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Interessante Bücher (01/2023)
Nun gibt es ja bereits Millionen (oder vielleicht schon Milliarden?) Bücher. Wie viel „Müll“ ist also in den letzten Jahrhunderten geschrieben worden? Wie können wir „Müll“ von „Nachdenkenswert“ trennen? Ich fürchte, es geht nicht. Ich entdeckte auch, dass im Nachdenken viele Bücher, die wir wahrscheinlich sogar gemeinsam als „Müll“ bezeichnen könnten, doch zu sehr interessanten Gedanken und vielleicht sogar zu Einsichten, jedenfalls zu veränderten Ansichten führten. Wir wagen trotzdem die Begrenzung auf ganz wenige.
1.
Dan Ariely: Die halbe Wahrheit ist die beste Lüge
Wie wir andere täuschen – und uns selbst am meisten
Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel und Maria Zybak
Droemer-Verlag, 2012.
Der amerikanische Professor erzählt von vielen Studien, die zeigen, wie sich unsere moralischen Grundsätze ändern lassen und beeinflussen lassen und wie zumindest Studenten (die er und seine Kolleginnen und Kollegen meistens als Probanden benutzten) sich mit ihren moralischen Entscheidungen darauf einstellen und anpassen.
Wir können diese Ergebnisse sehr wahrscheinlich auf viele unserer eigenen Entwicklungen und Entscheidungen übertragen, können sie wahrscheinlich mehr oder weniger auf viele Entwicklungen in unserer Gesellschaft ebenfalls anwenden und wahrscheinlich werden sie auch in der Geschichte unserer Gesellschaften in den letzten Jahrhunderten eine grosse Rolle gespielt haben. Natürlich gilt das immer nur für die Anderen, denn wir selbst haben ja „immer schon gesagt“ und haben uns nicht geändert, sondern sind uns selbst treu geblieben.
Spielen Sie mit den geschilderten Resultaten und Ihrem eigenen Gedanken- und Gefühlsgebäude.
Ich habe wieder ein bisschen gespielt:
Wenn wir heute Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi (russischer Dichter, 1828 – 1910) fragen würden, wie er unsere Lebensweise heute im Vergleich zu damaligen Lebensweisen beurteilen würde, dann würde er unsere Lebensweise wahrscheinlich als genauso dekadent betrachten wie die der damals als dekadent betrachteten oberen 1000. Aber da wir heute in der Masse so leben, ist sie natürlich unserer Ansicht nach nicht mehr dekadent, sondern normal. Nun ist die Lebensweise der jetzt oberen 10000 dekadent. Ein enormer moralischer(?) Wandel in weniger als 150 Jahren.
Noch vor hundert Jahren war Abtreibung schwer möglich und gefährlich und auf jeden Fall verachtenswert. Heute ist das Recht auf Abtreibung (möglichst auch noch ohne jede Kosten) so selbstverständlich, dass wir von einer langsamen Kehrtwende unserer Ansichten und unserer Moral innerhalb von 100 Jahren um 180 Grad reden müssen. Damit möchte ich keine Wertung der Beurteilungen abgeben, sondern nur die Tatsache, dass es so ist, offenlegen.
In Ihrem eigenen Leben erleben diesen Drift sehr viele. Sie brauchen nur sich selbst zu beobachten. Sie sind wahnsinnig verliebt in die/den Andere(n). Zwei Jahre nach der Hochzeit ist Ihre Liebe abgekühlt, nichts mehr davon da. Sie haben also eine 90 Grad-Wendung gemacht. Noch drei Jahre später hat sich Ihre Einstellung noch einmal um 90 Grad gedreht und Sie sehen keine andere Möglichkeit mehr. Sie müssen sich scheiden lassen.
Wer also unsere Gesellschaft mit offenen Augen betrachtet, findet überall solche Drifts unserer Urteile und Beurteilungen und da ist die Moral nicht ausgenommen.
Man muss ja geradezu die Frage stellen, ob man dazu wirklich Wissenschaftler sein muss, ob man dazu teure Unis und teure Studien braucht, um so etwas herauszufinden? Es ist ja ganz nett, dass er uns unsere schon lange gehegte Beobachtung noch einmal auf andere Weise bestätigt. Aber hat er uns wirklich etwas Neues berichtet? Nun hat er uns ein paar Zahlen genannt, aber die gelten offenbar auch nur in seinem untersuchten Beispiel, denn mit den paar Prozent Abweichung der Moral die er fand, kommt man nicht auf 90 oder gar 180 Grad, wie in unseren Beispielen. Die Schulden für diese staatlichen Kosten hätten wir unseren Kindern auch ersparen können.
2.
Dr. Chris Niebauer: Kein Ich, kein Problem
Was Buddha schon wusste und die Neuropsychologie heute bestätigt
Übersetzt von Astrid Ogbeiwi
VAK Verlag, 2020
Es wird erzählt von schwerkranken Epilepsie-Patienten, denen man in den 1960iger Jahren als Therapieversuch die Nervenbahnen zwischen beiden Hirnhälften durchtrennte. Man fand erstaunliche Phänomene, die uns unsere eigene Funktionsweise zu einem Teil besser verstehen lehren.
Die Forschungsergebnisse kann man in ganz verschiedene Richtungen deuten. Da gehe ich nicht mit allem im Buch mit. Mich beschäftigte mehr die Frage, wer wir denn eigentlich sind. Wie wir uns unser Ich materiell denn vorstellen könnten oder müssten, wo und wie unser Denken und Nachdenken, unsere Entscheidungen etc. zustande kommen. Kann die Wissenschaft diese Fragen überhaupt klären? Welche Vorstellungen müssten wir uns machen, damit wir überhaupt wissenschaftliche Methoden anwenden könnten? Wie weit reicht unser menschliches Sein in Form von Körper, Wahrnehmung und Denken? Sind wir ein abgegrenztes Ich, das tatsächlich in der Lage ist, sich vor äusseren Einflüssen zu schützen und wenn ja, wie?
3.
Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur
Penguin Random House Verlagsgruppe FSC, 2015
deutschsprachige Ausgabe 2016 im C. Bertelsmann-Verlag, München
Alexander von Humboldt reiste um 1800 durch Süd- und später Nordamerika. Er war nicht der Entdecker und auch nicht der Eroberer. Er entdeckte Amerika sozusagen im zweiten Gang, im Tiefgang und unter ganz anderem Blickwinkel als die früheren vor ihm.
Es hatte sich an vielen Stellen in Europa, Nordamerika und an wenigen Stellen auch ausserhalb das Interesse an der Umwelt ausgebreitet. Auch vorher musste dieses Interesse vorhanden gewesen sein. Sonst hätten Menschen nicht in ihr über hunderttausend Jahre leben können. Die Sichtweise hatte sich geändert. A. v. H. begriff die Umwelt neu als eine Art riesiges Ökosystem und nannte sie „Natur“. Viele Forscher waren äusserlich und innerlich noch in kirchlichen Denkmustern gefangen. Andere hatten sich freigeschwommen oder waren gleich in die Opposition gegangen. Es öffneten sich riesige Räume von Umgebung, teils nur in Form von Materie, teils mit jeder Form von Lebewesen gefüllt. A. v. H. hatte das Glück einer reichen Erbschaft und einer ausreichenden äusseren und hohen (vielleicht auch übertriebenen?) inneren Freiheit.
So erkundete er die Natur mit allen Sinnen, erweitert um die ihm zur Verfügung stehenden Messmethoden. Er kartographierte, mass, definierte, zeichnete, sammelte, … Es wurden jede Menge von Ansichten aller Art gesammelt, die die Selbstbewussten (zu denen er gehörte) auch gerne als „Wissen“ präsentierten.
Die „Natur“ bekam fast einen magischen Charakter, den Charakter eines Du, eines Gegenübers, begreifbar und doch nicht begreifbar. Er hat sehr wesentlich auch unsere Beziehung zur Natur geprägt.
Er fand damals schon auf seinen Reisen viele Schäden, die die Menschen bereits in ihrer Umwelt angerichtet hatten im Wunsch, dort wohnen zu können und sich Bequemlichkeit zu verschaffen, Sicherheit und ein langes Leben.
Frau Wulf beschreibt Alexander von Humboldts Leben, seine Reisen und Arbeiten sehr anschaulich und dicht, mit Empathie und Kraft. Das Buch hinterlässt einen tiefen Eindruck.
Mir stellen sich in diesem Zusammenhang eine ganze Anzahl von Fragen:
Eine davon ist:
Frau Wulf ist sicher so etwas wie eine Powerfrau. A. v. H. war ein Powermann ohne gleichen. Wie nahe schafft eine Autorin oder ein Autor die Atmosphäre zu zeichnen, in der die Gesellschaft damals lebte, sodass wir auch die Gefühlswelt als Basis für das damalige Lebensgefühl und in diesem Fall für das Umweltverständnis realitätsnah verstehen? Können wir das von damals nachempfinden oder ist völlig klar, dass wir nur ein entfernt ähnliches Bild bekommen können? Wie viel Interpretation und Abwandlung durch heutiges Erleben steckt gleich mit im Buch? Könnte es sein, dass sehr engagierte Menschen solche Verhältnisse in ihren Büchern auch völlig überzeichnen und damit unser Verständnis für diese Zeit unrealistischer machen?
Ein anderer Fragenkreis ist das Verhältnis von uns Menschen zur Umwelt:
A. v. H. beschreibt die vom Menschen verursachten Umweltschäden. Natürlich verursachten die Anderen die Schäden, die Menschen, die schon zuvor da waren, die, die dort wohnten, lebten, Gewinne suchten für die Angehörigen zuhause und für sich selbst. Er war nur ein Einzelner (bzw. eine kleine Gruppe). Verursacht ein Einzelreisender keine Schäden, wenn 1000 oder gar 100000 Einzelreisende deutliche Schäden anrichten? Die Schäden verursachen immer die Anderen, ich doch nicht, selbst wenn ich mit Tausenden von Wechselpferden mehr als 10000 km per Kutsche durch Russland jage.
Wissenschaft ist immer gut. Da gibt es keine Frage. Sie verursacht keine Schäden. Sie schafft nur Nutzen. Sollten wir nicht auch da mal Fragen stellen?
Mir sind da gleich wieder eine ganze Reihe von Fragen gekommen. Johann Wolfgang von Goethe hatte sich ja übrigens als Zeitgenosse und Freund von A. v. H. dazu etwas überlegt und uns das auch ganz offen überliefert. Er war ein Bewunderer von Alexander von Humboldt, dachte aber offenbar mehr nach, wenn er die unbändige Wissenssucht von uns Menschen nicht nur als Segen für uns Menschen begriff, sondern auch als Fluch. Seine geradezu prophetischen Aussagen werden die gebildeten Menschen der letzten 200 Jahre millionenfach konsumiert haben, ohne daraus irgendwelche sinnvollen Konsequenzen gezogen zu haben (Ja, wahrscheinlich nicht einmal selbst nachgedacht zu haben). Dabei dürften Wissenschaft und in der Folge Technik eben diese Schäden ermöglicht haben, die wir heute mit der gleichen Wissenschaft und Technik wieder beheben zu können glauben. Können wir uns denn vorstellen, dass eine Lebensweise ohne all die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften unserer Tage auch nur allein den Klimawandel verursacht hätte? Wohl eher nicht, oder?
Unsere Welt wird sicher besser, wenn wir der ersten Selbsttäuschung noch eine zweite hinzufügen und so weiter leben wie bisher?
Vielleicht hatte Johann Wolfgang von Goethe Alexander von Humboldt von den Ergebnissen seines Nachdenkens gar nichts mitgeteilt? Nehmen wir die Erkenntnisse beider Männer zusammen, werden wir wohl davon ausgehen müssen, dass 12.00 Uhr bezüglich der irreversiblen Schädigung unserer Umwelt offenbar schon mindestens vor 200 Jahren war. Und da kommen ja nicht nur das CO2 und der Klimawandel in Betracht. Das dürfte wohl nur eine stark vereinfachte, eben eine wissenschaftliche Betrachtungsweise sein. Der Schaden wird wohl viel komplexer und eben bereits vor 200 Jahren irreversibel gewesen sein. Dann müssten wir heute an diese Tatsachen mit einem ganz anderen Ansatz herangehen? Jetzt sind nicht nur unser Weltbild, sondern auch unser Menschenbild und falls es so etwas gibt, auch unser Gottesbild gefragt.
Zu all diesen Fragen haben sich aber weder Alexander von Humboldt noch Frau Wulf geäussert. Darüber nachdenken müssen wir selbst.
4.
Fritz Baade: Der Wettlauf zum Jahre 2000
Union Verlag Berlin, 1960 oder spätere Auflagen
Meines Wissens bekommen Sie das Buch nur antiquarisch. Ich habe es Ende der 1960iger Jahre gelesen und erinnerte mich im letzten Jahr seiner. Über das ZVAB (Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher) konnte ich es in Deutschland sehr leicht und preiswert bestellen und mir zuschicken lassen.
Fritz Baade erklärt die Aussichten der Menschheit aus wissenschaftlicher Sicht Ende der 1950iger Jahre bis zum Jahr 2000. Damals lag das Jahr 2000 noch so weit weg. Würde es uns Menschen im Jahr 2000 noch geben? Unter welchen Bedingungen würden wir dann leben? Chancen (und Risiken) der gemeinsamen Anstrengungen für die Schaffung einer besseren Welt.
Er war diesbezüglich sehr optimistisch. War das der Optimismus eines Nachkriegsneuanfangs? Saurer Regen, CO2 und Klimawandel und andere Gefahren und Krisen waren offenbar selbst in der Wissenschaft noch kein Thema, als Idee vielleicht noch nicht einmal geboren? Vergleichen wir die Ansichten von damals und unsere Ansichten von heute. Die Wissenschaftler von damals glaubten genauso wie unsere Wissenschaftler heute, zu wissen, wie die Welt funktioniert. Sie mussten und müssen nur das Puzzle zusammensetzen, um das Bild komplett zu machen und dann wird alles gut. Welche Anteile unserer von uns als Wissen geglaubten Ansichten werden sich in 60 Jahren als falsch, als Halbwahrheit oder doch als realitätsnah erwiesen haben?
Würden Sie heute noch seinen Optimismus teilen?
Es ist leicht zu lesen. Ein Einblick in uns fremde, frühere Denkweisen, die uns manche heute bestehenden Verhältnisse leichter verstehen und einordnen lassen.
5.
Jaroslav Hasek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Volmedia GmbH, Paderborn, ISBN 3-938478-00-4
Es ist ein etwas eigenartiges Buch. Jaroslav Hasek führt uns im Alter von knapp 40 Jahren (und trotzdem ist es sein letztes Buch, dass er nicht einmal mehr vollenden kann, weil er früh stirbt) in die Welt des ersten Weltkrieges im Osten Europas. Wir erleben Kriegswirren, die Welt der Soldaten, aber auch der Zivilisten, der Männer und Frauen, der Bürokratie, des Militärs … Leben eben, so wie es vielleicht war? Wenn es so war, dann ist es mir fremd und erscheint oft dumm, gewollt und überzeichnet von Herrn Hasek oder tatsächlich so? Ich habe damals nicht gelebt. Ich kann es nicht beurteilen.
Die Realität war offenbar schon immer schwierig zu ertragen. Eigentlich ist unsere Realität heute wahrscheinlich so viel bequemer und leichter, dass wir sie mit Leichtigkeit ertragen können müssten. Warum kämpfen wir dann noch immer für Freiheit, Gleichberechtigung, Toleranz, gegen die Armut, für Wohlstand, kurz für alles Mögliche und eine bessere Welt? Haben wir sie nicht eigentlich längst erreicht, vielleicht unbemerkt schon wieder hinter uns gelassen?
Was mir auffiel, war die Häufung von Glücksspiel unter den Männern. Offenbar war das selbst Erarbeiten des Wohlstands, den man sich wünschte, extrem schwer, ermüdend, erschöpfend und wenig erfolgreich. Glück im Spiel wäre da doch eine willkommene Lösung?
Immer wieder erleben wir das Glücksspiel mit und einmal, etwa nach dem ersten Drittel des Buches erleben wir eine Männerrunde, die das Glücksspiel auf die Spitze treibt. Es werden nicht nur alle Einkünfte, alles besessene Geld, sondern der eigene Besitz, die eigenen Bediensteten und jede Menge Darlehen verwettet. Nur, das Glück kommt nicht. Was passiert dann?
Es ist eine Entwicklung, die mich sehr an unsere heutigen Börsen erinnert. Die Börsen sind ja eine besondere Form von Glücksspiel. Wir glauben, gegen das Glück (gar nicht wissend, wer oder was das Glück ist oder bestimmt) zu spielen und hoffen und wünschen uns, dass es uns doch wenigstens zu etwas mehr als 50 % der Spiele ein Plus bringt. Dann bliebe am Ende ein Plus übrig und wenn wir lange, lange, lange spielten, dann würde das auch ein grosses Plus geben, eins, das uns und unserer Familie zu Wohlstand und einem leichten Leben verhilft. Glück, das wäre es doch, oder?
In unserer Realität spielen aber die grossen Finanzhäuser und Finanzverwalter gegeneinander und gegen Staaten, zu denen wir ja auch alle gehören. Da gibt es ja keine evolutionäre oder natürliche oder göttliche oder überirdische Bank. Es wird gegeneinander gespielt und des Einen Glück ist des Anderen Pech. Und es gibt Gründe, annehmen zu müssen, dass das Glück in aller Regel mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit als 50 % kommt. Das ist ja Pech! Dann ist Glücksspiel gar kein Glücksspiel, sondern Pechspiel? Es merkt nur gar Keiner? Doch, die Männer in dem Buch haben es gemerkt, immer und immer wieder und wurden trotzdem nicht schlauer.
Wie es ausgeht, lesen Sie im Buch. Wie es in unserem Weltgeschehen ausgehen wird, werden wir oder unsere Kinder erleben. Ich fürchte, es könnte dem damaligen Geschehen sehr ähnlich sein. Nur damals war es eine Runde von Männern, von Spielern in einem Ort. Heute geschieht das Spiel in allem Ernst vernetzt über die ganze Welt. Ob unsere Akteure heute wohl schlauer sind oder wenn schon nicht sind, dann hoffentlich werden? Ob das wohl den Führern der führenden Geldinstitute der Welt, wie Herrn Larry Fink oder Herrn Sergio Ermotti oder den Führern der amerikanischen führenden Banken und Vermögensverwalter und Anderen als mögliche Entwicklung klar ist? Und falls dieses System tatsächlich ähnlich enden sollte, wer sollte den Schutt hinterher wegräumen und den darum herum lebenden Menschen wieder eine Möglichkeit zum Leben eröffnen? Ob das wohl den Finanzministerinnen und Finanzministern wie Frau Karin Keller-Suter und den anderen der führenden Finanzländer sowie den Führererinnen und Führern der National- und Internationalbanken, wie Frau Christine Lagarde und Jerome Powell und anderen bewusst ist? Wir Männer müssen unsere selbst eingebrockte Suppe auslöffeln. Leider müssen es die Frauen und sogar die Kinder mit und die nun in Führungspositionen steckenden Frauen erst Recht.
6.
Johann Wolfgang von Goethe: Faust – Der Tragödie Erster und Zweiter Teil
Im Himmel singen die Engel. Der Herr ist da und auch Mephistopheles, der Teufel.
Mephistopheles erklärt dem Herrn, das Leben der Menschen auf Erden sei so erbärmlich.
Der Herr fragt, ob er Faust kenne, seinen treuen Diener.
Da fragt Mephistopheles, ob er ihn verführen dürfe und der Herr gestattet es ihm solange Faust auf Erden sei.
Mephistopheles äussert sich ganz sicher, dass er Erfolg damit haben werde.
Faust zieht los, Geister beschwörend, Ostern erlebend, das Leben der jungen Leute, der Bauern...
Über Gott und die Welt nachdenkend kommt er immer wieder zu der Erkenntnis seiner erkennenden und geistigen Begrenztheit. Das Volk, das sich um Erkenntnis und Wissen nicht kümmert, sondern in viel Arbeit und seltenem Vergnügen lebt, erlebt er als glücklicher als sich selbst.
Der Teufel besucht Faust in seinem Studierzimmer. Er bietet sich Faust als Diener an und Faust willigt in den Pakt ein: „ Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Dann will ich gern zugrunde gehn!“ (Ob Faust überlegt hat, was er das sagt?)
Nun führt der Teufel Faust durchs Land und zeigt ihm lustige Gesellen in Auerbachs Keller in Leipzig. Der Teufel lässt Wein aus einem Tisch sprudeln. Verwirrung, Schlägerei. Eine Hexenküche.
Faust lässt sich vom Teufel Grete verführen und sich mit ihr verkuppeln.
Grete verliebt sich grenzenlos in Faust und verzweifelt doch an dieser teuflischen Beziehung.
Der Teufel verführt Faust Gretes Bruder beim Fechtkampf zu töten. Gretchens Mutter und frisch geborenes Kind kommen um. Sie wird wahnsinnig. Sie wird als Verbrecherin in den Kerker geworfen.
Der Teufel und Faust fliegen zu den Hexen an Walpurgis in den Harz.
Zurückgekehrt will Faust Gretchen aus dem Kerker retten. Ob er sie liebt, weiss ich nicht. Es ist wohl eher Mitleid? Der Teufel besorgt Schlüssel für den Kerker und die Ketten, aber Gretchen weiss um ihre Schuld, erkennt den Geliebten, aber empfindet seine Gefühlskälte und empfindet die Nähe des Teufels. Sie lässt sich nicht retten. Faust verlässt sie mit dem Teufel. Das Ende ist eine Stimme aus dem Himmel, dass sie trotz ihres schlimmen Endes gerettet ist.
Im zweiten Teil der Tragödie führt Mephistopheles ihn an den Hof des Kaisers, noch einmal nach Walpurgis und in die griechische Götterwelt. Am Ende wird auch Faust dem Teufel entrissen und er beugt sich Gott und wird gerettet.
Eigentlich wollte ich Ihnen empfehlen, Faust selbst zu lesen. Aber da wird es für uns komplizierter. Da treffen wir auf die neue Dimension, die der Zeit, die der Geschichte. Die griechische Götterwelt ist uns fremd, ist auch mir fremd. Ich habe keine Ahnung, was es uns heute nutzen sollte, sie zu kennen und zu verstehen und womöglich in ihr zu leben. Sie ist eben weit zurückliegende Geschichte einer anderen Zeit. Den zweiten Teil der Tragödie zu lesen, kann ich Ihnen daher nicht empfehlen. Meines Erachtens ist es schlichtweg nutzlos, vertane Zeit. Die Nachricht, dass es mit Faust bei Mephistopheles böse endet und es der Befreiung durch Gott bedarf, kann und soll uns reichen.
Beim ersten Teil tauchen wir ein in eine uns auch fremde Welt, aber sie ist nur 200 bis 300 Jahre zurückliegend. Die Handlung ist eingebettet in eine Vorstellung, entlehnt aus Bildern des Christentums. Faust studiert wie Wissenschaftler es tun, aber er erlebt auch menschliches Leben und er nimmt auch seine eigenen Begrenzungen wahr und macht Bekanntschaft mit dem Bösen.
Bei Johann Wolfgang von Goethe erlebt Faust die ganze Bandbreite des Lebens und wird vom Leben (und dem Teufel) geradezu überrumpelt. Dieser Fülle von Eindrücken, Gefühlen, Erkenntnissen wird er nicht Herr, sondern diese Fülle beherrscht ihn, vom Teufel ganz zu schweigen.
Nun ist für uns heute der Teufel ja keine reale Figur mehr. In unserem Weltbild gibt es ihn gar nicht. In Johann Wolfgang von Goethes Weltbild gab es ihn noch. Wir heute erleben das Böse nur in den anderen Menschen, in uns selbst natürlich nicht. Wir sind ja gut, die Guten.
Seit der Zeit von Johann Wolfgang von Goethe und Alexander von Humboldt (beide waren ja Zeitgenossen und kannten sich und waren wohl auch befreundet, auch wenn sie sich nicht oft sahen) hat die Wissenschaft eine Wandlung durchgemacht. Die Wahrnehmung mit den Sinnen (sehen, hören, riechen, fühlen und daraus abgeleitet messen) führte dazu, dass nur noch immanente, sinnlich wahrnehmbare oder messbare Information als „wissenschaftlich“ angesehen wurde und wird und es entstand auch ein rein immanentes Weltbild. Natürlich gibt es dann in diesem Weltbild keinen Gott und keinen Teufel mehr. In unserem Weltbild wird selbst das ganze Universum immanent, also messbar mit unseren Sinnen und so können Wissenschaftler grenzenlos Vorstellungen entwickeln, die sie überhaupt nicht praktisch überprüfen können, denn messen Sie mal real im Kosmos. Wissenschaft verliert sich in weiten Teilen in von uns Menschen gedachter Theorie und verliert so die Nähe zur Realität. In einer solchen wissenschaftlichen Theorie gibt es kein Böses, kein Minus mehr, sondern alles wird nur noch gut. Wir machen es gut. Schaun Sie mal um sich, wie gut alles geworden ist. Im Raum der ehemals christlichen weissen Rasse sah es für ungefähr zweihundert Jahre so aus, als könnten wir Menschen alles gut machen und das, obwohl wir im 20. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung zwei furchtbare Weltkriege erlebt haben. Vielleicht täuschen wir uns nur selbst?
Nein, dieses Weltbild, das wir da seit den beiden grossen Männern entwickelt haben, ist sehr eingeengt und damit nicht realitätsnah. Wir müssen unser Weltbild wieder öffnen für die Transzendenz, für die Erkenntnis und Anerkenntnis unserer eigenen Grenzen und ich fürchte, wir werden auch wieder wie Gretchen und ganz am Ende Faust uns beugen müssen als Verlorene. Retten kann uns nur Gott. Johann Wolfgang von Goethe vergass dann allerdings Jesus Christus.
So ist es vielleicht doch nicht ganz verkehrt, wenn man sich „Der Tragödie erster Teil“ doch einmal widmet?
7.
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes.
Es erschien zunächst in 2 Bänden 1918 und 1922 und wurde 1923 von ihm noch einmal etwas aktualisiert.
Das Buch wird in seiner Titelaussage immer wieder mal zur Unterstützung bestimmter eigener Positionen erwähnt. Auch ich tat das, bis ich es tatsächlich mal gelesen habe, über 1400 Seiten. Der Sinn des Titels könnte aber realitätsnah sein.
Das Buch kann man heute gar nicht lesen. Es ist inzwischen mehr als 100 Jahre alt. Die Denkweise, viele Begriffe und Hinweise sind entsprechend unserem heutigen Denken veraltet, werden inzwischen anders genutzt oder sind uns (jedenfalls mir) weitgehend unbekannt. Ob seine Ansichten damals oder unsere heute der Realität näher sind, wissen wir ja gar nicht. Wenn man also verstehen wollte, was Herr Spengler wirklich sagen wollte, dann ist das sehr mühevoll und zeitaufwändig.
Herr Spengler denkt in langen Zeiträumen, ungefähr in den letzten 3000 Jahren und erdumspannend. Er vergleicht verschiedene Kulturen und Denkweisen, vergangene, wie die Antike mit noch existierenden wie der chinesischen noch vor der Kulturrevolution und der neuzeitlichen in Europa und Amerika und andere. Er findet gewisse Strukturen, die in den meisten Kulturen in ähnlicher Weise wiederzufinden sind. Das ist interessant.
Herr Spengler kennt den Unterschied zwischen Sein und Schein. Genauso wie wir, ist er wahrscheinlich teilweise nicht in der Lage, zwischen beiden zu unterscheiden. Das zu lernen, ist eine Lebensaufgabe und gelingt uns bisher nur sehr bruchstückhaft.
Für ihn ist die Entwicklung des Menschen in diesen 3000 Jahren eine vom primitiven (Menschen) zum höherstehenden, kulturell sehr aktiven und gebildeten, ja zivilisierten und die Natur zunehmend beherrschenden Menschen. Seine Sichtweise endet natürlich unmittelbar mit dem Ende des ersten Weltkrieges. Den deutschen Nationalsozialismus gab es noch nicht und damit auch keinen zweiten Weltkrieg. Seine Ansichten könnten gut mit dazu beigetragen haben, das nationalsozialistische Weltbild zu untermauern. Aber sind wir heute nicht auch davon überzeugt, dass wir die besseren, gebildeteren, zivilisierteren Menschen sind, als die damals es waren? Den Nationalsozialismus wollen wir zwar nicht wieder haben, aber die zugrunde liegende Denkweise teilen wir unbewusst und sehr überzeugt.
Interessant ist der grosse Unterschied zwischen seinem Denken und meinem Denken und sicher auch unserem Denken heute. Was einhundert Jahre doch so ausmachen. Anderes sieht er schon damals unter ganz anderen Umständen genauso, wie wir (bzw. ich) heute. Es ist schier unmöglich, festzustellen, wessen Ansichten näher zum tatsächlichen Ablauf der Geschichte in damaligen Epochen und heute liegen könnten. Es fehlt mir (uns?) einfach das Wissen, das Empfinden und die Denkweise der damals lebenden Menschen. Alles, was wir heute glauben, zu wissen, kann nur unsere persönliche Interpretation von Informationen auf dem Hintergrund unserer Vorurteile sein. Wie es wirklich war und ist, ist mir (uns?) verborgen.
Wer sich die Mühe machen will, einmal zu verstehen, warum die Realität, in der wir leben und unser Wunschdenken so verschieden sind, dass wir eine Enttäuschung nach der anderen erleben, der kann es wagen. Je weiter man vordringt, desto näher unserem Denken wird es und je verständlicher.