommunizieren viel spannender, aber auch reichhaltiger, schwieriger, beschwerlicher als einfaches Denken. Wollten wir diese Mehrdeutigkeit umgehen, müssten wir viel mehr Worte prägen, Wortpaare von Sinn und Gegensinn. Wenn Persönlichkeiten nachdenken, die im Bilde gesprochen „Welle und Korpuskel zugleich“ sind, dann wird Sprache sowieso sehr relativ, sehr bezogen auf den Redenden und den Hörenden. Solche Kommunikation dann auch noch in maschineller Informationsverarbeitung angemessen abbilden und verarbeiten zu wollen, halte für schwer möglich. Lassen Sie uns da mit digitaler Verarbeitung sehr vorsichtig sein. Wir Menschen sind keine Maschinen. Wir kommunizieren nicht wie Maschinen. Sie werden beginnen müssen, in Zusammenhängen nachzudenken oder zumindest zu denken, um aus den Zusammenhängen die Bedeutung von Wörtern zu erfassen. Google oder Wikipedia werden Ihnen da nur sehr eingeschränkt weiterhelfen können und doch werden wir immer und überall nach Bedeutungen suchen müssen und dazu Suchmaschinen und Wikipedia nutzen.

Ein kleines Beispiel: Ein Guthaben auf dem Konto ist ein Plus, von der anderen Seite, von der Bank aus gesehen, aber ein Minus. Beide Seiten stecken in dem Betrag. Oder Sie graben der Mutter den Garten um. Für Sie bedeutet das Schwitzen, Arbeit und Schwielen an den Händen. Für Ihre Mutter bedeutet das, dass sie genau das nicht leisten muss. Vielleicht empfindet sie es sogar als Geschenk?

Viele unserer Wörter haben mehrere Bedeutungen und nicht selten beschreiben wir mit dem gleichen Wort konträre Sachverhalte, ohne es ironisch zu meinen. Ironisch kann man diese Bedeutungsvielfalt natürlich auch sehr schön benutzen (z.B. menschlich, Liebe, Gotteskrieger, …). Aber hier meinen wir es ganz überwiegend nicht ironisch. Vielleicht kann ich mich manchmal nicht bremsen. Dann werden Sie auch bei mir den Eindruck haben, dass ich etwas ironisch meine. Richtig ironisch wird es, wenn wir Ausdrücke oder Sätze in mehreren Bedeutungen sagen können. Dann dürfen Sie sich die Bedeutung aussuchen. Wenn Sie mich verstehen wollen, werden Sie aber alle Bedeutungen vor Ihrem geistigen Auge durchspielen müssen. Ich spiele auch mit der Mehrdeutigkeit, um uns das klar zu machen und damit Umgang zu üben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das jeweils merken. Ironie setzt den Anderen oder den Sachverhalt herab und in Gegensatz zur Realität. Wir merken plötzlich den Spannungsbogen. Damit kann man wunderbar Abende füllen. So etwas mag Publikum. Es lacht aus vollem Herzen bis die Tränen kommen. Es handelt sich ja fast immer um Andere, die da bloss gestellt werden. Danach weidet sich auch noch der Künstler daran, dass der Heruntergemachte es nicht aushält, dass er darunter leidet. Das ist auch der Grund für meine Angst, Ihnen den Spiegel vorzuhalten. Ich möchte Sie nicht heruntermachen, aber unseren Selbstbetrug, in dem wir jeden Tag leben, möchte ich uns schon klar machen.

Ich kündige einer Mitarbeiterin, weil wir zwar die gleiche Sprache sprechen, aber das Ergebnis oft entgegengesetzte Konsequenzen sind. So ist Zusammenarbeit schwierig. Unsere unterschiedlichen kulturellen Hintergründe führen zu unterschiedlichen Inhalten für Begriffe, Redewendungen, Ausdrücke, Kombinationen, sodass bei gleicher Wortwahl unterschiedliche Interpretationen oder noch schlimmer, unterschiedliche Verständnisse der gleichen Sätze herauskommen. Sprache ist kein eindeutiges Medium, auch nicht, wenn wir die Begriffe lexikalisch erfasst haben und die Inhalte für alle zwingend vorschreiben.

Auch in unseren Begrifflichkeiten steckt die Spannung des Seins und Scheins, von Welle und Korpuskel, von Mensch als Maschine und Persönlichkeit, von Menschlichkeit und Unmenschlichkeit, von Zivilisation und Übergenuss, …

Begriffe beinhalten oft auch die Distanz, den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Die Distanz zwischen beiden wurde in den letzten Jahrhunderten immer grösser. Seit uns Religionen, aber noch viel ausgeprägter nachreligiöse Philosophen, Ideale vom Menschen vorgesetzt haben und uns auf den Marathon „Werde Mensch, dann bist Du Mensch“ geschickt haben, wird die Kluft für uns zwischen Theorie und Praxis, zwischen dem Ideal und unserem Leben immer grösser. Ich habe Zweifel, dass das unsere Welt immer besser macht. Das gehört zu unserem Selbstbetrug. (Für Diejenigen, die noch etwas von der Bibel verstehen: Das ist im Grunde leben nach dem Alten Testament.)

Betrachten wir den Gebrauch des Wortes „sicher“ im Deutschen. Je nach dem das Wort gebrauchendem Menschen und den Erfahrungen mit ihm kann das Wort „Sicherheit“ ausstrahlen (Frage: Tust Du das? Antwort: Aber sicher doch!) Der gleiche Satz von einem als unzuverlässig erlebten Menschen gesprochen, lässt uns zweifeln. Ist das „sicher“ oder nicht vielleicht doch eher „unsicher“?

„Koexistenz“ benutzen wir als Begriff von Nebeneinander existieren. Oft bedeutet der Begriff, ohne wesentliche Beziehung (z.B. unter Staaten) und manchmal als Begriff mit Beziehung unter Menschen. Es gibt zwar Menschen (z.B. in der Schweiz), die darunter „in Beziehung miteinander leben“ verstehen, aber meist wird das Gegenteil darunter verstanden: Wir leben nebeneinander her mit möglichst wenig Beziehung zueinander. So sind wir in der Lage, Spannung abzubauen zwischen uns oder gar nicht erst entstehen zu lassen und „Frieden“ zu halten.

Wenn wir von „Wissen“ hören oder das Wort „Wissen“ lesen, werden wir in den meisten Fällen realitätsnäher sein, wenn wir das Wort durch „Ansicht“ ersetzen, vor allem bei uns selbst. Das hören Sie oder lesen Sie nirgends, dass am Wort „Wissen“ gehörige Zweifel angebracht sind. So verschieben sich die Bedeutungen je nach Sichtweise und auch wir werden das später noch an verschiedenen Stellen mit unterschiedlichen Interpretationen betrachten. Auch das wird spannend.

Heute spielt Gerechtigkeit eine enorme Rolle im menschlichen Zusammenleben und in der Organisation menschlicher Gesellschaft? Was ist damit gemeint? Haben wir uns mal eingehend damit beschäftigt, was „Gerechtigkeit“ sein könnte? Nicht, dass wir eigentlich von Neid auf Andere reden oder womöglich Gerechtigkeit im Sinne von Rache fordern? Ist das alles in Ihrer Schublade mit der Aufschrift „Gerechtigkeit“ mit drin oder vielleicht sogar nur das?

„Immer“ und „nie“ sind zwei oft gebrauchte Worte im Sinne entgegengesetzter Extrempositionen. Wenn wir allerdings ihren Gehalt an Realität oder ihre Nähe zur Realität hinterfragen, stellen wir fest, dass sie nur selten überprüft werden können. Sie gelten eigentlich nur in begrenzten Räumen kompletter Überprüfbarkeit. Wir gebrauchen die Begriffe gerne, weil sie einfach sind, weil wir bequem in Extrempositionen gleiten und verharren. Wir merken gar nicht, dass sie eigentlich eine Glaubensaussage darstellen (die oft gar nicht stimmt) und dass ihre Nähe zur Realität gering ist. Das hat enorme Auswirkungen. Schon ist die Polarisierung da, damit der Streit und wieder haben wir selbst den Frieden zerstört. Auf „immer“ und „nie“ sowie „Jeder“ und „Keiner“ haben wir aber eine ganze Weltanschauung aufgebaut. Das ist uns gar nicht bewusst. Wir benutzen diese Wörter, ohne zu wissen, was wir damit eigentlich sagen. Auch das wird uns später beschäftigen. Sprache ist eine sehr spannende Beschäftigung. Es ist völlig offen, was am Ende dabei herauskommt.

„Verlasse Dich nie oder immer...“ Beides stimmt nicht. „Nie“ soll man bekanntlich nie sagen. Meistens gibt es Ausnahmen und dann stimmt das „Nie“ gar nicht. Für „Immer“ gilt das Gleiche. Meistens hat man nur nicht genug nachgedacht, beweist eigentlich seine eigene Unfähigkeit zu realistischer Beurteilung. Beide Worte entsprechen meist dem weit verbreiteten Schubladendenken. Das aber ist ausser in der Küche meist recht unrealistisch. Am realistischten ist wahrscheinlich, wenn wir mit allen vier Möglichkeiten rechnen: „Nie“ und „Immer“ und mit allem, was zwischen beiden liegt. Da wir nicht wissen, was wir nicht wissen und damit auch nicht wissen, was unserer Ansicht entgegenstehen könnte, sollten wir auch mit einer zusätzlichen uns unbekannten Möglichkeit rechnen.

Mit der Sprache können wir auch verstecken spielen. Die Passivsprache ist eines der Mittel. „Es ist verboten!“ Darf ich fragen, wer da etwas verboten hat? Wer oder was verbirgt sich hinter „Es“? Amtliche Anordnungen werden gerne so veröffentlicht. Stecken hinter dem Amt keine Menschen? Das Amt ist eine Drittstruktur. Wir werden später noch darüber nachdenken. Aber es gibt viele Menschen, die selbst im Privatleben gerne das „Passiv“ benutzen und für manche Sprachen und damit Völker ist es sogar charakteristisch. Auch hier lohnte es sich, nachzudenken.

Ein „Es“, dass etwas verbieten könnte, habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Künstliche Intelligenz, so es sie überhaupt gibt, könnte hier vielleicht neue Tatsachen schaffen. Aber ich habe oft erlebt, dass Menschen direkt oder indirekt über Dreiecksstrukturen etwas verboten. Damit das Verbot einen allgemeinen Charakter bekommt und damit keine Rückverfolgbarkeit auf mich, den Verbieter möglich wird, gebrauche ich das „amtliche“ „Es“. Gibt es im Amt keine Entscheider, die das entschieden haben und daher auch verantworten müssen, also auf meine Frage „Warum“ antworten müssen? „Wir müssen leider …“, „Wir können nicht …“, tatsächlich? Oder verstecken Sie dahinter nicht das eigentlich richtige Wort „Wollen“? „Wir wollen nicht...!“ Warum versteckt sich der Entscheider? Lauter Ausreden? Denken wir darüber nach. Warum stellen wir uns nicht gegenüber und Du sagst mir „Ich will nicht, dass Du … Dann wissen wir Beide, woran wir sind. Ich kann Dich bitten, das Verbot zu überdenken und vielleicht zurückzunehmen oder ich schenke Dir, dass ich das Verbot einfach befolge. Das wäre doch menschlich, oder?

Sprache ist eine diffizile Angelegenheit. Sprache lernen wir zeitlebens, wenn nicht, dann sind wir weit entfernt davon, nachzudenken. Glauben wir besser nicht, einen Anderen verstanden zu haben und sich einem Anderen ausreichend verständlich gemacht zu haben. Es geht oft noch besser und am Ende kommt die transzendente Distanz, die Grenze zwischen ich und Du. Übertreibt Jemand, um anschaulich zu reden? Dann hinterfragen Sie sofort, warum und wie weit, denn wir wollen ja realistisch sein. „Wer übertreibt, redet anschaulich“ stimmt zwar, aber er begibt sich damit in Entfernung zur Realität. Die Realität ist, wie sie ist. Sie kann nicht übertreiben. Will der Andere Ihnen gar nicht Realität mitteilen? Hat er einen zweiten Zweck, Sensationslust zu wecken (damit spannend zu sein) oder will er Sie von seiner Meinung und Ansicht überzeugen und nimmt es deshalb mit der Realität nicht so genau oder will er, dass Sie sein Vorurteil glauben oder sogar übernehmen? Welches Gefühl beeinflusst sein Reden gerade? Was will er oder natürlich auch sie? Wer übertreibt, redet in mehr oder weniger grosser Distanz zur Realität. Nehmen Sie das bitte nicht so ernst. Sonst übernehmen Sie die Übertreibung.

Umgekehrt, wenn wir übertreiben, was wollen wir? Warum tun wir es? Die Wahrheit und die Realität sind in weiten Zügen deckungsgleich. Die Wahrheit wollen wir, aber die Realität mögen wir nicht? Die ist entweder zu spannend oder zu langweilig oder deckt unliebsame Tatsachen auf? Es lohnt sich, immer wieder darüber nachzudenken.

Was sage ich eigentlich mit folgenden Ausdrücken? Jemand schreibt oder erzählt eine Information. Ich entgegne „In Wahrheit aber ...“, „In Wirklichkeit aber ...“, „Tatsächlich aber ...“, „Die wahren Ursachen sind ...“? Gibt es zu einer Information offenbar zwei Ansichten, seine und meine? Wahrscheinlich wird es noch mehr geben, nur ich denke natürlich nur meine Ansicht. Aber woher weiss ich, dass meine Ansicht der „Wahrheit“ entspricht, die „richtige“ ist, ja die „einzig richtige“ ist? Ganz einfach: Seit meinem Trotzalter im 3. Lebensjahr habe ich Recht, völlig egal, ob ich Recht habe. Ich werde jetzt eine Diskussion oder sogar einen Kampf anfangen, damit meine „Wahrheit“ als die Wahrheit dasteht, denn ich habe ja Recht. Oder sehen Sie das etwa anders?

„Die Wahrheit ist ...“ Woher wollen wir das wissen? Viele erzählen uns Ihre Ansicht und erklären die zur Wahrheit. Wahrscheinlich darf ich beide nicht glauben?

Wenn Mann und Frau die gleichen Worte gebrauchen, sagen sie noch lange nicht dasselbe. Wenn Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, mit unterschiedlichen Körpern, mit unterschiedlichen Prägungen, Kulturen und Weltanschauungen die gleichen Worte benutzen, sagen sie sehr wahrscheinlich unterschiedliche Dinge. Das kann man auch nicht eben mal so durch genauere Definitionen oder durch Sprachen lernen ändern. Sprache besteht nicht aus Definitionen, sondern aus Inhalten. Sprache ist daher um ein Vielfaches gehaltvoller als Mathematik.

Sprache ist viel vieldeutiger und vielschichtiger als Mathematik. Man kann Sprache nicht folgenlos durch Formeln ersetzen. Wir brauchen Beides. Produzieren Sie mal eine Zahlen-Comedy oder -Satire. Doch, das geht. Sie brauchen nur absolute und relative Zahlen in Bezug auf eine Angelegenheit zu nehmen und in einen Topf zu werfen, durchzuschütteln und dann zu ziehen. Die gezogenen Zahlen betrachten Sie in Beziehung zueinander. Sie werden aus dem Lachen nicht wieder herausfinden. Aber Sie werden merken, wie nahe dieses Spiel an unseren täglichen Wahnsinn heranreicht. Dann wäre es allerdings auch möglich, dass Ihnen eher die Tränen (nicht die vom Lachen) kommen.

Wahrscheinlich gilt das auch umgekehrt? Wenn unsere Sprache gar nicht so gehaltvoll ist, dann ist unser Leben, unsere Persönlichkeit auch gar nicht so gehaltvoll? Das wird wahrscheinlich damit zusammenhängen, dass wir uns viel mit den Dingen beschäftigen, viel von Dingen beeinflussen lassen. Lassen wir Menschen, lassen wir Persönlichkeiten in unser Leben. Versuchen wir sie zu verstehen, dann auch mit ihnen zu kommunizieren. Wenn das nicht so einfach ist (womit wir zweifellos Recht haben), dann versuchen wir es immer wieder. So werden wir Persönlichkeit und überwinden unsere Verbrauchermentalität.

Noch einige Sprachgedanken, die unser Leben und Kommunizieren beeinflussen und über die es sich lohnt, nachzudenken, weil wir sie gedankenlos gebrauchen:

Was sagt es über Unterschiede in Sprachen oder im Selbstempfinden von Völkern aus, wenn im Englischen „I“ gross geschrieben wird, „you“ aber klein, dagegen im Deutschen aber „Du“ und „Sie“ gross geschrieben wird, „ich“ aber klein? Unüberlegt, wie wir Deutschen inzwischen sind, schaffen wir das Du und Sie langsam ab. Was hat das für Folgen?

Verschiedene Sprachen benutzen verschiedene Anreden, verschiedene Höflichkeitsformen und direkte Ansprache. Im Deutschen wurde sogar in den letzten Jahrzehnten vom Sie in vielen Fällen zum Du gewechselt. Verändert solch ein Wechsel unsere Gesellschaft? Ich fürchte, wir haben es erlebt, nur nicht bewusst wahrgenommen oder nicht bewusst Zusammenhänge untersucht, eventuell sogar begriffen. „Du“ und „Sie“ haben eine Bedeutung im Alltag, als Begrenzung von nah und fern oder besser nicht? Wie ist das mit „Fräulein“, wenn es in der Sprache fehlt oder in den Müll geworfen wurde? Was sagt das über uns aus? Wie verändert sich eine Gesellschaft, wenn sie „Du“ und „Sie“ variiert?

Dass namhafte Wissenschaftler und Politiker heutzutage glauben, man könne sprachlich jetzt alle gleichschalten über gleiche Definitionen, gleiche Masse und gleiche Massstäbe und gleiche Regulationen und dann werde das Leben besser, ist wohl eher ein Eigentor? Ich werde den Eindruck nicht los, dass da einfach gedankenlos Ziele verfolgt werden, ohne dass man vorher darüber nachgedacht hat, was auf diese Weise mit den betroffenen Menschen gemacht wird. Vorsicht! Auf diese Weise zerdeppern wir viel sehr wertvolles Glas, dass dann unwiederbringlich zerstört ist.

„Ehrlich gesagt“, heisst entweder „ich habe nachgedacht und die andere Seite der Medaille gesehen“ oder es heisst „ich urteile intuitiv, nach meinem Gefühl und damit ganz subjektiv, ganz ehrlich, damit aber auch ganz egoistisch“. Seien wir sehr vorsichtig mit Ehrlichkeit. Wer ehrlich mit sich selbst wird oder ist, wird entweder sehr frei von sich oder er wird selbstverliebt und egoistisch. Das Wort „ehrlich“ ist hoch explosiv, weil es beides enthält, die Ehrlichkeit und die Unehrlichkeit. Die Bedeutung des Wortes erschliesst sich nicht aus dem Gebrauch des Wortes, sondern durch den Kontext, durch die Lebensumstände, in denen es gebraucht wird, durch Deine und meine Persönlichkeit, wer das Wort gegenüber wem gebraucht. „Ehrlich sein“ kann das Eine und das Gegenteil bedeuten.

Sprache ist Kunst, nicht nur die der Künstler, sondern von Jedem, die Kunst, sich verständlich zu machen, sich mitzuteilen und die Kunst zu verstehen. In jedem Spannungsfall oder in jedem Zerwürfnis zwischen Menschen untereinander, zwischen Gruppen und zwischen Staaten stellt sich die Frage, ob wir die Kunst der Sprache, der Verständigung genug beherrscht haben oder eben nicht. Oft scheitern wir und sind enttäuscht, dass die Anderen uns nicht verstehen. Ist das wirklich deren Schuld oder ist das nicht einfach Menschsein, getrennt sein, zwei Persönlichkeiten sein? Wenn wirklich Schuld im Spiel ist, könnte auch bei mir Schuld liegen?

Wir haben heute viele Künstler, viele Kunstschaffende und das ist ja auch ganz schön. Wir können uns ja auch den Luxus leisten (oder doch nicht?). Aber was haben Die wirklich zu sagen, mitzuteilen? Was für Botschaften haben sie?

Kunst ist wie Sprache, der Versuch, den Graben zwischen Dir und mir zu überwinden und es geht doch nicht. Kunst ist der Versuch, Leiden, Angst, Freude, Schmerz, Trauer, Träume … zu teilen und es geht doch nicht.

Sie können Sprache so perfekt machen wollen, wie Sie sich das wünschen. Es gibt immer wieder Ausnahmen, Überlappungen, Ungenauigkeiten, gegensätzliche Verstehensmöglichkeiten, Sinn und Ironie etc. Selbst die hochdeutsche Sprache funktioniert nicht nach dem „Richtig und falsch-Prinzip“. Sie funktioniert nach verbeulter Gausskurve. Wer das verstehen will, muss in vielen Begrifflichkeiten, Ausdrücken und grammatikalischen Regeln umdenken. Staatliche Eingriffe in die Sprache ändern die Realität der menschlichen Sprache als Kommunikationsmittel gar nicht. Sie ändern nur die Sprache ein wenig.

Wer legt bei Sprache eigentlich fest, was „richtig“ ist? Gibt es überhaupt ein „richtig“ bei so viel Uneindeutigkeit, Mehrdeutigkeit, Differenzierung, Diversität, Individualisierung und Entwicklung? In der Schule „Sprache“ „richtig“ lernen und dann auch noch korrigieren und zensieren? Aber was, wenn Jeder spricht und schreibt, wie er will? In der Geschichte ist es in den meisten entwickelten Ländern einfach dazu gekommen, dass eine menschliche Gruppe oder sogar ein Einzelner mit Einfluss festlegte, was „richtig“ sein soll. Alle Anderen übernehmen das in ihr Leben. Wir „wissen“ nicht, was „richtig“ ist, sondern Jemand von uns hat festgelegt (definiert), was „richtig“ ist.

Sie werden auch in meinen Aufzeichnungen eine Menge „Fehler“ oder „Abweichungen von der festgelegten Norm“ finden. Teilweise sind sie einfach „Fehler“. Ich habe auch mit Sprache experimentiert und zwei oder drei abweichende Regeln festgelegt, nach denen ich schreiben wollte. Sie werden die Abweichungen sicher finden und vielleicht sogar die abweichenden Regeln finden können? Interessanterweise gelang es mir nicht, die Regeln durchgehend klar und abgegrenzt einzuhalten, weil es doch immer wieder Sachverhalte gab, die die Regel nicht für anwendbar oder mehrdeutig oder unzutreffend oder ausufernd auswies. Da wurde mir klar, warum Sprachregeln „Ausnahmen“ haben und warum der Versuch, diese Ausnahmen, die das Lernen der Sprache erschweren, einfach zu entfernen, misslingen muss. Ob unsere deutschsprachigen Regierungen das beim Versuch der Bereinigung der Sprache wussten? Sprache ist eben nicht mathematische Formel.

Sprache ist nicht fähig, Wirklichkeit zu werden; Bilder, Malereien etc. noch weniger. Deshalb ist Sprache nur Versuch und deshalb bekommen wir über Sprache keinen direkten Kontakt, weder zum Partner, noch zum Gegner, noch zu irgendeinem anderen Menschen, nicht einmal zu den Dingen. Der Sex ist die höchste Vervollkommnung der menschlichen Vereinigung und doch so endlich, so verletzlich. Sprache kann das auch, aber viel weniger. Trotzdem sind Sprache und Bilder natürlich auch Wirklichkeit.

Kunst ist Darstellung in vielerlei Hinsicht, optisch, akustisch, literarisch, körperlich … In einer ersten Ebene ist Kunst einfach nur Darstellung von und aus sich selbst und vielleicht überhaupt sich selbst. Da ist vieles möglich und wir müssen es nicht bewerten. Jeder kann, wie er kann und will. In der 2. Ebene wird Kunst zur Kommunikation zwischen Künstler und Adressaten. Jetzt muss sich der Künstler auf den Adressaten einstellen, muss eine Botschaft haben, muss den Adressaten abholen, mitnehmen, die Botschaft rüberbringen und bekommt vielleicht eine Antwort. Bis auf diese Ebene kommen nur wenige Künstler und je nach Kunstform ist das auch leichter oder schwerer. Auch Sprache ist Kunst. Mitteilen, so dass Verstehen entsteht, ist hohe Kunst. Die ist nicht selbstverständlich und braucht Lernen und Üben von beiden Seiten. Kunst ist Darstellung, Ausdruck, Selbstverwirklichung und kann zu Kommunikation werden.

Früher lernten wir in der Schule Texte interpretieren, weil wie sie nicht 1:1 als wirklich übernehmen können.

Was Künstler aber wohl leider immer wieder von sich glauben und doch immer wieder nicht können, ist die Welt zu verändern oder gar besser machen. Künstler verändern die Welt und sie bleibt doch die selbe.

Bilder lügen fast immer. Für wahr halten dürfen wir sie nicht. Aber trotzdem können sie Botschaften tragen und übermitteln.

Wir reden bei vielen Begriffen sozusagen in Metaphern, weil wir das Wesen des Dings und noch mehr der Lebewesen an sich gar nicht erfassen. Metaphern sind keine Beweise, nur Analogien zum Verstehen. Realität ist anders (ausser vielleicht in der theoretischen Mathematik und Physik).

Wer realitätsnah oder realistisch in seinen Ansichten und seiner Sprache werden will, der meide Superlative, meide „immer“ und „nie“, meide „besser" (als gut). Professionell klingt für uns alles das, was nach Objektivität aussieht oder klingt. Deshalb gebrauchen wir das Passiv und machen Anleihe an grössere und Superlative und und und. Ist nicht genau das Gegenteil der Fall?

Wir reden und schreiben und bezwecken damit etwas. Also wandeln wir den Text ab, damit er auch angemessen herüberkommt. Wir betonen etwas, stellen etwas anderes an den Rand und übertreiben stellenweise, um den oder die Anderen mit der Nase darauf zu stossen. Somit stimmt der Text mit der Realität schon wieder nicht mehr überein. Die/der Andere muss das nun auch wissen, um den Inhalt realitätsnah einschätzen zu können.

Wenn wir Biographien schreiben oder lesen, dann sind es entweder Autobiographien oder durch einen Zeitgenossen oder Historiker geschriebene. Alle schauen durch gewisse Brillen bzw. mit einem bestimmten Weltbild, mit Vorurteilen. Der Autobiograph wird dazu neigen, sein Leben so darzustellen, wie er sein Leben selbst sieht, wahrnimmt und er möchte, dass spätere oder andere Erdenbürger ihn auch so sehen. In den seltensten Fällen wird er lange über sich selbst nachgedacht und sich in Frage gestellt haben. Andere Biographen wissen viele Einzelheiten nicht. Sympathie oder Antipathie werden Einfluss auf die Schreibweise nehmen. Bekannte Tatsachen werden über- oder unterbewertet. Eine Biographie wird in den seltensten Fällen stimmen, sondern kann nur mehr oder weniger der Realität des gelebten Lebens nahe kommen. Behalten wir genug (Selbst-)zweifel.

Viele unserer Wörter und Ausdrücke formulieren wir als Ideal oder Über- und Untertreibung. So kommen sie ins Wörterbuch und in Wikipedia. Gebrauchen müssen wir sie aber real und wir verstehen sie als reale Beschreibung. Das ist aber oft etwas ganz Anderes. Qualität sehen wir als Ideal, das es zu erreichen gilt und auch nach unserer Ansicht selbstverständlich zu erreichen möglich ist. Nur die Anderen schaffen das nicht. Deshalb müssen wir es Denen mit viel Kontrolle, Gesetzen und Bürokratie beibringen. Nach der Gausskurve wäre Qualität ganz woanders zu finden als nach der reinen Steigungskurve jedweder Form.

Von uns beabsichtigte Verbesserung der Qualität durch Gesetze oder andere Massnahmen bessert nicht immer die Qualität, auch wenn Wissenschaftler die Gesetze oder Massnahmen formulieren und verantworten. Wir sehen das an vielen Stellen bei der EU und z.B. bei der „therapieallergischen Verordnung“ (Da viele Allergene nicht mit der gewünschten Qualität verwendet wurden, wurden Qualitätskriterien aufgestellt. Für manche Allergene war das kein Problem bei der Produktion und deren Qualität verbesserte sich. Bei anderen Allergenen ging das nicht so einfach, verursachte dem Produzenten mehr Kosten als es Nutzen erbrachte und so verschwanden viele dieser Therapien aus dem Markt.). Ob die Qualität an der einen Stelle wirklich den Mangel an der anderen Stelle aufwiegt, ist schwer klar zu beurteilen. Klar hat Jeder aus seiner Sicht eine Meinung, aber wie wollen wir sauber deren Richtigkeit feststellen?

Seien wir vorsichtig beim Lesen alter Schriften, gleich welcher Kultur und Religion. Die Sprache ist eine ganz eigene ihrer Zeit. Die Bedeutung der Wörter lag im Kontext des damaligen Lebens wahrscheinlich anders als heute. Selbst wenn wir heute die gleichen Begriffe benutzen, ist noch lange nicht gesagt, dass die Bedeutung im täglichen Leben damals die gleiche war. Wir verstehen es heute, wie es uns passt, so wie es uns lieb ist. Wir haben gar keine Kriterien für „richtiges“ Verständnis ausser unseren eigenen Vorurteilen. Können unsere Vorurteile überhaupt das Kriterium sein?

Die evolutionäre Natur und/oder das leblose allgemeine Sein und/oder der lebende Gott waren grosszügig bei der Vergabe von Fantasie an uns. Das ging aber auf Kosten unseres Realitätsbezuges. Das sehen wir heute bei Kinderbüchern, Kriminalromanen, historischen und in der Zukunft spielenden Berichten, wissenschaftlichen Theorien, Romanen und anderen Buchgattungen, Filmen und ganz extrem seit Beginn der Digitalisierung. Nun finden wir uns gar nicht mehr zurecht im grossen Raum von Traum oder Theorie und in unserem tatsächlichen Leben in der Wirklichkeit. Wir haben einen grossen Realitätsverlust erlitten in unserer Entwicklung von Kultur, Bildung, Forschung und Technik, sind aber selbst gar nicht in der Lage, diesen enormen Verlust wahrzunehmen, weil wir gar nicht wissen, wie Menschsein unter anderen, früheren Bedingungen über 100000 Jahre tatsächlich war. Sind wir Menschen nicht längst ein künstliches Produkt unserer eigenen verwirklichten Fantasie?

Gerade viele studierte Leute schreiben viel dummes Zeug, interessanterweise Frauen heute nicht weniger als wir Männer. Möchte-gern-Männer wollen uns Männer ja sogar noch überholen (Meine Beobachtung. Sie sehen das natürlich völlig anders.).

„Moderne“ Namensgebung und Sprache versucht, durch Nichtbenennung (z.B. N-Wort), etwas, was ist, nicht mehr sein zu lassen. Ähnliches passiert in Peking mit den Ereignissen von 1989 und in anderer Weise an vielen Orten auf dieser Erde. Was nicht mehr benannt wird, wird nicht mehr gedacht und dann existiert es auch nicht mehr. Ob das wohl klappt? Ist das nicht ein gutes Beispiel für unser Vogel-Strauss-Benehmen der 3- bis 5-Jährigen?

Früher schrieben grosse Denker wie z.B. Herr Friedrich Schiller als Titel ihrer Texte: „Versuch über ...“. Heute schreiben viele Dummköpfe in allen verfügbaren Medien „Alles, was Du schon wissen wolltest über ...“. So, so?

Was wird sich durch nachdenken ändern? Wir werden ein Gefühl dafür bekommen, wie relativ, wie unfertig, wie wenig Wissen unser „Wissen“ ist. Wir werden vor allem unsere vielen Vorurteile in Frage stellen, mit denen wir doch aber leben müssen, denn wir können nicht ohne Vorurteile leben.