"Perpetuum finanzile"

Sie kennen das Perpetuum mobile? Seit hunderten von Jahren haben Männer nach einer Lösung gesucht, wie es möglich ist, solch ein Gerät zu konstruieren, das immer läuft, ohne dass wir neu Energie hinzufügen müssen. Bisher soll auf Grund physikalischer Regeln (manche sagen „Gesetze“) so etwas nicht möglich sein. Das leuchtet mir ein. Also gehe ich davon aus, dass auch Sie wie ich kein Perpetuum mobile kennen.

Seit fast 200 Jahren versuchen findige Ökonomen und Wissenschaftler, diese Konstruktion auf die Finanzwirtschaft und Sozialsysteme zu übertragen (noch mutigere später sogar auf unsere Gesellschaft), ohne wirklich zu wissen, was sie tun (Oder wissen sie doch, was sie tun?). Sie haben eine Möglichkeit gefunden, Geld ohne Energieeinsatz zu schaffen. Das funktioniert bei Banken, wenn sie Geld verleihen, das sie gar nicht besitzen oder wenn sie einmal vorhandenes Geld mehrmals verleihen. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man wirklich den Eindruck haben, hier funktioniere das Perpetuum finanzile. Das haben Ökonomen und Wissenschaftler denn auch gleich zum Anlass genommen, daraus eine neue Wirtschaftstheorie zu formen und uns damit auf's Glatteis zu führen. Für Verantwortliche aller Art ist das natürlich eine wunderbare Sache, weil nun einfach Geld gedacht werden kann und damit unsere Wünsche bezahlt werden können, so dass doch alles besser wird. Gott sei Dank. Es ist immer genug Geld da. Das ist doch märchenhaft, oder? Himmlisch, nicht wahr?

Mindestens einen kleinen Haken hat die Geschichte aber doch: Es spricht sehr viel dafür, dass das Prinzip nur funktioniert, solange immer Wirtschaftswachstum besteht, am besten sogar, immer ein bisschen zunehmendes Wirtschaftswachstum. Das ist ein Grund, warum unsere Wissenschaftler, Ökonomen und Politiker ja so dahinter her sind, dass nur ja immer Wirtschaftswachstum besteht. Für ein gedeihliches Miteinander von uns Menschen mit der Erde, unserer Umwelt, wäre es allerdings dringend nötig, dass wir Menschen uns bescheiden würden und statt Wachstum und immer vorwärts in den Rückwärtsgang schalteten. Von der Möglichkeit, dass auf diese Weise etwas besser würde, höre und lese ich so gar nichts. Was sagt das über uns, das Volk, und unsere Wissenschaftler, Ökonomen und Politiker aus?

Das Problem ist allerdings, dass das das Problem ist. Die Wirtschaft müsste also ohne Geld-Input immer wachsen und Geld verhält sich offensichtlich in manchen Dingen ganz ähnlich wie Energie. Es gibt offenbar auch einen Gelderhaltungssatz ähnlich wie einen thermodynamischen Hauptsatz, der in der Finanzwirtschaft ähnlich wie in der Physik gilt.

Sie können sich zwar Geld denken, so viel wie Sie wollen, aber es gibt nur eine sinnvolle Geldmenge, die im Gleichgewicht zu der vorhandenen Waren- und Dienstleistungsmenge steht. Wenn Sie sich mehr Geld denken, dann vergrössern Sie zwar die Geldmenge, aber da sie zur unveränderten Waren- und Dienstleistungsmenge in gleicher Beziehung steht, haben Sie nur eine Geldentwertung durch Geldvermehrung vorgenommen. Eine Geldvermehrung kann nur die National- oder Internationalbank vornehmen im angemessenen Verhältnis zur vorhandenen Waren- und Dienstleistungsmenge. Wenn Banken jetzt durch den genannten Darlehensmechanismus Geld geschaffen zu haben glauben, dann muss die National- oder Internationalbank das wieder ausgleichen, wenn sie nicht Inflation (oder im umgekehrten Fall Deflation) bewirken will. Das Gleichgewicht zu halten, ist ein sehr kompliziertes Kunststück der National- und Internationalbanken. Bisher hatten einige ja glücklicherweise viel Glück dabei. Deshalb sind Deflation und Inflation auch nicht so einfach mit zutreffenden Zahlen zu benennen (natürlich können und machen das unsere Wissenschaftler und Politiker, sogar bis auf die Stelle nach dem Komma; sie können ja alles!). Nur glauben dürfen wir ihnen die Zahlen wohl eher nicht? Sobald Leben und gar Menschen ins Spiel kommen, wird die Zahl der Einflüsse so gewaltig, dass genaue Berechnungen gar nicht möglich sind. Zahlen können wir bis auf viele Stellen nach dem Komma berechnen, aber sie verlieren damit immer mehr den Realitätsbezug. Ich bin schon nicht sicher, ob die letzte Stelle vor dem Komma so realistisch ist. Meist wird das eher nicht der Fall sein.

Es besteht auch ein Gleichgewicht zwischen Dir und mir. Das was ich produziere, aber nicht selbst verbrauche, das schenke oder verkaufe ich Dir und umgekehrt. Wir beide verhandeln den Preis. Der Cleverere von uns Beiden kann dabei dem Preis, den der Andere entrichtet, eine höhere Marge addieren, natürlich ohne dass der das merkt. Unter Umständen passiert das sogar, ohne dass wir Beide das merken, gar nicht gewollt oder unbewusst gewollt. So sind die Gewinne natürlich minimal. Aber wir dürfen annehmen, dass sich langsam Unterschiede in den Gewinn- und Besitzverhältnissen entwickeln.

Im Grunde funktioniert das im Grossen nicht so viel anders. Auch zwischen Firmen und Staaten bleibt das Prinzip so oder ähnlich. Wahrscheinlich gilt aber eben auch in der Wirtschaft: Wo ein Gewinn entsteht, entsteht auf einer anderen Seite Verlust. Wieder, das kann gezielt so von einem Teilnehmer beabsichtigt sein, kann aber auch ganz zufällig unbemerkt passieren.

Vermutlich seit Jahrtausenden träumen Menschen, wahrscheinlich Frauen mehr als Männer, von einem bequemeren, schmerzärmeren, nur noch mit guten Gefühlen durchzogenen Leben, in dem die Anderen das machen, was wir selbst wollen oder wünschen. Alleine bekommen wir das nicht hin. Wir sind angewiesen auf Andere und dass die denken, entwickeln, produzieren und machen, was wir wollen. Bringen Sie mal die Anderen dazu. Die denken doch gar nicht daran. Aber zum Glück sind wir alle käuflich. Ich kenne kaum eine Ausnahme. Geld ist die grosse, die allmächtige Energie, die universale Kraft. Geld setzt bei Menschen noch immer alle Hebel in Bewegung. Mal braucht es mehr, mal weniger Geld. So träumten Menschen schon seit langer, langer Zeit vom Goldesel oder anders formuliert vom Perpetuum finanzile.

Die meisten Theorien unserer Ökonomen, Wissenschaftler und Politiker sowie die meisten (oder sogar alle) Entwicklungen im Finanz- und Bankensystem dienten und dienen dem Zweck der Geldvermehrung. Da wir das System inzwischen ins Unendliche verkompliziert und verschachtelt haben, schaut kaum noch Einer durch (auch wenn uns die Verantwortlichen genau das Gegenteil erzählen, weil sie das von sich selbst sogar glauben), wo Gewinne und Verluste wirklich verursacht werden. Hauptsache, die Gewinne stehen in unseren Büchern und finden sich auf unseren Bankkonten.

So hat sich der Eindruck durchgesetzt, man müsse nur Systeme entwickeln, die kompliziert genug sind, dann könne man Gewinne schaffen, ohne an anderer Stelle Verluste zu verursachen. Selbst unsere Ökonomen, Wissenschaftler und Politiker träumen noch immer vom Perpetuum finanzile. Der Traum weicht offenbar keiner Bildung und Vernunft. Ja, der Traum ist stärker als Bildung und Vernunft. Die Steigerung davon ist der Traum, dass beide Seiten Gewinne daraus zögen, also sogar ein Leistungsfähiges Perpetuum finanzile, eines, das nicht nur läuft, sondern ohne Energie- und ohne Geldzufuhr auch noch Leistung vollbringt.

Mindestens seit dem 2. Weltkrieg haben wir in unzähligen Versuchen erlebt und vorgeführt bekommen, dass man nur Geld in Form von Staatsdarlehen aufnehmen muss, damit die Wirtschaft angekurbelt wird und dann entsteht soviel Einkommen für den Staat in Form von Steuern und anderen Einkünften, dass die Schulden vom Staat spielend wieder zurückgezahlt werden können. Haben Sie schon einmal ein Beispiel erlebt? Dann bitte ich Sie dringend, mir das zu nennen und zu beschreiben. Es wäre ein Beispiel für ein Perpetuum finanzile. Es gibt bereits ein paar Politiker, die das durchschauen. Sonst wäre Frau Truss in London nicht kürzlich so gescheitert. Jetzt dürfen wir gespannt sein, wie sehr sich ihr Nachfolger darüber freuen wird, dass es zu einer Rezession kommt und was er mit der Situation macht. Zumindest nach unserer aufgezeigten Theorie müssten die Nachfolger, Herr Hunt und Herr Sunak ja Erfolg haben. Doch auch da kommen mir Zweifel. Aber wir erfreuen uns noch immer einer riesigen Anzahl von Bürgern, Ökonomen, Wissenschaftlern und Politikern, die diesem Traum vom Perpetuum finanzile erlegen sind und meiner Ansicht nach auch in allen Teilen der Welt. Diese Menschen regieren uns und wir haben sie gewählt! Wenn es Schuld zu verteilen gibt, dann liegt sie bei uns. In der Demokratie ist das so. Wir sind die Wähler.

Da hören wir heute immer wieder von Gewinnen von grossen Unternehmen und Konzernen und von kleinen Unternehmen. Jeder Eigentümer, Unternehmer und Aktionär freut sich. Je grösser die Gewinne, desto besser, desto höher die Aktienkurse. Es stellt sich nur die Frage: Woher kommen die Gewinne? Sie sind doch das Mehr an Geld, das die Kunden bezahlt haben gegenüber den Gestehungskosten der Ware plus den Erhaltungskosten für die Firma (und Steuern etc.). Der Gewinn der Firma ist der Verlust bei den Kunden. Das hat jetzt nichts mit Moral zu tun, ob man das darf oder nicht, ob man dann Kapitalist ist oder armes Schwein. Es ist einfach so. Und was ist, wenn Sie einerseits Aktionär einer Firma sind und auf der anderen Seite Kunde? Ja, dann heben sich Gewinn und Verlust mehr oder weniger gegenseitig auf. Das funktioniert natürlich auch bei Gruppen von Aktionären und Gruppen von Kunden in gleicher Weise, auch bei grossen Gruppen. Das gilt auch für Dreiecks- und Mehrecksverhältnisse.

Jeder, der reich wird, wird das, weil Andere ärmer werden. Wahrscheinlich geht es nicht anders? Wir dachten uns im letzten Jahrhundert einfach, dass die Gewinne aus einer Quelle in der Erde sprudeln und dass sie auf anderer Seite keinen Verlust ausmachen. Das wäre ja noch besser als das Perpetuum finanzile. Das Märchen vom Goldesel ist Realität geworden. Man muss schon Bürger, Ökonom, Wissenschaftler oder Politiker sein, um das glauben zu können. Heute glauben das sogar die Frauen.

Eine ebenso moderne, wie praktische und lebensnahe Verwirklichung des Perpetuum finanzile ist der Sozialstaat. Alle zahlen ein und alle bekommen das, was sie brauchen. Wer bestimmt, was ich brauche? Wenn ich ein freier Mensch sein sollte, dann will ich das selbst bestimmen. Aber ich verwechsle völlig unbewusst, unüberlegt und intuitiv meinen Bedarf mit meinen Wünschen. Das ist ja nicht so schlimm. Dann müssen eben die Anderen mehr bezahlen und mir meine Wünsche nach Reisen, schöner Arbeit, luxuriösem Wohnen, viel Freizeit mit allen möglichen Gestaltungsmöglichkeiten, Kinderbetreuung etc. ermöglichen. Das Dumme: Die Anderen tun das genauso. Früher, als wir nur einen Herrscher hatten und der ein ganzes Volk, da ging das noch. Ein Volk konnte die Wünsche des Herrschers erarbeiten. Das Gegenteil beweist allerdings die Verschuldung des französischen Staates 1789. Selbst das ganze Volk konnte offenbar nicht so viel schaffen, wie der Herrscher wollte. Da ist es doch heute selbstverständlich, dass wir als Volk alles das schaffen (am besten ohne Eigenleistung oder mit Heinzelmännchen), was wir als ganzes Volk uns leisten wollen, oder? Das, was wir uns leisten wollen, müssen wir auch erarbeiten. Unser Perpetuum finanzile funktioniert gar nicht. Da besteht noch deutlicher Verbesserungsbedarf. Sehr verehrte Wissenschaftler und Ökonomen, wenn wir Sie schon bezahlen, dann bitte ran und schaffen Sie uns hier Fortschritte! Sorgen Sie dafür, dass Märchen Realität werden! Unsere Frauen wollen schliesslich ihre Träume verwirklichen. In der Theorie funktioniert der Sozialstaat vortrefflich. Aber mit uns Menschen... Furchtbar! Mit uns funktioniert die Theorie nicht, funktioniert der Sozialstaat nicht!


Eben, weil das Perpetuum finanzile offenbar genauso wenig existiert wie das Perpetuum mobile, mussten unsere Politiker in den letzten 70 Jahren immer wieder in die Darlehenskiste greifen, um unser Wachstum zu finanzieren (und Kriege, Katastrophen, unseren Luxus und vieles mehr natürlich auch) und weil die Gewinne unserer Konzerne eben doch nicht aus der Erde sprudelten, sondern aus den Taschen der Kunden, müssen staatlich und privat immer wieder so viele Arme unterstützt werden. Sonst hätten wir ja längst, wie Herr Buffet schon äusserte, alle reicher werden müssen. Er hatte doch jüngst eine Idee, wie das gehen soll. Seine Gewinne sind sicher auch aus der Erde gesprudelt? Vielleicht bohren Sie auch mal in Ihrem Garten nach Gewinnen? Das wäre doch eine neue Art von Bodenschatz.

Meine Damen (ja, neuerdings muss man sie in solchen Sachen auch mit ansprechen) und Herren, ich fürchte, wir werden in Kürze sehr unsanft aus unseren Träumen und Theorien aufwachen resp. gerissen, weil die Realität so ganz anders aussieht, weil eben Träume und Theorien, selbst wenn Professoren sie darlegen und verbreiten (inzwischen auch weibliche), nicht Realität zu sein scheinen, sondern nur mehr oder weniger Wunschdenken und Abbild derselben und weil das Märchen vom Perpetuum finanzile vielleicht doch für eine Zeit lang und unter ganz bestimmten Voraussetzungen Wirklichkeit zu sein schien, aber ...

Da es in der realen Welt mindestens zwei Seiten gibt, mindestens Schein und Sein, müssen wir mit der Bewertung sehr vorsichtig sein, solange wir nicht alle realen Seiten gesehen haben, also auch die zukünftige. Wann wir aber alle Seiten gesehen haben, liegt nicht in unserer Urteilsfähigkeit. Wir wissen ja nicht, ob es noch weitere Seiten gibt, von denen wir nicht wissen, nicht einmal ahnen. Pech für uns!

Urteilsfähigkeit, insbesondere über die eigene Urteilsfähigkeit, ist leider kein Lehrfach in den Universitäten und Hochschulen unserer Erde. Sonst wäre uns Menschen vielleicht eine Menge Enttäuschung und Leid und in naher Zukunft auch das hoch wahrscheinliche Ende der Menschheit erspart geblieben?

Erwarten Sie von Ihrer Regierung, dass sie Sie und das ganze Land bestens regiert, dass sie Ihnen alle Chancen und Möglichkeiten bietet, aber dass sie Ihnen dafür an keiner Stelle wehtut, keine Steuern erhebt, keine einschneidenden Gesetze erlässt, keinen Selbstbedarf anmeldet und natürlich schon gar nicht, dass da noch so etwas wie Korruption passiert. Mit dieser eklatanten Überforderung werden Sie Ihre Welt in Ihrem Land mit Sicherheit verbessern. Wir als Volk geben unseren Regierungen gar keine Chance, gut oder optimal zu regieren. Wir erkennen auch gar nicht, wann optimal ist. Optimal ist, wenn alle unsere Wünsche in Erfüllung gehen, wenn also unser Wohlstand immer mehr wird und auf jeden Fall nicht weniger. Wir wollen nicht nur ein Perpetuum finanzile, sondern auch noch ein Hochleistungs-Perpetuum finanzile. Regieren Sie mal Menschen, die nur beglückt werden wollen. Wie soll das gehen? Unser Glück ist, dass die Regierenden das auch gar nicht merken. Wenn alle gleich dumm sind, dann merkt keiner unsere Dummheit. So lässt es sich doch gut leben, oder? Leider bestraft die Evolution am Ende die Dummen mit Aussterben. Die Cleveren sterben mit aus. Gerechtigkeit kennt die Evolution nicht oder vielleicht doch, nur nicht so, wie wir sie uns vorstellen?

Wir brauchen immer jemanden zum Ausbeuten, im schlimmsten Fall uns selbst. Anders funktionieren Wirtschaft und Zusammenleben nicht. Wir denken uns unsere Gesellschaft als Perpetuum soziale. Alle geniessen und es gibt nur noch Berufe und Arbeitsstellen, die interessant sind und Spass machen, aber keiner muss die zu geniessenden Dinge oder Dienstleistungen schaffen. Und die vielen anderen Arbeitsstellen werden von den Heinzelmännchen (wir nennen sie Roboter) bedient. Viel Erfolg. Die Evolution und wir als Handlanger lassen uns immer wieder mit kleinen Annehmlichkeiten ködern. Die Rechnung kommt später, mit viel Glück erst für die Nachkommen. Selbst die Jungen leben heute schon so und ahnen gar nicht, was sie tun.

Politiker, besonders Demokraten (ich meine alle an Demokratie Interessierten, nicht nur die „Demokraten“ in den USA) müssten schon lange konsequente Neinsager zu unseren Wünschen sein. Aber die Demokratie zwingt sie ja zum „Ja“-sagen. Würden Sie „Nein“-Sager ins Parlament oder in die Regierung wählen? Wir wählen sie ja gerade, damit sie unsere Interessen vertreten, besser, unsere Wünsche erfüllen. Wir müssten unser Leben organisieren ohne staatliche Darlehen in die Zukunft, und zwar Firmen jeder Grösse, selbst die systemrelevanten, genauso wie Bürger jeder Einkommensklasse. Wir sind genauso dekadent wie der französische Hof 1789 und leben genauso auf Pump. Nur heute tun wir es alle und deshalb ist es etwas anderes, deshalb ist es „normal“. Wir haben ja schliesslich das Leistungsfähige Perpetuum finanzile.

Für unsere Finanzen wird es bald wichtig werden, zu entscheiden, wo hört wichtig auf und wo fängt unwichtig an in der Gesundheit, in der Wissenschaft, in der Technik, in der Definition von Menschsein. Immer weiter so und vor uns hinschieben ist zwar menschlich, aber unmenschlich.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist solch ein Perpetuum finanzile. Wir sind so verliebt in unsere Träume und Theorien, dass wir sie nicht loslassen wollen, obwohl, wer nachdenkt (und nachrechnet), schnell merkt, was für einen Unsinn wir da träumen und theoretisieren.

Inflation hat ja einen evolutionären Sinn, nämlich den, uns das Geld aus der rechten Tasche wieder herauszuziehen, das wir uns mittels vorher gewählter Regierung in die linke Tasche gelogen haben. Glücklicherweise sind wir nicht allein so dumm, sondern viele mit uns und Helfer hatten wir auch noch dabei. Dann fällt es wenigstens nicht auf.

Unser Problem ist, dass unsere Ansprüche höher sind, als wir finanziell zu leisten bereit sind und uns damit leisten können und als die Ressourcen der Erde überhaupt hergeben. Jede Leistung vergrössert die Ansprüche, die Zahl der Ansprüche stellenden Personen und so gehen wir immer mehr in die Sackgasse.

Die Wertschöpfungskette funktioniert offenbar nur, wenn wir mehr Energie hineinstecken, als wir am Ende Nutzen herausbekommen. Auch da gleicht das Geld offenbar der Energie. Die Wertschöpfungskette einschliesslich Wissenschaft und Technik verbraucht Energie wie jeder Prozess auf dieser Erde, materielle, organische und sogar nicht materielle. Da wir aber den Einsatz gering halten wollen und den Nutzen gross, müssen wir die Regeln der Realität um uns herum aushebeln. Wir müssen irgend Jemanden ausbeuten, Andere oder Maschinen und uns selbst. Wir wollen ja grösstmöglichen Gewinn haben. Also müssen wir irgend Jemandem Verlust zufügen. Wo soll der Gewinn sonst herkommen? Aus moralischen Gründen wollen wir aber niemanden ausbeuten. Also brauchen wir Zuschüsse, Subventionen, Darlehen, Fördermittel, Steuererleichterungen, etc. Die stecken wir uns über den Staat und Versicherungen aus unserer rechten Tasche in Form von Gebühren und Steuern in unsere linke Tasche als Zuschuss. Das funktioniert so gut, weil wir so dumm sind, zu glauben, dass der Staat und die Versicherungen ein Perpetuum finanzile seien. Daher müssen unsere Drittstrukturen wie Staat, Versicherungen und Firmen etc. Darlehen in die Zukunft aufnehmen. Wir beuten unsere Kinder aus (falls wir das Glück haben, dass es uns nicht noch selbst trifft, aber Menschen wie Herr Mario Draghi machen uns glücklich, zumindest jetzt. Die Zukunft? Nach Herrn Draghi und uns die Sintflut. Nein, natürlich nicht. Jetzt kommen die Frauen in die Ämter und verhindern die Sintflut. Das ist doch toll, oder? Endlich Hilfe, natürlich von den Frauen. Womit? Weiter so, wie die Männer! Das ist alles. Aha?). Alle Lenker unserer westlichen Gesellschaften fallen immer wieder darauf herein. Natürlich dürfen wir Männer die Frauen nicht ausbeuten. Das ist doch gar keine Frage. Aber dann müssen wir Männer uns Männer ausbeuten und die Frauen müssen uns gleich noch mit ausbeuten. Teilweise tun wir das schon. Aber dann fehlen wir zuhause und unsere Frauen sind sauer. Die sehen das Problem gar nicht und halten uns für Workaholics, die wir ja auch sind. Ausser den männlichen Geniessern. Die gibt es natürlich auch. Die Katze beisst sich immer in den Schwanz. Wir haben nur immer mehr Drittstrukturen dazwischen gebaut, um die Sicht zu versperren, damit wir die Katze, der wir in den Schwanz beissen, nicht sehen, also, dass wir unseren modernen und fortschrittlichen Unsinn nicht sehen.

Wer Profit will, will, dass die/der Andere bei einem Handel gleich welcher Art mehr gibt als man selbst gibt. Aber merken soll das der Andere möglichst nicht und die Öffentlichkeit natürlich auch nicht und ich? Ich will es auch nicht merken. Guten Profit, ja meinetwegen, aber bösen Profit? Natürlich ist mein Profit gut. Der der Anderen ist böse. Dass die das nicht begreifen?


Haben wollen wir immer, aber die Konsequenzen tragen wollen wir nicht. Achten Sie mal drauf: Fast immer wollen wir die Ware, aber das Geld dafür wollen wir behalten oder zurück oder es soll gleich ein Anderer bezahlen. Dafür sind doch der Staat und die Versicherungen da. Unsere Finanzjongleure haben das System immer weiter kompliziert, so dass keiner mehr das Minus merkt, ja sie selbst nicht einmal mehr. Wir sind wie die kleinen Kinder und glauben auch noch, dass wir nach abgeschlossenem Studium und vielen bestandenen Prüfungen schlau wären. Schlau vielleicht, aber eben auch dumm zugleich. Wir bestimmen selbst die Höhe unserer Beiträge, Steuern, Versicherungsprämien etc. Aber in Dreiecksstrukturen (oder sogar mit noch mehr Ecken) denken und erst recht nachdenken ist schwer.

Es ist immer zu wenig Geld da. Wenn zu viel Geld da ist, dann ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu wenig Geld da. Das ist höhere Mathematik, nicht theoretische Mathematik, sondern menschliche Mathematik.

Perpetuum finanzile: Unser Geld reicht nicht. Unsere Einnahmen sind zu klein und unsere Ausgaben sind zu gross. Was tun? Wir werfen unsere Gewinne zusammen (abzüglich eines grossen Batzens, der für uns bleiben soll, denn schliesslich war es ja unser Geld, für das wir hart geschuftet haben) und wir bezahlen alle Ausgaben zusammen. Dann können wir als grosse Masse auch die Preise drücken. Bei wem können wir die Preise drücken? Schliesslich muss ja bei uns als arbeitender Masse bezahlt werden. Wir sind ja auch die arbeitende Bevölkerung. Offenbar sind in der Masse auch die Preise höher als die Einkünfte und wenn wir die Preise drücken, dann drücken wir damit auch unsere Einkünfte. Wir gewinnen gar nichts. Ist das nicht furchtbar? Wenn wir ein System unter Gleichen schaffen, dann müssen wir mehr Geld hineintun als wir herauskriegen? Das ist aber dumm. Das Perpetuum finanzile funktioniert gar nicht? Offenbar ist das so. Deshalb soll uns der Staat Zuschüsse geben oder Subventionen oder Steuererleichterungen oder er soll am besten gleich die Kosten voll übernehmen (z.B. Kinderkrippe, -garten, Schule und Vieles mehr). Das ist doch viel einfacher. Ich sammle die Gewinne und die Kosten trägt der Staat. Kommt Ihnen das nicht bekannt vor? Nur, in der Demokratie sind doch wir der Staat, das Volk, oder? Dann müssen doch wieder wir (oder eben, falls wir Glück haben, erst unsere Kinder) die Rechnung begleichen? Das ist ja noch fieser! Jetzt wollen wir doch eine andere Welt, eine, die nach unseren Wünschen funktioniert und ein Perpetuum finanzile muss diese Welt auf jeden Fall haben, natürlich ein Hochleistungs-Perpetuum finanzile. Schönes Märchen, was? Aber so sieht unsere „Realpolitik“ in der westlichen (vermutlich doch in der ganzen) Welt aus.

Wer die Welt besser machen will, braucht einen Goldesel, einen, der alle unsere Wünsche erfüllt. Früher wussten die Menschen, dass das ein Märchen ist und sie wussten auch, was ein Märchen ist. Heute glauben wir einfach, dass das Märchen Realität ist und dann funktioniert es.

Bei Wahlen müssen wir in Zukunft ganz sehr aufpassen. Wir dürfen nur noch Kandidaten wählen, die um die Probleme von Traum und Theorie im Verhältnis zur Realität Bescheid wissen und die das Leistungsfähige Perpetuum finanzile kennen (und natürlich auch im Keller haben, damit sie die Kosten für all die Rechte übernehmen können, die sie uns in die Gesetze schreiben). Dann wird die Welt endlich besser. Kennen Sie die Konsequenz? Das Perpetuum finanzile wird Geld produzieren in einer Menge, dass es uns eine Freude macht. Aber nach der Freude kommt die Panik, denn ein grosser Teil dieses Geldes wird unsere Inflation anheizen. Dann haben wir womöglich gar nichts gewonnen?

10 November 2022
wf