Sind Sie ein Mensch? Bin ich ein Mensch? Woher wissen Sie und ich das? Was bedeutet Menschsein?
Was Menschsein wirklich ist? Woher wollen wir das wissen? Wir haben uns einfach selbst ein Bild gemacht, haben uns ein Selbstbild gemacht. Wie weit unsere Vorstellung von uns selbst oder von Menschen überhaupt mit irgendeinem Vorbild übereinstimmt, wissen wir doch gar nicht. Wir haben schlichtweg kein Vorbild von der evolutionären Natur übertragen bekommen oder vom allgemeinen Sein oder von irgendeinem lebenden Gott uns überlassen „Hier, so ist ein Mensch“. Daher kann man sich Menschen mit Fehlern und Menschen ohne Fehler vorstellen. Sie und ich sind natürlich ohne Fehler. Die Anderen machen erstaunlich viele Fehler. Wieso ist das eigentlich so?
Ich habe schon von Menschen gehört, denen klar ist, dass wir Menschen nicht fehlerfrei sind. Ich jedenfalls bin es nicht. Ich weiss nicht, wie das mit Ihnen steht. Es hat sogar schon im Medizinbetrieb und auch in anderen Betrieben Überlegungen zum Thema „Fehlerkultur“ gegeben, meines Erachtens aber jeweils sehr einseitig: „Fehler müssen weg und wir schaffen das.“ Es muss also Menschen geben, die Fehler machen. Offenbar bin ich da nicht allein.
Wie ist das denn, wenn wir glauben, dass wir selbst nicht fehlerfrei sind und dass wir trotz aller Vorsicht Fehler machen? Dann schämen wir uns und halten möglichst den Mund, damit es ja keiner mitbekommt. Und wie ist das, wenn Andere Fehler machen? Na, „Das hätte denen aber nicht passieren dürfen!“ oder „Kann der denn nicht aufpassen?“ oder jetzt müssen wir durch Ausbildung und Qualitätssicherungsmassnahmen dafür sorgen, dass Fehler nicht mehr passieren. Wir wollen doch höchste Qualität, fordern sie und die meisten sind heute schon so programmiert, dass sie auch höchste Qualität liefern wollen. Von sich selbst glauben diese Menschen auch ohne jeden Zweifel, dass sie höchste und fehlerfreie Qualität liefern. Obwohl, da sind der Unterschied zwischen Sein und Schein und unsere Selbsteinschätzung schon wieder eine sehr spannende Frage.
Deshalb werden heute im Flugverkehr und anderen Bereichen Checklisten benutzt, die jedes Mal abgearbeitet werden müssen oder es werden doppelte und dreifache Strukturen eingesetzt nach der Devise „Doppelt hält besser“. Dreifach ist natürlich noch sicherer. Nur, wir müssen uns natürlich klar machen, dass alle diese Sicherungen zusätzlich Geld kosten und Geld ist nicht einfach da. Es wird also nicht möglich sein, unbegrenzt einfach Sicherungen einzubauen, ohne die Grenze im Nebel zu überschreiten, ab der der Nutzen geringer als die Kosten sind. Da gibt es Effektivitätsgrenzen. Natürlich können wir höchste Sicherheit wünschen oder sogar fordern, aber wir müssen die auch bezahlen. Seit wir Dreiecksstrukturen wir den Sozialstaat und Sozialversicherungen haben, gehen Viele davon aus, dass das Geld doch einfach auf den Bäumen wächst, natürlich immer nur die Anderen, Sie nicht. Einfach immer sicherer und sicherer ist nicht realitätsnah. Das ist ein Märchen.
Und dann gibt es da aber auch Menschen, vor allem in Kreisen von „Gebildeten“ und „finanziell oder an Eigentum Reichen“, die davon ausgehen, dass sie selbst keine Fehler machen. Sie hatten ja Erfolg. Sonst wären sie nicht reich und hätten sie nicht so viel Eigentum. Ich weiss nicht, ob die das wirklich so glauben oder nur so vorgeben und wenn sie dann noch eine Position in Wirtschaft oder Politik und Gesellschaft bekleiden und zu verteidigen haben, dann wird es ganz problematisch. Dann muss auch noch bewiesen werden, dass sie fehlerfrei sind oder keine Fehler gemacht haben. Ich bin gar nicht sicher, ob die das dann vor allem sich selbst beweisen müssen oder den Anderen oder sogar Beiden?
Wenn irren menschlich ist, also Fehler machen, menschlich ist, dann werden wir wohl davon ausgehen müssen, dass trotz aller Vorsicht Fehler passieren. Bis zu einem gewissen Mass werden wir Fehler wohl verhüten können und das ist natürlich auch wichtig, je grösser die Schäden bei Fehlern sein können, aber wo die Grenze liegt, ist wahrscheinlich im Nebel, ist vielleicht bei jeder Entscheidung oder Handlung wieder etwas anders gelagert. Können wir den Nebel über diesen Grenzlinien überhaupt lichten? Ich fürchte, das ist bereits unser Wunschtraum, also Schein, aber nicht Realität, also nicht Sein, keine für uns erreichbare Möglichkeit. Das ist natürlich bitter, aber wir sind Menschen. Wir haben uns nicht selbst in einer Evolution entwickelt oder haben uns nicht selbst in irgendeiner Form geschaffen. Wir sind entwickelt oder geschaffen worden und nun sind wir, wie wir sind, ganz egal, ob wir da einen Gott oder die Evolution oder sonst etwas glauben. Für „wer und wie ich bin“ kann ich nur sehr, sehr eingeschränkt etwas. Für meine Gene, für meine Erziehung, ja selbst für die Umgebung, in die ich geboren wurde, kann ich nichts, weder als Fehler, noch als Erfolg. Dafür brauche ich mich weder schuldig zu fühlen, noch kann ich stolz darauf sein. Es ist wie es ist.
Ich weiss nicht, was ich nicht weiss und daher weiss ich auch nicht, was meinem geglaubten „Wissen“ entgegensteht. Ich erfasse nicht die Welt um mich herum, sondern nur ein Abbild von ihr und nur mit diesem Bild kann ich leben und mich orientieren. Diese Differenz erhöht unsere Fehlerwahrscheinlichkeit. Ich kann nicht eine Minute in die Zukunft schauen und muss deshalb beim Autofahren einen Sicherheitsabstand einhalten. Womöglich wäre es sinnvoll, diesen Sicherheitsabstand bei viel mehr Dingen und Vorgängen im Leben einzuhalten? Ein Sicherheitsabstand in der Hinsicht, dass ich mich um einen bestimmten Posten lieber nicht bewerbe oder dass ich eine bestimmte Aufgabe lieber nicht annehme oder dass ich manche Wagnisse lieber nicht eingehe oder … Vielleicht haben wir viel zu wenig Angst? Die Angst, die wir in unser Menschsein mitbekommen haben, war vielleicht ein natürlicher Schutz vor Fehlern und Unfällen? Die Zahl der Unfälle und der Fehlerfälle in unserer „fortschrittlichen“ Gesellschaft zeigt in dieser Hinsicht den Unterschied zwischen Schein und Sein bei uns. Nicht wenige Fehler sind ja einfach Folge von Selbstüberschätzung, fehlender Selbstkritik, natürlich auch Geltungssucht und Sichselbstbeweisen und ähnlichem. Zu wenig Sicherheitsabstand eingehalten? Zu wenig Sicherheitsabstand zu den eigenen Entscheidungen eingehalten. Können Sie das, eigene Entscheidungen aus Vorsicht nicht ausführen? Versuchen Sie es mal.
Woher kommen unsere Ideen, Erinnerungen und Gedankengänge? Wirklich tragfähige Vorstellungen hat die Wissenschaft mir da bisher nicht geliefert. In Split-Brain-Forschungen (Forschungen an Menschen, denen die beiden Gehirnhälften chirurgisch weitgehend getrennt wurden) fand man, dass die linke Hirnhälfte auf dargebotene Reize sehr schnell eine Deutung fand. Die Deutungen stimmten zwar oft nicht oder nur sehr eingeschränkt mit der Realität überein, aber eine Deutung fand unser Hirn sehr schnell. Beim Herzen fand man einen Schrittmacher, der die elektrischen Impulse für die Herzaktion abgibt. Gibt es im Hirn eine Struktur, die Ideen, Gedanken und Deutungen formuliert? Woher wüsste diese Struktur, dass diese Idee jetzt sein muss, dieser Gedanke und kein anderer kommen muss oder diese Deutung und keine andere richtig ist? Könnten Sie Ihrem oder ich meinem Hirn befehlen, einen anderen Gedanken zu denken, weil Sie den jetzigen für falsch halten? Woran würden Sie fest machen, dass dieser Gedanke und nicht der andere jetzt falsch ist und meist ist es noch nicht einmal eine Frage von richtig oder falsch, sondern von wie realitätsnah und wie realitätsfern, nicht 0 oder 100, sondern alles mögliche dazwischen.
Was ist, wenn die notwendige Idee, der helfende Gedanke, die stimmige Deutung jetzt nicht kommt? Was hat der jeweilige Mensch falsch gemacht, dass er diese Idee jetzt nicht hatte? Das Hirn hat die Idee jetzt nicht generiert oder eine Struktur im Hirn hat versagt oder Jemand hat dem Hirn die Idee nicht gegeben? Wie können wir einen Menschen für seine Taten für „schuldig“ erklären, wenn wir gar nicht wissen, ob er seinen Entschluss, seine Tat oder sein Versehen oder Versäumnis bewusst selbst hervorgerufen hat oder nicht verhindert hat, ja, es vielleicht hätte gar nicht tun oder verhindern können? Strafe muss sein, also müssen wir Dich bestrafen, egal, ob Du Schuld hast oder nicht. Passt das mit den von uns formulierten Menschenrechten und Rechtsrichtlinien oder gar Gesetzen zusammen?
Jeder weiss heute, dass seine Arbeitsweise oder sein Produkt oder seine vermeintliche Lösung die Zukunft ist, nachhaltig ist und posaunt uns das lauthals und in breiten bunten Bildern und vielen dummen Sprüchen (die sie oder er selbst für besonders gut halten) mit viel Übertreibung um die Ohren, dass uns Hören und Sehen vergehen. Vielleicht würde die Anzahl der Fehler abnehmen, wenn wir vorsichtiger würden, zurückhaltender, selbstkritischer in unseren Äusserungen über uns selbst? Früher (also erst vor einem halben Jahrhundert) stank Eigenlob. Wenn es heute noch stinken würde, wären wir schon längst erstunken.
Nun haben wir einen verantwortungsvollen Job, der mit Planungen, mit Vorausschau, mit dem Erfassen von Wünschen, aber auch Einschätzung von Risiken und Aufstellen von Budgets oder aber auch Aufstellen von Notfallplänen etc. verbunden ist. In der Wirtschaft, der Verwaltung und in der Politik sind solche Aufgaben häufig, aber selbst im eigenen Leben stehen wir immer wieder vor diesen Aufgaben.
Da höre ich im August 2024, dass die Meyer-Werft in Papenburg (D) vom Staat gerettet werden müsse. Als Grund höre ich, dass sie sehr grosse Schiffe baut, Kreuzfahrtschiffe. Das Geld fliesst erst bei der Übergabe des Schiffes mit der Rechnungsstellung. Die lange Zeit des Schiffbaues wollen aber die Zulieferer bezahlt werden, die Arbeiter wollen ihre Löhne und weitere Kosten fallen an. Schon meine Frau mit ihrem wenige-Mann-Betrieb und später Einfrau-Betrieb wusste vor Jahrzehnten, dass sie bei grösseren Aufträgen Teilzahlungen je nach Fortschritt der Arbeit vereinbaren muss. Sonst hätte das nicht funktioniert. Bei solch einem grossen Betrieb mit solchen Riesenaufträgen? Dumm was? Klar muss das Management ausgewechselt werden. Die neu eingesetzten Menschen machen wieder andere Fehler, wenn sie Glück haben, welche mit weniger Schadensvolumen. Natürlich werden auch die versuchen, so fehlerfrei zu arbeiten, wie möglich und begangene Fehler zu vertuschen und im Zweifelsfall erst Fehler zugeben, wenn es nicht mehr zu vermeiden ist. Das machen wir doch auch so. Sie sind da natürlich die einzige Ausnahme.
Nun ist bei der Erstellung der Planung eines Bauvorhabens ein Betrag herausgekommen, der später bei der Fertigstellung nicht eingehalten werden konnte. In den allermeisten Fällen kosten der Bau oder das Projekt mehr. Wenn der Bauherr Pech hat, wirft der Fehler das Projekt aus der Effizienzbreite heraus. Der Bau oder das Projekt rechnen sich gar nicht mehr. Das hat bittere Folgen in der Realität. Könnten wir auf solche Projekte gleich verzichten, wenn die Risiken zu hoch sind, für solch eine Entwicklung? Wer hätte das präzise vorhersagen sollen oder gar können?
Staatshaushalte müssen auf Grund der Fülle von Einflussfaktoren meist nachträglich ergänzt werden und auch dann stimmen sie nicht. Es gibt zum Glück Buchhaltertricks, mit denen man es nach aussen verstecken kann. Warum sind diese Tricks nötig? Warum müssen wir unsere menschliche Unfähigkeit verstecken? Wir können es alle nicht und die, die glauben, es zu können …? Wenn wir uns die Realität so anschauen, dann erliegen Viele nur einfach einer Selbsttäuschung: Das kann ich auch (obwohl ich das gar nicht können kann).
Nun stellt sich im Sommer 2024 in der Schweiz heraus, dass die AHV-Versicherung 4 Milliarden Franken mehr in Reserve hat, als vorausberechnet. „Wie konnte denn das passieren?“ „Wer hat da falsch gerechnet?“ „Nicht einmal rechnen können Die!“ Weitere Reaktionen kann ich Ihrer Fantasie überlassen. Wir haben etliche sogar ganz real erlebt, gehört oder gelesen.
Ist diese Reaktion überhaupt angemessen? Das kann man von verschiedenen Seiten betrachten. Nehmen wir die absolute Zahl, dann sind 4 Milliarden eine Menge Geld. Wenn ich mich in meinem Haushalt um 4 Milliarden verrechnen würde? Zuviel? Oh, da könnte ich mich aber freuen. Ich armer Schlucker wäre plötzlich Milliardär. Den Fehler liesse ich gerne gelten. Zu wenig? Sie können sich die Folgen ausrechnen. Aber würde meine Fehlrechnung auch der Realität entsprechen?
Wir müssen diese 4 Milliarden in Relation, in Beziehung setzen, um das Ausmass des Fehlers überhaupt einschätzen zu können. Wie viel bezahlt die AHV pro Jahr oder wie viel nimmt sie ein pro Jahr? Wie sehen die Vorausberechnungen für den Verlauf aus? 4 Milliarden sind sicher nicht unbedeutend, aber plus ist ja immer noch besser als minus, noch dazu, wenn man schon weiss, dass wenig später das Geld doch nicht reichen wird, oder?
Ich kann nicht in die Zukunft schauen, nicht einmal eine Minute. Offenbar betrifft das sogar alle Menschen, denn ich habe nicht gelesen, dass in der Strassenverkehrsordnung an dieser Stelle nur mein Name steht und alle Anderen viel weniger Sicherheitsabstand einzuhalten brauchten. Vorhersagen sind nicht meine Stärke, aber womöglich nicht einmal unsere menschliche Stärke? Deshalb gibt es ja auch den hochbezahlten Beruf des wissenschaftlichen Propheten, der an Hand von Berechnungen die Zukunft vorhersagt. Aber was ist, wenn die Grundannahmen für die Berechnungen wegen eines unangemessenen Weltbildes gar nicht stimmen? Wer kommt für solche Schäden auf? Wir kennen das von den Wetterpropheten. Wer kommt für Schäden auf, wenn das vorhergesagte Unwetter, auf das wir uns vorbereiteten, dann doch nicht auftrat? Warum deshalb der BSV-Direktor, Herr Stéphane Rossini nun beschuldigt und womöglich „abgesägt“ werden muss, ist mir nicht so recht einsichtig. Meine sehr verehrten Schweizerinnen und Schweizer, darf ich vorschlagen, dass Sie ihm um den Hals fallen dafür, dass Sie noch ein bisschen Zeit geschenkt bekommen haben, um die Finanzen für die Zukunft fit zu machen? Und wie Frauen jetzt auf die Idee kommen können, schon wieder begehrlich nach dem Geld zu schielen und ihre Rentenaltererhöhung verschieben zu wollen, ist mir nicht so ganz einsichtig. Meine Damen, sie machen doch die Welt besser (als wir Männer). Das bedeutet doch, dass Sie für mehr Nachhaltigkeit auch in der Finanzierung der Rentenversicherung stimmen? Natürlich möchten auch Sie, dass da am besten nur die Männer einzahlen oder zumindest mehr als Frauen, oder? Aber sollten Sie verheiratet sein, spielt es doch sowieso keine Rolle, denn Sie müssen Beide Ihren Beitrag leisten und in der persönlichen Haushaltsrechnung als Paar erscheint das doch sowieso als Summe, über die Sie Beide nicht mehr verfügen können. Nur, wenn wir Jede und Jeder einzeln leben und rechnen, spielt es eine Rolle. Doch dann können Sie gleich ganz einpacken, denn da wird die Zahl der Kinder, die für Rente sorgen, in Zukunft noch viel kleiner sein. Dann rechnet sich kein Rentenversicherungssystem mehr. Dann haben wir aus den kleinen Fehlern auch gleich noch grosse gemacht, weil wir die Fehler verhindern wollten. Clever, oder?
„Fehlerkultur“ gehört eigentlich auf unserer Themenliste mit an eine der vorderen Stellen. Was würde das bedeuten?
Fehler bedeuten ja, dass Jemand zu Schaden gekommen ist. Da Fehler meist geschehen sind und das Leben nicht einfach zurückgedreht werden kann, können wir die Schäden auch nicht einfach mal so ungeschehen machen. Die Erfindung des „Sozialstaates“ und der „Versicherungen“ war da natürlich eine herausragend gute Idee: Die beseitigen den Schaden jetzt einfach und wir können schadensfrei einfach weiter leben. Keine Opfer mehr, keine Geschädigten mehr. Erleben Sie das nach hundert Jahren zunehmenden Sozialstaates und mehr als hundert Jahren Versicherungswesen so? Offenbar funktioniert da etwas nicht so, wie wir und unsere Vorfahren sich das gedacht haben? Wo liegt der Fehler?
Die meisten Entscheidungen fällen wir nicht gut informiert, sondern nach Gefühl und Wellenschlag und sofort in der Überzeugung, richtig zu handeln, egal was wir denken und glauben zu wissen. Das haben führende Ökonomen und Gesellschaftstheoretiker bisher doch ganz anders beschrieben? Angeblich weiss Jeder, was er tut. Ich hätte da im Erleben in unserer Demokratie, in unserer Wirtschaft und Gesellschaft, erhebliche Zweifel. Wir glauben das nur, weil wir seit unserem Trotzalter im 3. Lebensjahr glauben, Recht zu haben, egal, was wir denken oder glauben.
Vor ein paar Jahren gab es in Deutschland und der Welt den Wirecard-Skandal. Der Zahlungsdienstleister musste seinen Betrieb hoch verschuldet einstellen, weil die Manager die Situation falsch eingeschätzt hatten, also Fehler gemacht hatten. Selbst wenn sie sich selbst hätten nur bereichern wollen, hätten sie sicher dafür gesorgt, dass die Firma nicht zusammenbricht, denn dann wären die Bereicherungen nicht aufgefallen und ihre eigene Position wäre sicher gewesen. So haben sie im Falle der Selbstbereicherung ihre eigene Arbeits- und Lebensgrundlage zerstört. Das war clever, oder? Wahrscheinlich haben sie nicht einmal sich selbst bereichern wollen oder zumindest nicht mehr als wir Anderen auch? Aber die Entwicklung verlief anders, als sie selbst es erwartet hatten.
Oder die Credite Suisse 2023. Ist es den Bankmanagern nicht in ihrer Position ganz ähnlich ergangen? Die Entwicklung falsch eingeschätzt. Der Blick in die Zukunft? Vermutlich dem Strassenverkehr sehr ähnlich?
Es spricht vieles dafür, dass wir Menschen unsichtbare Grenzen um uns haben, z.B. auch die der Effektivität von Vorgängen in unserer Gesellschaft, damit auch unserer Wirtschaft und in unserem eigenen Leben. Wir aber und mit uns unsere Wissenschaftler, Wirtschafter, Politiker und Propheten gehen davon aus, dass alles nur immer besser, immer schneller, immer reicher … wird. Wenn unser Weltbild des immer besser auf Grund unserer eigenen Möglichkeiten und der Effizienzrechnung aber in Form einer verbeulten Gausskurve verliefe und wenn die unsichtbare Grenze, die unsere Möglichkeiten und die Effizienz in unserem Leben ziehen, bereits überschritten ist, …? Was aber z.B., wenn in Firmen genauso wie in demokratischen Staaten Jede und Jeder (CEO bis Putzfrau oder heute CEOin bis Putzmann) nur aus der Firma oder dem Staat jeden Nutzen herausziehen will, also mehr, als die Möglichkeiten und die Effizienz zulassen, aber weniger als unsere Möglichkeiten hereingeben oder auch nichts hereingeben, was aber die Effizienz auf jeden Fall erfordert? Dann sind wir schon auf dem Abwärtsteil der verbeulten Gausskurve, also auf der „schiefen Bahn“. Können wir uns gegen diese Schäden versichern? Auch als gemeinsame Bürgerschaft im Staat oder als Beitragszahler zusammen für eine Versicherung müssten wir ja für den Schaden aufkommen.
Im August 2024 lese ich von der Schweizer Ärzteschaft, der FMH, dass es nun den angegliederten Verlag, EMH, trifft. Die Entwicklung war schon länger vorausgesehen worden. Gegenmassnahmen halfen aber nicht und Massnahmen, von denen im Nachhinein geglaubt wird, dass sie geholfen hätten, wurden nicht ergriffen. Fehler. Und es gibt auch gleich Führungskräfte, die in der Ärztezeitung ganz entschieden kundtun: „Wir sind aber nicht Schuld! Schuld sind die Anderen!“ Nun kenne ich die Situation nur aus der Ferne und aus den Veröffentlichungen, aber wenn das stimmt, was ich zu lesen bekam, dann könnte man die Entwicklung auch aus ganz anderer Sichtweise beurteilen. Dann erscheinen die Akteure ungefähr so, wie meine Enkel im Kinderzimmer im Vorschulalter. Wie kann denn das sein? Da ist sicher diese andere Sichtweise falsch?
Wir machen Fehler, jedenfalls ich. Mich dürfen Sie an solch eine Stelle nicht setzen. An solche Positionen dürfen Sie nur Menschen wählen, die keine Fehler machen, also wohl keine Menschen. Nun soll es ja „künstliche Intelligenz“ geben. Dann können wir doch gleich die an alle Leitungspositionen in der Gesellschaft wählen und wir Menschen ziehen uns komplett heraus? Aber in der Technik passieren auch eine ganze Menge Fehler (ausser natürlich, wenn unsere Firma Sie beliefert). Abnutzungserscheinungen, Fehlprogrammierung und unglückliche Interaktionen verschiedener Komponenten untereinander, Ausfälle von Komponenten, ... Oft wird mit zunehmender Komplexität die Fehlerwahrscheinlichkeit eher zu- als abnehmen. So etwas können wir nur gar nicht denken. Das würde ja bedeuten, dass die zunehmende Komplexität unserer Technik eine Begrenzung in sich trüge, vor der wir vor Überschreiten der unsichtbaren Grenze Halt machen müssten, wenn wir clever wären. Das wäre ja ganz gegen unsere gewünschten Spielregeln (immer mehr, ...).
Wir stehen also in der ungünstigen Position, handeln zu müssen, Fehler zu machen, aber keine Fehler machen zu wollen und keine Fehler machen zu dürfen. „Nein, wir machen und liefern höchste Qualität!“ Seien wir vorsichtig, lieber ängstlicher, als zu mutig und dann unvorsichtig. Schon Viele haben diese Fehler mit dem eigenen Leben bezahlt. Dann war das eine Fehleinschätzung ohne Korrekturmöglichkeit.
Schauen wir uns den Strassenverkehr in den 1980iger Jahren an und zum Vergleich in den 2020iger Jahren. Eine Menge technischer Massnahmen und geänderter Regeln und Einschränkungen haben zu weniger Unfällen geführt. Es ist schon eine ganze Menge möglich. Aber 100 % Fehlerfreiheit? An irgendeiner Grenzlinie (oft undefinierbar im Nebel) wird der Nutzen geringer als der Aufwand. Wo es sich nur um Maschinen und Geld im Gleichgewicht handelt, haben wir es vergleichsweise einfach, aber wenn menschliche Leben mit dazu kommen? Leben und Geld spielen auf der gleichen und auf zwei verschiedenen Ebenen. Wir können Leben nicht in Geld umrechnen und umgekehrt auch Geld nicht in Leben. Solange es nur um uns selbst geht, ist es relativ einfach. Zum Erhalt meines Lebens kann ich bis zur Summe des Geldes gehen, das ich besitze. Dann ist Schluss. Die Dreiecksverhältnisse über Versicherungen und über Sozialstaaten haben uns die Sicht vernebelt. Wir sehen die Grenzen oder Limits nicht mehr. Aber das Prinzip gilt im Volk genauso wie in der Familie, nur eben grösser und mit mehr verschiedenen Faktoren und Teilnehmern mit unterschiedlichen Interessen.
Wie sollen wir auf Fehler reagieren? Wir machen alle Fehler. Also kann man doch eigentlich niemanden für Fehlentscheidungen und Fehler beschuldigen und bestrafen? Fehler und Fehlentscheidungen verursachen aber Schaden und damit Opfer. Einige Fehler kann man rückgängig oder wieder gut machen, sehr viele aber nicht. Was dann? Versicherungen und der Staat sollen die Folgen tragen, zumindest finanziell. Aber auch da müssen die Beitragszahler und Bürger entsprechend bezahlen (Beiträge und Steuern). Die gesparten Gelder sind erstaunlich schnell verbraucht. Und dann?
Natürlich ist ein Leben viel Geld wert. Aber das Geld liegt ja nicht auf der Strasse oder wächst auf den Bäumen. Das Geld muss erarbeitet werden. Suchen Sie vor einer finanziellen Bewertung von Leben genug Menschen zusammen, die jeweils bereit sind, für dieses Leben zu arbeiten (neben ihrem normalen Leben mit der Balance von arbeiten und geniessen), damit genug Geld zusammen kommt. Die Bewertung wird um so realitätsnäher, je mehr sie Leben-und-Geld-Bewertungen erst dann vornehmen, wenn genügend Menschen auch das Geld dafür tatsächlich zusammengelegt haben. Nicht Wunsch und Kredit zählen, sondern Tatsache und Haben. Das bedeutet zwar weniger Reichtum, weniger Wohlstand, weniger Hilfe für uns und Andere, aber das macht unsere Beurteilungen realitätsnäher, denn das Geld müssen wir ja doch zusammen in irgendeiner Form aufbringen. Oder wollen Sie dann zu Ihrem Gott betteln gehen, wer immer das auch ist? Das verbietet Ihnen doch Ihr Stolz? Kennen Sie heute Regierungen, die keine Probleme mit dem Geld haben? Zu viele Wünsche (inzwischen sogar Forderungen), zu viele versprochene oder gesetzlich garantierte Rechte und zu wenig Haben, zu wenig Einhalten unserer Pflichten, wie bei den Drei-Jährigen.
Fehler machen ist bis zu einer Grenze im Nebel einfach menschlich und daher auch nicht strafbar. Wir kennen nur die Grenze nicht. Menschsein können wir nicht bestrafen. Fehler in Verantwortungsfunktion in Regierung, Wirtschaft oder Wissenschaft sind menschlich. Unser Hauptproblem ist, dass wir glauben, selbst keine Fehler zu machen und wenn wir welche gemacht haben, was dann? Unser Hauptfehler ist, dass wir Anderen, wenn sie Fehler gemacht haben, keine Gnade gewähren, wo wir Recht ja doch gar nicht sprechen können, weil wir die menschliche Fehlergrenze gar nicht kennen. Rechtlich gesprochen: Die Grenze zwischen fahrlässig und mutwillig begangenem Fehler ist ein Graubereich, sodass ich nicht mit Sicherheit richtig urteilen kann. Deshalb: Im Zweifel für den Angeklagten. Das bedeutet aber zugleich, im Zweifel gegen das Opfer. Das lässt sich nicht trennen.
Aber was machen wir dann mit dem Opfer? Das Opfer hat den Schaden und der Sozialstaat und die Versicherungen können zwar im besten Fall einen finanziellen Ausgleich gewähren, aber damit sind viele Schäden eben doch nicht angemessen ausgeglichen oder gesühnt oder wieder gut gemacht. Wir Menschen sind meistens gar nicht in der Lage, den Schaden eines Opfers wieder zu heilen. Vorbeugend aber waren wir gar nicht ängstlich, gar nicht vorsichtig, gar nicht abwägend genug. Einfach drauf los... Also doch Fehler mit Eigenverantwortung?
Entscheidungen in der Politik betreffen ganze Völker oder sogar die Menschheit auf der Erde insgesamt. Da wir nicht wissen, was unserem vermeintlichen Wissen entgegensteht, was die Zukunft bringt bzw. sich im Verlauf der Zukunft später als richtig oder falsch oder angemessen entschieden herausstellen wird, haben wir eigentlich gar keine Grundlage für unsere Entscheidungen.
War die Entscheidung unserer Vorväter richtig, in Kolonialkriege zu ziehen? Müssen wir heute nicht eher sagen, „Nein“, das wir nicht richtig?
War die Entscheidung der Amerikaner richtig, zu Ende des 2. Weltkrieges noch zwei Atombomben abzuwerfen? Fragen wir verschiedene Menschen mit verschiedenen Hintergründen, gibt es hier sicher viele verschiedene Antworten? Nach welchen Kriterien wollten wir am Ende entscheiden, wer von diesen Menschen dann mit welcher Antwort „Recht“ haben könnte?
War die Entscheidung der chinesischen Machthaber Ende der 1970iger Jahre richtig, eine Einkind-Politik zu befehlen und gnadenlos durchzuziehen? Die Bevölkerungsexplosion wurde beendet, aber die Bevölkerungsimplosion im Anschluss ausgelöst. Was am Ende mehr schaden wird und wem, wissen wir doch noch gar nicht?
Die Entwicklung von Sozialstaaten war angesichts des Leids in vielen Ländern doch sehr sinnvoll. Aber nicht bedacht hat man damals, dass wir als Einwohner nicht nur die Nutzniesser sind, sondern wir müssen die Vorteile auch alle selbst zusammen erarbeiten und bezahlen. Durch den Rechts-, Verteil- und Bezahlmechanismus wird es am Ende für alle zusammen sogar teurer. Vor dieser Tatsache stehen wir heute in sehr vielen Ländern und wir haben gar keine Lösung für das Problem. Viele Verantwortungsträger werden sich der Problemlage und ihrer Ausweglosigkeit noch gar nicht bewusst sein?
Wiedergutmachung für die Schäden? Wir müssten sie ja auch wieder zusammen selbst bezahlen. Es gibt gar keine Wiedergutmachung. Unsere Vorfahren haben genauso geträumt, wie auch wir heute noch träumen. Unsere Kinder werden die Schäden genauso erleiden, die wir verursacht haben, wie wir heute die unserer Vorfahren erleiden und für die es keine Lösung und keine Wiedergutmachung gibt. Unsere Kinder träumen auch ...
Was nun, angesichts dieser sehr ungemütlichen, aber wahrscheinlich leider realitätsnahen Aussichten?