Soeben haben wir die 5 oder 6 ersten Lebensjahre überstanden. Nun geht es in die Schule. Bisher haben wir ganz praktisch gelernt, haben von den Eltern abgeschaut (falls sie überhaupt da waren), haben Spiegelneurone prägen lassen. Jetzt fängt es mit der Theorie an.
Jetzt lernen wir unter vielem Anderen die „theoretische Mathematik“. Da lernen wir: 2 + 2 = 4. Nun, das war noch nicht so schwer. In der Theorie ist ja das Lernen der kleinen Zahlen für unsere paar Hirnzellen noch durchaus zu bewältigen. Das ist ja kinderleicht.
Hat es sich damit mit der Theorie? Ja, theoretisch können wir noch eine Menge lernen. Dazu gehen wir ja in die Schule und später auf die Universität.
Jetzt wird es komplizierter. Jetzt lernen wir auch leben. Leben ist ja etwas, dem wir uns seit der Geburt nicht entziehen können und das wir doch gestalten können. Erstaunlicherweise treffen wir da auf Grenzen, meistens Grenzen in Form unsichtbarer Graubereiche.
Gibt es eine „praktische Mathematik“? Was würde in ihren Bereich fallen? Fällt sie anders aus, als die theoretische Mathematik? Ja, in der praktischen Mathematik ist 2 + 2 nicht nur 4, sondern zumindest auch 0. 2 + 2 = 4 oder/und 0. Wie kommt das? Das habe ich ja noch gar nicht gelernt. Oder doch?
2 + 2 = 4 ist die Betrachtung der Realität von einer Seite. Wechseln wir auf die andere Seite und schauen von gegenüber, dann sehen wir 2 – 2 = 0. Weil aber in der Praxis dieser Vorgang oder Prozess unteilbar ist, ist 2 + 2 auch 0, nur eben von der anderen Seite betrachtet. Darüber haben wir nur noch nicht nachgedacht und in der Schule gelernt habe ich das auch nicht. Aber wenn Sie im praktischen Leben Dinge verteilen oder Jemanden beschenken oder bestrafen, stehlen oder kaufen, dann erleben Sie solche Vorgänge. Wenn Sie im Kinderspielzimmer dem einen Sohn ein Spielzeug wegnehmen, um es dem Bruder zu geben, dann erleben Sie hautnah die Unteilbarkeit von 2 + 2 und 2 – 2. Wenn Sie im obersten Kindergarten, meist nennt er sich dort in irgendeiner Weise Regierung, Kabinett oder Parlament, dem einen Minister etwas wegnehmen wollen (oder der einen Wählergruppe der Partei des Ministers) und wollen das einem anderen Minister oder seiner Wählergruppe geben, dann erleben Sie diese Untrennbarkeit auch. Die Kandidaten für politische Ämter sind sich dieser Tatsache oft gar nicht bewusst. Sie lassen sich wählen in der Überzeugung, dass sie selbst 2 + 2 ohne 2 – 2 hinbekommen und dass sie daher die Welt besser machen, sogar doppelt besser machen. Das verkünden diese Kandidaten im Wahlkampf auch und sie glauben fest an ihre Fähigkeiten. Und wir Wähler? Wir glauben es den Kandidaten auch, zumindest dem, dem wir dann unsere Stimme geben. Erst haben es überwiegend nur die Männer gedacht und als Kandidaten so gemacht. Heute sind die Frauen als Kandidaten oder in Amt und Würden noch viel stärker davon überzeugt, dass sie das können: 2 + 2 ohne 2 – 2. Die Konsequenz aus dieser Unwissenheit sind Staatsschulden, gebrochene Wahlversprechen, Politikverdrossenheit im Volk, Frust auf beiden Seiten. Dabei haben wir doch bloss nicht nachgedacht, weder die Kandidaten und späteren Politiker, noch wir Wähler.
Nach der „theoretischen Mathematik“ und der Erweiterung der Sichtweise durch die „praktische Mathematik“ kommt nun noch eine Steigerungsform. Auch die habe ich nicht in der Schule gelernt. Wir machen uns meist keine Gedanken darüber. Wir leben mit der theoretischen Sichtweise, ohne die Einschränkung dieser Sichtweise zu sehen, oft auch, ohne uns ihrer Existenz überhaupt bewusst zu werden und wenn, dann nur bei den Anderen, nicht bei uns selbst.
Die „menschliche Mathematik“ stellt eine viel breitere Palette von Ergebnissen bereit. Da kann 2 + 2 auch mehr oder weniger als 4 sein und sogar auch mehr oder weniger als 0. Bei einer neidischen Persönlichkeit wird das Resultat beim Anderen meist mehr als 4 sein (Der oder Die hat viel mehr, jetzt sogar alles) und ich habe nun gar nichts mehr (also noch weniger als 0). Neben einem Anderen mit 400 erscheint 2 + 2 = 4 geradezu lächerlich wenig (also eher nicht einmal 4), während neben Einem, der hohe Schulden hat, selbst 2 + 2 = 0 noch eine ganze Menge sein kann (also mehr als 0). Es kommt also auf die Sichtweise an und auch noch auf die Verhältnisse im Vergleich zu Anderen. Bei dieser Form von Mathematik braucht es unser ganzes leibliches und geistiges Fassungsvermögen, alle unsere Sinne und Verarbeitungsmöglichkeiten. Wie rechnet man in der Werbung oder bei den Steuern, bei den Subventionen oder den Löhnen, bei den Gewinnen und Verlusten? Wenn ich glaube, dass es in meinem Interesse ist, dann darf es ruhig je nach Gegenstand etwas mehr oder auch weniger sein, wenn es für Andere ist, dann das Gegenteil. So machen das alle, mit zwei Ausnahmen: Sie und ich.
Wenn vor allem junge Frauen heute beklagen, dass sie die ganze Arbeit machten und die Männer nicht oder die Männer viel weniger, dann müssen wir uns überlegen, welchen Zusammenhang wir bedenken müssen. Da hiess es in den Medien (z.B. NZZ vom 12.12.2022), dass Männer und Frauen in der Familie in der Schweiz in einem Jahr Arbeit im Wert von 343 Milliarden verrichtet hätten, vor allem Frauen. Das Folgende stand dort nicht, aber im Hintergrund höre ich: Da machen wir so viel Arbeit. Die wollen wir nun aber auch bezahlt haben oder wir machen sie nicht mehr. Dann gehen wir lieber Karriere machen. Und schon sind der Staat und vielleicht noch Versicherungen gefordert.
Da stellen sich mir mehrere Fragen:
Was zählen wir zur Arbeit? Sind Leistungen für mich selbst Arbeit? Sind Leistungen für meine Familie Arbeit? Sind meine Familie, mein Mann, meine Kinder gar nicht mehr zu mir gehörig? Warum sollte ein Anderer, in diesem Falle vielleicht der Staat, ein Interesse an unserer „Arbeit“ in der Familie haben und uns dafür Geld geben? Haben oder sind wir gar kein Ich mehr, sondern nur noch Arbeitnehmer beim Staat, der uns dafür entsprechend zu entlöhnen hat?
Wir gehen nach draussen, an einen Arbeitsplatz oder zu einem Arbeitgeber (aber im Home-Office), um Leistungen für ihn zu erbringen. Weil wir Leistungen für ihn erbringen, bekommen wir von ihm auch Geld (natürlich zu wenig oder zumindest weniger als wir gerne hätten). Geld oder Lohn in irgendeiner Form ist gebunden an Leistungen für Andere. Leistungen für mich und meine Familie sind keine Leistungen, für die irgendeiner zu bezahlen hätte.
Nun könnten wir ja, schlau oder clever wie wir sind, einfach bestimmen, dass das jetzt geändert würde. Wir bilden eine Partei, lassen uns als Kandidaten für die gesetzgebenden Gremien aufstellen und versprechen unseren erhofften Wählern (und noch viel wichtiger, Wählerinnen) Geld vom Staat für die Arbeit zuhause. Dann kommen also Jahre auf uns zu, in denen wir als Staat 343 Milliarden CHF an die Mütter (und Väter) in den Familien bezahlen.
Woher kommen diese 343 Milliarden? Es gibt ja Niemanden, der diese 343 Milliarden bezahlt, weil er eine Leistung dafür bekommen hätte, also z.B. Gebühren bezahlen müsste. Diese 343 Milliarden könnte der Staat nur in Form von irgendwelchen Steuern von seinen Bürgern fordern, also von Denen, die vorher das Geld anteilsmässig bekommen haben. Und wie viel Steuern müsste der Staat fordern? Ja, diese 343 Milliarden. Wir sind ja nicht nur Bürger, wenn wir Rechte haben und Geld bekommen, sondern wir sind ja auch Bürger, wenn wir für diese Rechte bezahlen müssen, dieses Geld aufbringen müssen, also Pflichten haben. Und jetzt kommt der Clou: Die Kosten für die Bürokratie, für die Verwaltung, die Banken und anderen Akteure für die Steuereinnahme, die Verarbeitung und für die Lohnauszahlung müssen wir noch zusätzlich bezahlen. Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmassnahme und wir zahlen in der Summe mehr als wir bekommen. Ziemlich dumm, oder? 2 + 2 ist also nicht nur 4 oder 0, sondern sogar noch viel weniger als 0. Weil wir uns durch Dreieckverhältnisse die Verhältnisse verkompliziert haben, schauen wir selbst nicht mehr durch und merken wir unsere eigene Dummheit als Bürger, Wähler und Politiker gar nicht.
Anderes Beispiel: Pfiffige Politiker in der westlichen Welt sind auf die Idee gekommen, zur Entlastung ihrer Staatshaushalte zu fordern oder besser noch, in Gesetze zu schreiben, dass nur noch Menschen von aussen ins Land kommen dürfen, die genug Bildung mitbringen, also eine verwertbare komplette Berufsausbildung. „Ungebildete“ Flüchtlinge, Auswanderer oder vom Leben in einer besseren Welt Träumende dürfen nicht kommen. Diese Einstellung halte ich für völlig nachvollziehbar und sinnvoll, denn lauter Dumme, Sozialschmarotzer und Faule hereinkommen zu lassen, ist natürlich für unseren Staat und unsere Sozialsysteme tödlich. Das kann nicht gut gehen.
Das hat aber auch mindestens eine andere Seite, wenn nicht sogar mehrere andere Seiten. In den anderen Staaten, aus denen die Einwanderer kommen, gehen Bildung, Fähigkeiten und kluge Köpfe verloren. Die Staaten, die unter Armut schmachten, weshalb die „klugen Köpfe“ ja auswandern, die behalten die Armen und Analphabeten und erleben einen Fähigkeitsverlust, den die armen Staaten ja nun gerade mit viel Geld und Aufwand an diese Menschen vergeben haben. Wir aber, als reiche und „gebildete“ Staaten, versuchen mit ein bisschen Entwicklungshilfe den armen Staaten die Entwicklung zu bessern, die wir gerade mit unserer Gesetzgebung verschlimmert haben. 2 + 2 = 4 und leider doch auch 0, wahrscheinlich sogar eher noch weniger als 0. So sieht die Praxis aus, noch dazu, wenn wir Menschen in der Praxis leben und handeln. Das wissen wir nur nicht oder wollen es nicht wissen oder sagen später vor Gericht aus, dass wir es nicht gewusst haben. Bei den kleinen Leuten schützt Nichtwissen vor Strafe nicht. Bei den grossen? Nur, wem nützt es, wenn der Andere, der Dumme bestraft wird? Ich bin doch gar nicht schlauer. Da hilft nur: Augen und alle Sinne auf und seine eigenen (Vor-)urteile und Dummheiten immer wieder hinterfragen.
Schon in den 70iger und 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts war Trockenheit und Dürre ein grosses Thema. Kirchen und NGOs vielerlei Art gingen in diese trockenen und meist sehr armen Länder, um Brunnen zu bohren. Frisches und sauberes Wasser für die Bevölkerung. Leuchtende Augen bei den Beschenkten, den Ausführenden und den Geldgebern. Wir haben unsere Welt ein bisschen besser gemacht. Heute, 30 bis 40 Jahre später sind viele dieser Brunnen ausgetrocknet, versandet oder verschmutzt und oft ist der Grundwasserspiegel deutlich gesunken. Heute ist die Dürre schlimmer als damals. Was ist passiert? 2 + 2 war doch 4 (in unseren Augen sogar mehr als 4) und nun ist 2 + 2 plötzlich 0 (oder eher noch weniger als 0)? Was stimmt da nicht? In Kalifornien und vielen Teilen der Welt erleben wir ähnliches. Das Minus zeigt sich erst später. Es geschieht nicht gleichzeitig (da auch, denn die Geldgeber haben ja Geld weggegeben), sondern zeitlich nacheinander.
Kennen Sie schon das Perpetuum finanzile oder auch das Perpetuum soziale? Bitte ersinnen und bauen Sie uns welche. Viele wären Ihnen dankbar. Leuchtende Augen überall …
Welche Mathematik ist denn nun die richtige?
Nun, das kommt darauf an. In der Schule müssen wir natürlich die theoretische lernen und gebrauchen. Im Leben nützt uns die aber recht wenig. Da ist es schon sehr sinnvoll, die praktische Mathematik zu kennen und meist auch, sie anzuwenden. Für das Leben ist es wahrscheinlich wichtiger, sie zu benutzen als die theoretische. Wenn wir aber Menschen oder Vorgänge um Menschen herum verstehen wollen, mit diesen Menschen leben wollen, in Wirtschaft und Politik Einfluss nehmen wollen, dann müssen wir zumindest eine Ahnung haben von der menschlichen Mathematik, denn die Anderen (natürlich ausser Ihnen) benutzen sie völlig unbewusst (oder doch bewusst?). Von Lüge und Wahrheit im Sinne von falsch und richtig, von „der Realität entsprechend oder nicht“, sind wir oft mehr oder weniger weit entfernt, ohne es zu merken.
Viel Spass beim Nach- und vielleicht auch Umdenken. Können wir das überhaupt? Sind wir nicht zur Dummheit verdammt, selbst die „Gebildeten“?